LGBTQI+
Queere Menschen in Südasien leben mit Licht und Schatten
Die Erleichterung über einen besseren Schutz ihrer Rechte hat für Pakistans Transgender nicht lange gehalten. "Wir haben erst die progressive Gesetzgebung bejubelt, jetzt müssen wir fürchten, dass sich die Bemühungen als vergeblich herausstellen", warnte die aus Lahore stammende Transaktivistin Jannat Ali bei der "Born with Pride"-Konferenz der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu.
Hintergrund ihrer Sorgen sind die jüngsten massiven Attacken islamistischer Politiker in ihrer Heimat gegen ein 2018 verabschiedetes Transgender-Gesetz, das unter anderem die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität von Transpersonen regelt. "Es läuft eine Schmutzkampagne gegen das Gesetz", kritisierte Ali. Die Rechte von Transmenschen seien in ihrer Heimat wieder in Gefahr. "Wir befinden uns gerade an einer entscheidenden Weichenstellung, bei dir wir auf die Unterstützung unserer Verbündeten in der Region angewiesen sind."
Möglichkeiten zur Vernetzung und die Diskussion über den Umgang mit den Herausforderungen für die LGBTQIA+-Gemeinschaft in Südasien standen im Zentrum der zweitägigen FNF-Konferenz, die in Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft in Kathmandu, der Samriddhi Foundation und der Deutsch-Nepalischen Gesellschaft veranstaltet wurde. Aktivisten, Forscherinnen sowie Medienpersönlichkeiten und Politikerinnen sprachen über Diskriminierungserfahrungen sowie Fortschritte im Einsatz für die Gleichberechtigung queerer Personen in der Region.
Alka Khanal von der Deutsch-Nepalischen Gesellschaft würdigte die Bedeutung der Konferenz für das Eintreten für die Rechte von Queers. Sie sagte: "Ich schätze den Beitrag Ihrer Stiftung [FNF], um ein Umdenken in der Gesellschaft zu bewirken". Sie betonte auch, dass die Deutsch-Nepalischen Gesellschaft mit ihren über 800 Mitgliedern eine solide Säule für die deutsch-nepalesische Freundschaft und Zusammenarbeit sein könne und das Potenzial habe, ein Netzwerk für Diplomatie, humanitäre Hilfe und Beratungsaktivitäten zu sein.
Mit Nepal fand das Treffen in einem Land statt, dessen Queerpolitik in der Region als vergleichsweise fortschrittlich gilt. Das Verfassungsgericht des Himalajastaats beendete 2007 die Kriminalisierung von Homosexualität und schrieb der Regierung vor, die Rechte queerer Menschen zu schützen. Seit 2015 enthält die Verfassung mehrere Bestimmungen zum Schutz von sexuellen Minderheiten. "Im Vergleich zu anderen Ländern in Südasien setzt sich Nepal besonders stark für die Rechte von LGBTQ-Personen ein", sagte Ram Kumari Jhakri, eine Abgeordnete im nepalesischen Parlament und frühere Ministerin für Stadtentwicklung. "Es muss aber nach wie vor jeder Einzelne einen Beitrag dazu leisten, die Rechte und den Respekt für die verschiedenen sexuellen Identitäten der queeren Gemeinschaft zu gewährleisten", sagte sie.
Fortschritte beim Schutz sexueller Minderheiten gab es in den vergangenen Jahren aber nicht nur in Nepal: Indiens Höchstgericht legalisierte 2018 einvernehmlichen, gleichgeschlechtlichen Sex. Bhutan betrachtet homosexuelle Handlungen seit vergangenem Jahr nicht mehr als Straftatbestand. Und Pakistans Gesetz zum Schutz der Transgender-Rechte wurde zu einem regionalen Vorbild.
Die jüngsten Attacken gegen das Gesetz zeigen aus Sicht von Aktivisten jedoch, dass Errungenschaften kontinuierlich verteidigt werden müssen. "Leider nutzen die religiösen Parteien Falschinformationen, um Hass und physische Bedrohung gegen die Transgender-Gemeinschaft zu schüren", sagte Aisha Mughal, eine der bekanntesten Expertinnen für Transgenderrechte in Pakistan, die in der Vergangenheit unter anderem das pakistanische Ministerium für Menschenrechte beraten hat. "Politische Parteien und die Zivilgesellschaft sind durch die bedauerliche Entwicklung leider skeptisch geworden, was die Unterstützung der Transgender-Gemeinschaft angeht."
Auch in Indien gibt es nach wie vor erhebliche Probleme. Ein 2019 eingeführtes Gesetz zum Schutz von Trans-Personen wurde ohne ausreichende Konsultation mit den Betroffenen verabschiedet. "Obwohl Indien die größte Demokratie der Welt ist, gab es für die indischen Transgender keine Beteiligungsmöglichkeit", beklagte der Autor und Aktivist Zameer Kamble. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die indischen Regelungen unter anderem für die hohen Anforderungen, die bei der Änderung der Geschlechtsangabe in offiziellen Dokumenten erfüllt werden müssen. "Ich sollte mein Geschlecht und meine Sexualität selbst bestimmen dürfen, ohne dass der Staat oder die Gesellschaft von außen eingreifen", forderte Akkai Padmashali, die sich in der indischen Kongress-Partei für Transgender-Rechte einsetzt.
Padmashali kritisierte auch die Rolle der Medien: Nur wenige Journalistinnen und Journalisten würden die Rechte sexueller Minderheiten zum Thema machen. "Medienschaffende müssen sensibilisiert werden, um über Gender, Sexualität und das breite Spektrum von Problemen zu berichten, mit denen geschlechtsspezifische Minderheiten in ganz Südasien konfrontiert sind." Ähnlich äußerte sich die pakistanische Aktivistin Mughal: "Transgender kommen nur in die Nachrichten, wenn sie protestieren, getötet oder vergewaltigt werden." Sie wünscht sich hingegen ein genaueres Hinsehen der Medien, wenn es um Fragen von Würde und Respekt sowie um soziale und wirtschaftliche Rechte geht.
Mehrere Konferenzteilnehmer wiesen darauf hin, dass Diskriminierung von queeren Menschen in Südasien noch immer weit verbreitet ist. Aritha Wickramasinghe, ein Anwalt, der sich in Sri Lanka im Rahmen der Organisation iProbono um LGBTQIA+-Themen kümmert, verwies darauf, dass Gesetze aus der Kolonialzeit Homosexualität in seiner Heimat immer noch unter Strafe stellen. Auch der Versuch, Geschlechtsidentitäten offiziell anerkennen zu lassen, sei "ein entmutigender Prozess, der mit hohen Kosten verbunden ist".
Besonders prekär ist die Lage in Afghanistan. Basira Paigham, eine afghanische Aktivistin, die als Flüchtling in Irland lebt, berichtete von Angriffen der Taliban gegen LGBTQIA+-Personen. Queere Menschen würden allerdings nicht nur von den seit dem vergangenen Jahr herrschenden Islamisten, sondern auch von ihren Mitmenschen ausgegrenzt. "Beleidigungen und Hass verhindern, dass queere Menschen in dem Land zur Geltung kommen", sagte sie. "Sich selbst zu akzeptieren, ist das Schwierigste – vor allem, wenn die Menschen um einen herum einen nicht akzeptieren."