Türkei
Gescheiterte Wende
Wahlanalyse
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Beate Apelt, Projektleiterin der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit in der Türkei, widmet sich in Ihrer Wahlanalyse detailliert den geopolitischen und zivilgesellschaftlichen Implikationen der erneuten Wiederwahl des türkischen Präsidenten Erdoğan. Die vollständige Analyse können Sie ab sofort hier herunterladen:
Wunsch nach mehr Deokratie bleibt unerfüllt
Die weithin gehegte Hoffnung, die Wahlen in der Türkei könnten zu einer Abwahl
Erdoğans und seiner AKP führen und die Türkei zu Rechtsstaatlichkeit und
Demokratie zurückführen, hat sich nicht erfüllt. Der Präsident wurde mit 52,18
Prozent wiedergewählt; sein Herausforderer Kılıçdaroğlu brachte es auf immerhin
47,82 Prozent. Auch die Parlamentswahlen entschied die “Volksallianz” aus AKP, der
rechtsnationalistischen MHP und der islamistischen YRP mit 323 von 600 Sitzen
klar für sich. Trotz zahlreicher beanstandeter Unregelmäßigkeiten schätzen sowohl
internationale als auch lokale Wahlbeobachter die Wahl als im Wesentlichen frei ein.
Ihr großes Defizit besteht in den unfairen Rahmenbedingungen, die dem Präsidenten
durch seinen Zugriff auf Staatsbudget, Justiz, Sicherheitsorgane und mehr als 90
Prozent der Medien einen systemischen Vorteil verschaffte.
Wahlergebnis der Opposition
Das dennoch beachtliche Ergebnis der Opposition gründete einerseits auf der
steigenden Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der ökonomischen Situation im
Land, andererseits auf der sehr breiten Allianz der Opposition, die säkulare bis
islamistische und gemäßigt linke bis nationalistische Kräfte umfasste und die zudem
die Unterstützung der kurdischen Stimmen für den Präsidentschaftskandidaten
Kılıçdaroğlu gewann. Der auf Identität zielende und Ängste vor Instabilität und Terror
schürende Wahlkampf Erdoğans behielt am Ende jedoch die Oberhand über politische
Sachthemen.
Blick in die Zukunft
In Erdoğans dritter Amtszeit wird die Türkei absehbar weiter nach einer unabhängigen,
starken Rolle in der Region streben, zugleich aber ein so schwieriges wie militärisch
und geopolitisch bedeutsames Mitglied der NATO bleiben. Regional bleibt sie unter
anderem als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine sowie als Partner bei
der Flüchtlings- und Migrationspolitik der EU von Bedeutung. Die Zusammenarbeit
mit der Regierung in Ankara ist unerlässlich für die Bewältigung gemeinsamer
Herausforderungen – auch wenn sich diese Kooperation eher transaktional als auf
einer gemeinsamen Wertebasis gestaltet. Zugleich ist jedoch die Unterstützung
der türkischen Zivilgesellschaft unter absehbar immer restriktiveren Bedingungen
essentiell, wenn Europa die Türkei nicht vollends verlieren will.