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Auf der Suche nach dem Frauen-Empowerment
Das antike Griechenland gilt als Wiege der Demokratie. Die moderne Welt hat den alten Griechen die Grundlagen unserer politischen Ordnung zu verdanken, die auf Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, der Redefreiheit und dem freien Zugang zu öffentlichen Ämtern beruht.
Obwohl Griechenland die Entwicklung der europäischen Zivilisation maßgeblich mitgeprägt hat und auf ein beachtliches kulturelles Erbe zurückblicken kann, muss das Land, wie die meisten südosteuropäischen Länder, noch einige Probleme lösen. Katerina Papanikolaou ist eine erfahrene Beraterin, die sich seit Jahren mit Themen wie Frauen-Empowerment, Menschenrechte und Weiterbildung beschäftigt. Sie hat Biologie studiert, sich auf Psychotherapie spezialisiert und einen Großteil ihrer Energie der Schaffung einer toleranteren und gerechteren Gesellschaft gewidmet. Ihrer Wahrnehmung der griechischen Gesellschaft zufolge bestehen noch Verbesserungsmöglichkeiten: Sowohl in der Politik als auch in den Gemeinden sieht sie, dass Menschenrechte, insbesondere die Rechte der Frauen, nicht die nötige Beachtung finden. Vor allem die jüngere Generation ist mit ihrer Aufgeschlossenheit dabei, diese Situation zu verbessern, und Katerina plant ein neues Projekt, um dieses Potenzial zu nutzen.
Der Platz einer Frau
Papanikolaou verweist auf die Tatsache, dass Grienchenland im Gleichstellungsindex den letzten Platz in der Europäischen Union belegt. Mit 52,2 von 100 Gesamtpunkten liegt Griechenland mit mehr als 15 Punkten unter dem EU-Durchschnitt. Die Indexpunkte sind seit 2010 unverändert geblieben".
Auf die Frage nach ihrer persönlichen Erfahrung antwortet sie: "Ich glaube nicht, dass es einen bestimmten Moment im Leben einer Frau gibt, in dem sie sich tatsächlich diskriminiert fühlt, es sei denn sie ist Opfer sexueller Belästigung oder Hassreden.
Sie erklärt jedoch, dass nach Auffassung der traditionellen griechischen Gesellschaft der Mann im Berufsleben stehen und die Frauen zu Hause bleiben soll. „Studien zufolge glauben die Griechen mehrheitlich, dass der Platz der Frau zu Hause ist. Für mich ist das beschämend. Man glaubt, Frauen sollten zu Hause bleiben und sich um Haushalt und Kinder kümmern, wenn der Mann sie finanziell unterstützen kann. Es besteht keine Notwendigkeit erwerbstätig zu sein“, erklärt Katerina. Gespräche mit Frauen in anderen Ländern zeigen, dass diese Auffassung in der Region weit verbreitet ist, sowohl in den EU- als auch in den Nicht-EU-Staaten.
Unbestreitbar ist, dass Zivilgesellschaft und Nichtregierungssektor frauendominiert sind. Katerina bringt es auf den Punkt: „Es ist vorwiegend Frauensache“. Doch das verfestigt nur das Stereotyp, dass Frauen in der Regel einfühlsamer sind als Männer und daher eher in diesen Bereich gehören.
Sie fügt hinzu, dass sich das Frauen-Empowermen nicht nur auf Beispiele von außergewöhnlichen Frauen, die Spektakuläres geleistet haben, beschränken sollte. „Ich würde gerne mehr Beispiele sehen, die zeigen, wie praktische Aktionen [in der Zivilgesellschaft] mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Frauen zusammenhängen. Anstatt immer die erfolgreichen weiblichen Mitstreiterinnen in den Fokus zu rücken, würde ich lieber mehr Geschichten über Frauen hören, die es nicht geschafft haben. Ich bin mir nicht sicher, dass es für Frauen, die keine Einkünfte haben, nicht gleichberechtigt behandelt werden und auch keine Unterstützung erfahren, besonders hilfreich ist, wenn sie nur mit diesen Best-Case-Szenarien konfrontiert werden.
Oft empfinden manche Frauen dann so: „Okay, ich bin nicht wie diese Frauen, warum sollte ich mit dann mit dieser NGO oder Bewegung identifizieren“. Es geht immer um brillante, erfolgsverwöhnte Frauen, die ihr Vermächtnis weitergeben. Ich habe das Gefühl, dass [normale Frauen] keine Verbindung spüren, sie denken, es würde ein Missverhältnis herrschen“, erklärt Katerina.
Junge Menschen, Fortschritt und Lösungen
Glücklicherweise scheint die junge Generation fortschrittlicher zu denken, wenn es um Menschenrechte oder Frauen-Empowerment geht. „Ich glaube, die 20- bis 30-jährigen sind sich dieser Themen mehr bewusst. Sie kümmern sich nicht um Geschlecht, Rasse oder Hautfarbe“, erklärt die Seniorberaterin.
Katerina weist jedoch darauf hin, dass jüngere Menschen, obwohl liberaler und toleranter, auch Opfer jahrelanger Vorunteile und Stereotzpen sein können. "Ich bin sehr vorsichtig, wenn es um unbewusste Vorurteile geht. Wir köonnen uns selbst als unvoreingenommen empfinden, ohne es zu wissen. Ich denke, dass wir als Gemeinschaft mehr an der unbewussten Voreingenommenheit arbeiten sollten", sagt sie.
Sie ist daher der Meinung, man solle sich nicht auf diejenigen konzentrieren, die von den traditionellen Geschlechterrollen überzeugt sind, sondern vielmehr den Fokus auf diejenigen richten, die sich von unbewussten Vorurteilen beeinflussen lassen. Sie erklärt, dass manchmal sogar fortschrittlich denkende Menschen in der Wirtschaft Männern den Vorzug vor Frauen geben, selbst wenn letztere genauso qualifiziert oder ausgebildet sind. „Die Voreingenommenheit besteht darin, zu glauben, dass ein Mann fähiger und freier ist, da er, selbst wenn er Kinder hat, keine Probleme mit ins Büro bringt. Ich denke, man kann das daran erkennen, dass wir gleiches Verhalten von Männern und Frauen im Berufsleben völlig unterschiedlich beschreiben“, fügt sie hinzu.
Katerina arbeitet jetzt an einem neuen Projekt, das sich an junge Mädchen richtet, um „ihre Entwicklung, ihre Offenheit, ihr Selbstbewusstsein und ihr Vertrauen in anderen Frauen oder Männern“ zu fördern. Sie glaubt, es sei wichtig, ihr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu fördern und ihre Chancen zu verbessern, damit sie das tun können, was sie wirklich wollen, zudem „ohne Hindernisse, Schranken und Stereotypen“. Diese Initiative soll bis zum Beginn geheim gehalten werden. Sie erklärt jedoch, dass die Initiative in ihrem Kern jungen Mädchen helfen soll, ein Studium aufzunehmen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und ihren Interessen in den Bereichen Mode, Kunst oder Wissenschaft nachzugehen.
Das Verhältnis der griechischen Politik zu Menschenrechten
Katerina erklärt, dass ihr Heimatland noch einen weiten Weg zurücklegen muss, bis die Diskussion über Menschenrechte eine Evolution erlebt. „In Griechenland gibt es nicht so viele Menschen, die offen über Menschenrechte sprechen. Erst in den letzten zwei Jahren haben wir begonnen uns ernsthaft mit diesem Thema zu beschäftigen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir schon Ergebnisse feiern können, aber wir sprechen jetzt viel aufrichtiger und offener darüber“, erklärt sie.
Beiläufig erwähnt Sie während unseres Gesprächs, dass eine olympische Goldmedaillengewinnerin am selben Tag zum ersten Mal öffentlich über sexuelle Belästigung im Sport gesprochen hat. „Sie schilderte die Geschichte in allen Einzelheiten und auch der Premierminister sagte einige Worte darüber, wie wir Kinder, Mädchen und Frauen im Sport schützen sollten. Ich denke, das ist typisch für Griechenland - jedes Mal, wenn so etwas passiert, sprechen wir sehr offen darüber und tauschen Meinungen aus, aber ich glaube nicht, dass die Menschenrechte tatsächlich auf der Tagesordnung stehen“, so Katerina.
Sie ist sich nicht ganz sicher, ob inzwischen die Frauen die Politik in Griechenland erobert haben und sich dort "heimisch" fühler. "Ich bin bezweifele manchmal, ob es der richige Platz für Frauen ist. Wir sehen immer mehr Frauen (in der Politik), und ich würde sagen, dass sie jetzt dort auf weniger Hindernisse stoßen. Man gewinnt sogar den Eindruch, dass es kaum welche gibt, dass die Schranken abgebaut wurden und dass (Frauen) politische Spitzen-Positionen leichter erreichen können", erklärt die. Die Realitäat sieht allerdings etwas anders aus. Katerina ist der Meinung, dass Frauen Unterstützung brauchen, um sich erfolgreich in die Politik zu etablieren. "Wenn ich von Unterstützung für die Frauen in der Politik spreche, meine ich praktische Unterstützung - damit man auch dann mitmachen kann, wenn man Kinder und Job unter einen Hut bringen muss. Wenn zum Beispiel alle Gemeinderatssitzungen um 22 Uhr abends stattfinden, dann ist das ein Hindernis für Frauen, die im Rat mitwirken wollen", meint sie.
Von der Humanwissenschaft zum Menschen
Katerina kommt aus der Wissenschaft - sie hat an der Aristoteles-Universität Thessaloniki einen Bachelor-Abschluss in Biologie gemacht. „Bereit während meines Biologie-Studiums wurden mir die Vorteile der akademischen Ausbildung bewusst. Ich konnte mich auf bestimmte Themen konzentrieren, gleichzeitig meine Ansichten erweitern und an einem Perspektivenwechsel arbeiten, um zu lernen, nicht immer nur die eigene Sicht der Dinge zu betrachten. Das alles hat mich stärker und anpassungsfähiger gemacht, so dass ich mich leichter verändern konnte“, erklärt sie.
In den ersten Jahren ihrer beruflichen Laufbahn war sie in der Pharmaindustrie tätig, dann beschloss sie, eine völlig neue Richtung einzuschlagen. „Ich konzentrierte mich auf die Organisationsentwicklung, deshalb entschloss ich mich zu einem Studium in diesem Bereich. Nahezu zugleich begann ich auch mit der Ausbildung in Psychotherapie. Ich beschloss, den Fokus mehr auf Beratung zu legen, und nach Jahren der Entwicklung meiner eigenen Fähigkeiten, Interessen und Karriere arbeite ich jetzt als Beraterin, die sich auf die Aus- und Weiterbildung von Menschen spezialisiert hat“, erklärt sie. Auch die Teilnahme an den von der Friedrich-Naumann-Stiftung organisierten-Akademien hat viel für die Erweiterung ihres Horizonts im Bereich der Menschenrechte beigetragen.
Das ist auch ihre wahre Leidenschaft. Sie ist der Meinung, dass jeder die gleichen Chancen verdient und nicht nur Zeuge von Ungerechtigkeit sein darf. „Seit meiner Kindheit habe ich mich sehr für Politik interessiert. Ich höre gerne Nachrichten, lese Zeitungen und versuch für die Geschehnisse in meinem Umfeld Verständnis aufzubringen. Um mich herum habe ich schreiende Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen, Hassreden, Ungleichheit in Bezug auf Geschlecht, Rasse oder Religion, beobachten müssen, deshalb habe ich mich entschied nicht wegzuschauen, sondern etwas zu tun“, sagt Katerina.