Internationales Wirtschaftsforum
25 Jahre Internationales Wirtschaftsforum St. Petersburg –kein Grund zum Feiern
Vom 15. bis 18. Juni 2022 findet auch in diesem Jahr das traditionelle St. Petersburger Internationale Wirtschaftsforum (SPIEF) statt, das einstmals als „Russische Davos“ galt. Im Jahr 1997 aus der Taufe gehoben, als Russland erste demokratische und marktwirtschaftliche Reformschritte eingeleitet hatte, sich der Welt öffnete und seit 2006 unter der Schirmherrschaft des russischen Präsidenten stehend, war es über viele Jahre ein wichtiger Treffpunkt für führende Politiker und Wirtschaftslenker aus Ost und West. Diese Strahl- und Anziehungskraft hat es seit Langem verloren, spätestens seit der Annexion der Krim und des durch Russland verursachten Krieges im Donbass.
Das diesjährige SPIEF sollte eigentlich sein 25-jähriges Jubiläum begehen, aber Grund zum Feiern gibt es nicht. Das Motto “Eine neue Welt – neue Möglichkeiten“ umschreibt die von beispiellosen Finanz- und Wirtschaftssanktionen geprägte Realität, in der sich Russland befindet und mit deren einschneidenden Auswirkungen auf die wirtschaftliche und soziale Lage es umgehen muss. Das wird auf dem Forum in vier Themenbereichen – russische und globale Wirtschaft, soziale und technologische Aspekte - behandelt.
Russland erhofft sich wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung
Anstelle westlicher Investoren und Spitzenpolitiker werden Delegationen aus 40 Ländern vertreten sein, die Russland politisch verbunden sind, aber zum Teil selbst unter Wirtschaftssanktionen stehen oder von denen sich Russland wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung erhofft. So treten zur Eröffnung die Präsidenten der verbündeten Länder Kasachstan, Tokayev, und Armenien, Sarkissyan, auf und der Präsident des diesjährigen Partnerlandes Ägypten, al-Sisi, ist nur per Video zugeschaltet. Aus dem früheren Schauplatz für milliardenschwere internationale Investitionsofferten in die russische Wirtschaft ist ein Abwehr- und Überlebensforum für die russische Wirtschaft und ihre internationalen Wirtschaftsbeziehungen geworden.
Symptomatisch dafür sind die verschiedenen Panels zu Finanzfragen und Sanktionen im Finanzsystem, auf denen z. B. Vertreter aus Iran, Venezuela, der Türkei, Kuba und Ägypten auftreten werden, deren Länder teilweise selbst sanktioniert sind oder Erfahrung im Umgang damit haben. Andere Podien werden sich mit den wirtschaftlichen Perspektiven Russlands unter den neuen wirtschaftlichen Herausforderungen, der Mobilisierung der eigenen Wirtschaft durch Importsubstitution und Möglichkeiten zur Erschließung neuer Märkte und Finanzierungsmöglichkeiten beschäftigen.
Neue politische und wirtschaftliche Realität
International ist die russische Suche nach Ausbau der Zusammenarbeit sowie neuen Partnern und Märkten am stärksten nach Asien und dem Nahen Osten ausgerichtet, aber die Panels „Russland- Afrika“, „Russland-Lateinamerika“ zeugen davon, dass man sich auch weitere Regionen stärker als bislang erschließen muss. Unter den Dutzenden Diskussionsrunden des Forums ist nur eine einzige den wirtschaftlichen Beziehungen mit den westlichen Industriestaaten gewidmet, in dem sich Vertreter der in Russland akkreditierten American Chamber of Commerce sowie der Handelskammern von Italien und Frankreich äußern werden. Die deutsche Wirtschaft, traditionell seit 1997 durch den Ostausschuss der deutschen Wirtschaft und seine Mitgliedsunternehmen sowie hochrangige Wirtschaftskapitäne auf dem SPIEF vertreten, wird in diesem Jahr erstmalig nicht präsent sein.
In einer von M. Simonyan, Chefredakteurin von RT, moderierten Plenumssitzung am 17. Juni 2022 wird Präsident Putin teilnehmen, auf der er mit einer wichtigen Rede angekündigt ist. In dieser will er sich insbesondere den globalen Auswirkungen der Sanktionen auf die internationalen Energiemärkte und –preise sowie weiteren wirtschaftspolitischen Themen widmen. Erstmalig wird es kein Treffen von Präsident Putin mit den am Forum teilnehmenden Spitzenvertretern der russischen und internationalen Wirtschaft und Politik geben, sondern lediglich einen Pressetermin des Präsidenten. Auch das spiegelt die neue politische und wirtschaftliche Realität wieder, in der sich Russland nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine wiedergefunden hat.