Georgien
Unruhen in Georgien - Bericht aus Tiflis
In Georgien protestieren derzeit tausende Menschen gegen eine Verschiebung der EU-Beitrittsverhandlungen. Ein aktueller Kurzüberblick über die Ereignisse der letzten Tage von Katrin Bannach, Leiterin des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Tiflis.
Wie ist die Lage vor Ort in Tiflis?
Die Polizeigewalt ist erschreckend. Zu sehen sind Sicherheitskräfte, die Demonstranten jagen und verprügeln, selber mit Steinen schmeißen oder einer zu Boden liegenden Frau einen Tritt ins Gesicht geben. Es wurden über 329 Demonstranten in Haft genommen und über 50 Journalisten verletzt. Der öffentliche Ärger ist groß.
Die Situation erinnert an vor-revolutionäre Zustände, weil sich jetzt auch in der Verwaltung Widerstand regt: Beamte des Aussen-, Verteidigungs-, Bildungsministeriums und Richter unterschrieben Protestbriefe, einige Universitäten und Lehrer/ Schulen legten die Arbeit nieder, immer mehr Botschafter kündigen ihren Dienst. Die pro-europäische Präsidentin kündigte an, im Amt zu bleiben, obwohl ihre Amtszeit am 29.12. enden soll, und stellt damit auch ihren Apparat vor die Entscheidung, wem zu dienen ist.
Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass die Armee in innenpolitische Geschehnisse eingreift, weil sie – auch durch jahrzehntelange Schulungen durch den Westen – sich nicht in einer politischen Rolle sieht.
Die Zahl der Demonstranten schrumpfte eigentlich in den letzten Wochen und auch die Opposition schien ermattet und planlos.
Wie kam es zu den Unruhen und wie geht es weiter?
Am 25.11. tagte das neu gewählte georgische Parlament zum ersten Mal, die neue Regierung wurde ernannt und der Kandidat für das Präsidentschaftsamt bekannt gegeben, der am 14.12. von einer Wahlkammer gewählt, in der der GD die Mehrheit hat, und am 29.12. vereidigt werden soll. Abgeordnete der drei (darunter alle liberalen Parteien) von den vier Oppositionsbündnissen, die es ins Parlament geschafft hatten, legten ihre Mandate niederlegen.
Bei allen neuen Regierungsvertretern handelt es sich um prominente Befürworter des neuen außenpolitischen Kurses des Georgischen Traums. Der zukünftige Präsident ist ein ehemaliger Fußballspieler ohne Berufsabschluss, der für seine verbalen Ausfälle im Parlament u.a. gegenüber den USA bekannt ist. Viele Georgier empfinden seine Nominierung als zutiefst entwürdigend.
Während demokratische Länder die Wahlen bislang noch nicht anerkannt haben und die EU plant, eine technische Mission zur Untersuchung der Vorwürfe der Wahlfälschung zu entsenden, versucht damit der Georgische Traum Realitäten zu schaffen, denen die Opposition bislang wenig entgegen zu setzen hat.
Am 28.11. kündigte der PM an, dass die Regierung in der nächsten Legislaturperiode keine Verhandlungen zum EU-Beitritt aufnehmen will. Dieses Statement brachte das Fass zum Überlaufen und es versammeln sich spontan zehntausende friedlicher Demonstranten, die seitdem gewaltsam auseinandergetrieben werden.
Mittlerweile haben die baltischen Staaten Sanktionen gegen diejenigen Personen verhängt, die für den neuen Richtungskurs verantwortlich sind. Die deutsche Regierung sollte sich daran ein Beispiel nehmen und damit die überwältigende Mehrheit der pro-europäischen Bevölkerung unterstützen.