Parlamentswahlen Moldau
Schafft die Partei von Reform-Präsidentin Maia Sandu das scheinbar Unmögliche?
Am kommenden Sonntag finden in der Republik Moldau vorgezogene Parlamentswahlen statt. In den Umfragen führt die proeuropäische Partei Aktion und Solidarität (PAS) von Präsidentin Maia Sandu, gefolgt von einem Wahlbündnis aus Sozialisten und Kommunisten. Für die im November frischgewählte Präsidentin stellt sich nun die große Frage, ob nach ihrem Sieg auch ihre Partei das scheinbar Unmögliche schaffen wird: Nämlich im Alleingang die Parlamentsmehrheit gegen den prorussischen Wahlblock zu gewinnen und damit auch die Regierung zu stellen.
Doch unmöglich scheint dieses Szenario nicht mehr. Jüngste Umfragen aus dem Juni deuten darauf hin, dass von den insgesamt 23 antretenden Parteien nur die beiden genannten Wettbewerber die Wahlhürde von 5 Prozent auch schaffen könnten. PAS wird dabei mit Werten zwischen 38 und sogar bis zu 50 Prozent gehandelt, die Sozialisten und Kommunisten erreichen in den Umfragen 28 bis 35 Prozent. Daher ist es – auch noch wenige Tage vor der Wahl – schwierig, eine Prognose zu wagen. Im April hieß es noch in einer Umfrage des Republican Institutes, dass weitere zwei bis drei Parteien die Fünf-Prozenthürde schaffen werden. Zwei davon werden von Kleinoligarchen angeführt und sind dabei nicht unbedingt die beste Koalitionsoption für die auf Antikorruption ausgerichtete PAS. Auch der ehemalige proeuropäische Allianzpartner der PAS, die Partei für Recht und Wahrheit (PPDA) dümpelte bei 5 Prozent. Dieser Wert scheint sich in der Zwischenzeit halbiert. Bei dieser volatilen Lage könnten die Wahlen am Sonntag Überraschungen mit sich bringen und den einen oder anderen erwünschten oder unerwünschten Königsmacher ins Parlament bringen. PAS setzt dabei in der Wahlkampfrhetorik auf die absolute Mehrheit gegen die reformborstigen Sozialisten.
Präsidentin Maia Sandu bestimmt das Rennen
Dabei ist die Popularität der Präsidentin Maia Sandu nach ihrer Wahl stetig gewachsen, und sie findet auch bei unentschiedenen, traditionell sozialistischen oder prorussischen Wählergruppen immer mehr Zustimmung. Vielen von ihnen sind von den als korrupt geltenden Sozialisten und Kommunisten enttäuscht. Der Reform- und Antikorruptionskurs von Sandu überzeugte 41 Prozent der Moldauer, ihr in jüngsten Umfragen das Vertrauen zu schenken. Ihr direkter Widersacher und ehemaliger, pro-russischer Präsident Igor Dodon liegt im Vergleich als Zweitplatzierter mit nur 19 Prozent weit zurück. Viele sehen seine politische Karriere mit diesen Wahlen als beendet an. Der Zusammenschluss mit den bis vor Kurzem rivalisierenden Kommunisten wird als Verzweiflungsakt bewertet. Die traditionellen Wahlkampfthemen der Sozialisten – Furcht vor dem Beitritt in die NATO und in die EU und vor der Vereinigung mit Rumänien zu schüren, oder die Annäherung an Russland – scheinen auch nicht mehr die gewohnte Anziehungskraft auszuüben.
Während im August vergangenen Jahres 70 Prozent der moldauischen Bevölkerung der Meinung waren, das Land bewege sich in die falsche Richtung, so waren es im März nur noch 50 Prozent. Maia Sandu bietet den Moldauerinnen und Moldauern mit ihrem Reformdiskurs Antworten auf die größten Probleme in ihrem Land, wie der schwachen wirtschaftlichen Situation, die hohe Arbeitslosigkeit, das niedrige Einkommensniveau und der Korruption. Das Anfang Mai von der EU angekündigte Hilfspaket von 600 Millionen Euro dürfte auch eine konkrete Antwort ihrer Bemühungen sein. Die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zur Ukraine, zur EU und zu Rumänien wurde ebenso positiv aufgenommen. Absichtlich vermied Sandu einen geopolitischen Wahlkampf zwischen Ost und West und sendete vermehrt inklusive Botschaften auch an die russische oder ukrainische Minderheit. Somit strahlt nun ihre Popularität auch auf die Umfrageergebnisse der PAS aus, gerade wenn man bedenkt, dass ein Viertel der Moldauerinnen und Moldauer angeben, vom jetzigen PAS-Vorsitzenden Igor Grosu kaum etwas gehört zu haben. Dabei soll gerade er der nächste Ministerpräsident der Republik werden.
Wie kam es zu den vorgezogenen Parlamentswahlen?
Bei den Parlamentswahlen 2019 zog die von Maia Sandu gegründete PAS erstmalig zusammen mit dem Allianzpartner PPDA als Oppositionspartei mit 26 Sitzen ins Parlament ein. Die Wahlen wurden von den Sozialisten des damalig noch amtierenden Präsidenten Igor Dodon gewonnen. Dieser wurde Ende 2016 in einer Stichwahl gegen Maia Sandu zum Präsidenten gewählt. Die Sozialisten erhielten damals 35 Mandate der insgesamt 101 Sitze des Einkammerparlaments. Mit 30 Mandaten folgte die Demokratische Partei (PDM) des Oligarchen und politischen Strippenziehers Vladimir Plahotniuc, der nicht nur seine Partei, sondern auch Justiz, Innenministerium und sogar teilweise den Präsidenten kontrollierte. Im Juni 2018 bewirkte Plahotniuc trotz internationaler Proteste über Handlanger aus der Justiz, die Annullierung der Kommunalwahlen in Chisinau, um einen sozialistischen Bürgermeisterkandidaten ins Amt zu hieven. Gewinner der annullierten Oberbürgermeisterwahl war der Oppositionskandidat der proeuropäischen Allianz und PPDA-Vorsitzender Andrei Nastase. Im Sommer 2020 verließ Vladimir Plahotniuc in Folge internationalen Drucks fluchtartig das Land, was die Regierung zu Fall brachte. Die politische Krise führte zur Bildung einer kurzlebigen Großen Koalition zwischen den Proeuropäern und den Sozialisten mit Maia Sandu als Ministerpräsidentin an der Spitze. Präsident Dodon versuchte indes das vom Oligarchen hinterlassene Machtvakuum zu besetzen und wollte nicht nur die Medien sondern auch die Justiz unter seine politische Kontrolle bringen. Dies führte wiederum zum Scheitern der Sandu-Regierung und der erneuten Machtübernahme durch die Sozialisten. Im November 2020 gewinnt Maia Sandu in der Stichwahl gegen Dodon eindeutig die Präsidentschaftswahlen mit 58 Prozent der Stimmen und setzt sich vorgezogene Parlamentswahlen zum Ziel, da die Zusammensetzung des Parlaments den Willen des Volkes nicht mehr widerspiegele. In Folge des Rücktrittes des amtierenden Ministerpräsidenten im Dezember und mehreren Verzögerungstaktiken seitens der Präsidentin, konnte der Posten nicht mehr in dem von der Verfassung festgelegten Zeitraum besetzt werden. Folglich löste Maia Sandu Ende April das Parlament auf und setzt die vorgezogenen Wahlen für den 11. Juli fest. Diese Amtshandlung wurde auch vom Verfassungsgericht bestätigt.
Raimar Wagner ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für Rumänien und die Republik Moldau mit Sitz in Bukarest.