China
Wettbewerb der Systeme – Chinas Rolle in Afrika und warum Europa jetzt reagieren muss
Zu Ehren der afrikanischen Gäste fährt China das ganz große Besteck auf. Präsident Xi Jinping persönlich eröffnet das neunte China-Afrika-Kooperationsforums in Peking am 5. September mit einer feierlichen Zeremonie. Damit nicht genug; am Abend lädt er die afrikanischen Gäste zu einem Bankett. Afrika hat für uns Priorität, das sollen diese Gesten vermitteln.
Offensichtlich spürt die Führung in Peking die Notwendigkeit, die afrikanischen Partner zu umgarnen. Nach Jahren der Expansion in Afrika steht das chinesische Engagement aktuell an einem kritischen Punkt. Viele Volkswirtschaften in Afrika kämpfen noch immer mit den Folgen der Covid-19-Pandemie, und in immer mehr Ländern wächst der Unmut über hohe Preise und fehlende Jobs. Eine wesentliche Ursache für die Krise sehen Viele in den hohen Schulden, die die afrikanischen Staaten in den vergangenen Jahren aufgehäuft haben – vielfach für große Infrastrukturprojekte ausgeführt und finanziert von chinesischen Unternehmen und Banken. Gerade weil die Verträge mit Peking nicht transparent sind, kursieren unbestätigte Informationen über hohe Zinsen und einseitige Konditionen zugunsten Chinas. Die Melange aus china-kritischen Fakten und Emotionen bedroht die Erfolge Pekings in Afrika aus den vergangenen zwanzig Jahren.
Spätestens seit Anfang 2000er Jahre hat sich China als bedeutender Partner und Investor in Afrika positioniert. Bei Infrastrukturprojekten und dem Abbau und Handel von Rohstoffen hat China in diese Zeit Europa als wichtigsten Partner auf dem Kontinent verdrängt. Europa hat diese Entwicklung lange nicht zur Kenntnis genommen, und bis heute gibt es keine abgestimmte europäische Handels-, Investitions- und Entwicklungspolitik, die auf den chinesischen Siegeszug in Afrika angemessen reagiert.
Wie erfolgreich China in Afrika agiert, zeigt eindrucksvoll die Darstellung der wichtigsten Importländer für afrikanische Staaten.
Um den Erfolg Chinas in Afrika besser zu verstehen, hatte der Global Partnership Hub der Friedrich-Naumann-Stiftung in Nairobi mehr als 1.600 afrikanische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen befragt. Die Ergebnisse der vom kenianischen Think Tank IREN (Inter Region Economic Network) durchgeführten Online-Befragung sind in der Studie „The Clash of Systems – African Perception of the European Union and China Engagement“ zusammengefasst.
Demnach ist der chinesische Erfolg in Afrika vor allem durch vier strategische Vorteile der Chinesen zu erklären: China ist schneller bei Entscheidungen, schneller in der Umsetzung von Projekten, es mischt sich weniger ein in die inneren Angelegenheiten der afrikanischen Partner und es hat weniger Skrupel vor Korruption.
Dagegen fallen die Kriterien, bei denen die Europäer besser abschneiden, offensichtlich weniger ins Gewicht: Etwa die Qualität europäischer Produkte und Leistungen, Transparenz in den Verträgen, die Schaffung von Arbeitsplätzen für Afrikaner oder gute Arbeitsbedingungen und hohe Umweltstandards.
Jetzt, wo manche Afrikaner die Rolle Chinas auf ihrem Kontinent kritisch hinterfragen, wäre die Chance, aus diesen Erkenntnissen zu lernen. Europa muss schneller werden bei der Entscheidung über Projekte und bei ihrer Umsetzung. Das ist nicht einfach bei 27 EU-Mitgliedsstaaten. Um gegen die zentral gesteuerten Staatsunternehmen aus China bestehen zu können, braucht Europa große Einheiten – Unternehmen und Banken – mit schlanken Strukturen und kurzen Entscheidungswegen. Das ist eine Herausforderung für die Industriepolitik.
Ernst nehmen müssen wir auch den Eindruck vieler Afrikaner, dass sich Europa zu sehr in ihre inneren Angelegenheiten einmischt. Dahinter verbirgt sich mehr als die immer noch vorhandene Skepsis gegenüber den ehemaligen Kolonialmächten. Das Gefühl von Europa bevormundet und auf unangemessene Weise belehrt zu werden, ist nicht zuletzt ein Effekt von dem, was bei uns wertebasierte Außen- und Entwicklungspolitik genannt wird. So richtig es ist, soziale Belange, Umweltaspekte oder die Gleichberechtigung von Frauen in Projekten angemessen zu berücksichtigen, so sensibel sollten wir sein, wie wir diese Themen in Afrika ansprechen. „Wenn man mit den Chinesen spricht, bekommt man eine Straße, wenn man mit den Europäern spricht, bekommt man eine Belehrung“, ist eine in Afrika weit verbreitete Wahrnehmung, die den chinesischen Wettbewerbern in die Hände spielt. Wenn Europa als Kooperationspartner nicht zum Zuge kommt, weil wir unsere Werte zu demonstrativ vor uns hertragen, schaden wir nicht nur uns selbst, sondern vergeben auch die Chance, etwas im Sinne dieser Werte zu bewegen.
Aktuell hat Europa die Chance, verlorenen Boden in Afrika gutzumachen. Um sie zu nutzen, brauchen wir eine europäische Afrika-Strategie, die schnelle Ergebnisse ermöglicht und sensibel ist für die Perspektive der Partner. Feierliche Zeremonien und Staatsbankette werden nicht ausreichen.
Dieser Artikel erschien erstmals am 4. September 2024 im Tagesspiegel.