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Georgien nach der Wahl
Willkommener Beistand von Autokraten

georgische Premierminister Irakli Kobachidse, rechts, und der ungarische Premierminister Viktor Orban während ihres Treffens in Tiflis, Georgien

Der georgische Premierminister Irakli Kobachidse, rechts, und der ungarische Premierminister Viktor Orban während ihres Treffens in Tiflis, Georgien.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Nach den umstrittenen Wahlen in Georgien will der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán der Partei des Oligarchen Bidsina Iwanischwili helfen, an der Macht zu bleiben. Beifall für den angeblichen Wahlsieg gab es zügig auch aus Russland und Aserbaidschan. Die Gesellschaft, in der sich die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum befindet, zeigt, wohin sie das Land weiterführt: in den Club der Autokraten. Wird es den Demokraten gelingen, sich dagegen zur Wehr zu setzen?

Den vom Georgischen Traum (GT) beanspruchten Wahlsieg erkennen Präsidentin und Opposition nicht an. Jetzt steht die Bevölkerung erneut vor der Wahl: protestieren oder hinnehmen, dass der GT den Staat weiter für seine Eigeninteressen aushöhlt und das Land in Richtung Russland manövriert. Nachdem sich die Opposition darauf geeinigt hat, das Ergebnis nicht anzuerkennen, gingen Zehntausende Menschen auf die Straßen. 

Doch die internationalen Netzwerke der Autokraten, die Anne Applebaum in ihrem neuen Buch „Die Achse der Autokraten“ umfassend offenlegt, funktionieren gut: Noch bevor die Wahlkommission Ergebnisse bekannt gab, gratulierte Viktor Orbán dem GT zum Wahlsieg. Er reiste zwei Tage nach der Wahl nach Tiflis, um sich gemeinsam mit dem GT der Öffentlichkeit zu zeigen und den Eindruck von europäischer Anerkennung zu wecken. Als amtierender EU-Ratspräsident bringt er die EU in eine schwierige Lage. Alle anderen EU Organe haben sich deshalb von diesem Besuch distanziert. Und doch sagen Bilder mehr als Tausend Worte und werden in den Köpfen bleiben.

Nach den Wahlen in Georgien: Die Situation könnte eskalieren

Die georgische Präsidentin Salome Surabitschwili (R, Mitte) gibt eine Pressekonferenz im Anschluss an die Parlamentswahlen in Georgien 2024.

Nach den Parlamentswahlen in Georgien hat die Wahlkommission die Regierungspartei „Georgischer Traum“ zur Siegerin erklärt. Die Opposition spricht von Manipulation. Im Interview ordnet Katrin Bannach die Situation ein.

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Pro-russischer Kurs des Georgischen Traums

Orbán’s rechtspopulistische, neo-konservative Politik dient dem GT als Vorbild. Auch die Vermessenheit, mit der er die Bühne der EU für eigene Propagandazwecke nutzt, hat sich der GT zu eigen gemacht. So gaukelte der GT der Bevölkerung auf ihren Wahlplakaten vor, dass ihre Regierungspolitik sie bald zum EU-Mitglied machen werde. In Wirklichkeit hat die Regierung absichtlich gegen den Beitrittsprozess gearbeitet, der in der Folge durch das Inkrafttreten des sog. Agentengesetzes im Juni 2024 von der EU de-facto gestoppt wurde.

Der deutlich pro-russische Kurs des GT – wofür das Agentengesetz nur ein Beispiel ist – hat viele Menschen mobilisiert zur Wahl zu gehen. Die Wahlbeteiligung stieg daher im Vergleich zur letzten Parlamentswahl im Jahr 2020 auf 59% an. Und trotzdem soll der GT mit 54% so viele Prozentpunkte bekommen haben wie noch nie. Das ist wenig glaubwürdig. Auch die neue Abspaltung aus dem Regierungslager, angeführt vom Ex-Premierminister Georgi Gakharia, wird dem GT Stimmen gekostet haben. Die Opposition fragt deshalb zu Recht, woher die zusätzlichen der Stimmen kommen sollen.

Erklären kann man es nur dadurch, dass die Wahl weder fair noch frei war. Beobachter sprechen davon, dass jede vierte Stimme kompromittiert gewesen sein soll und legen lange Listen an Verstößen vor, vor allem aus ländlichen Regionen. Viele von ihnen wurden auch von den Kurzzeitwahlbeobachtern beobachtet, die die Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert hat. 

Wahlfälschungen in großem Maßstab vermutet

Das größte Netzwerk von lokalen Wahlbeobachtern „My Vote“ spricht von “substantiellen Wahlfälschungen in großem Maßstab“. Außerdem gibt es statistische Auswertungen von internationalen Experten, die auf massive Wahlfälschungen hinweisen. Die Wahlbeobachter stehen jetzt vor der schwierigen Aufgabe das Ausmaß der Wahlfälschung zu beweisen. Das wird nicht einfach werden, da es sehr kleinteilige Nachprüfungen erforderlich macht.

Die Präsidentin von Georgien, Salome Surabischwili, geht noch einen Schritt weiter und spricht von „einer russischen Spezialoperation, einer neuen Art von hybrider Kriegsführung, die gegen unser Volk geführt wurde“. Damit spielt sie auf den Verdacht an, dass die elektronische Wählerregistrierung und die Auszählungen technisch manipuliert wurden. Es waren die ersten landesweit elektronisch durchgeführten Wahlen, und ob beispielsweise auf den Geräten tatsächlich die korrekten Wählerlisten hochgeladen waren, konnten die Wahlbeobachter nicht kontrollieren. Die Wahlkommission kontert, dass die Systeme einem Auditing nach internationalen Standards unterliegen. Die Prüfer legen zwar einen Bericht vor, erlauben den Wahlbeobachtern aber nicht, den Prozess mit nachzuverfolgen.

Russische Einflussnahme ist nicht auszuschließen. So wurde just aufgedeckt, dass sich schon vor den letzten Wahlen 2020 russische Hackernetzwerke Zugriff auf zentrale Ministerien und kritische Infrastruktur Georgiens verschafft hatten. Diese Art von Cyberangriffen wird in den letzten Jahren noch weiter zugenommen haben.

Menschen protestieren gegen die Ergebnisse der Parlamentswahlen vom 26. Oktober 2024.

Menschen protestieren gegen die Ergebnisse der Parlamentswahlen vom 26. Oktober 2024.

© picture alliance/dpa/TASS | Alexander Patrin

Opposition unter Druck, Demokratie in Gefahr

Vor diesem Hintergrund fanden Regierungsvertreter aus Ländern wie Polen und dem Baltikum, die schon viele Jahre vor der deutschen „Zeitenwende“ vor Putins Absichten und Charakter warnten, die deutlichsten Worte und riefen zu Neuwahlen auf.  

Der noch amtierende Premierminister sieht sich hingegen im Amt bestätigt. Er bezieht sich auf eine Formulierung der OSZE Wahlbeobachtermission, die auf der Pressekonferenz von „der gewählten Regierung“ sprach. Damit folgt er einem bewährten Handlungsmuster: sich genau das Versatzstück heraussuchen, das den eigenen Interessen des Machterhalts dient. Kritische Stimmen aus der internationalen westlichen Gemeinschaft hingegen tut der GT seit Monaten als ausländische Einflussnahme ab und verunglimpft sie mit Hilfe von Verschwörungstheorien.

Der GT dürfte so weitermachen wollen wie bisher. Er wird vermutlich seine Drohungen wahrmachen: die Opposition verbieten und die kritische Zivilgesellschaft ins Ausland treiben. Dabei hat die Partei auch in der Vergangenheit nicht vor physischer Gewalt, Hetzkampagnen oder politisch motivierten Gerichtsprozessen zurückgeschreckt. Damit bewegt sich Georgien wohl noch deutlicher in den russischen Orbit. Ob das gelingt, hängt davon ab, ob die Georgier es zulassen. Die internationale Gemeinschaft kann sie dabei unterstützen, indem sie den Georgischen Traum nicht als legitime Regierung anerkennt.

 

Katrin Bannach, Leiterin des Friedrich-Naumann-Stiftung Büros im Südkaukasus.