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Moldau und Georgien
Vor der Wahl zwischen Brüssel und Moskau

Deutsche Journalistengruppe im Gespräch über den Wahlausgang mit Vertretern des Chavshavadze Centres for European Studies & Civic Education, eines Partner-Think Tanks der FNF in Georgien

Deutsche Journalistengruppe im Gespräch über den Wahlausgang mit Vertretern des Chavshavadze Centres for European Studies & Civic Education, eines Partner-Think Tanks der FNF in Georgien

© Peter Cichon

Das IJMD organisiert traditionell im Herbst Mediendialogprogramme. Auch 2024 reiste eine Mediendialoggruppe, diesmal von Medienschaffenden aus der Republik Moldau, unmittelbar vor den dort am 20 Okt. erfolgten Präsidentschaftswahlen, inklusive EU-Referendum, nach Berlin. Ende Oktober fuhr wiederum eine Gruppe deutscher Journalisten nach Georgien – dies mit der Option einer Beteiligung an der Wahlbeobachtermission während der Parlamentswahlen, die dort am 26.10.2024 stattfanden.

Moldau und Georgien – zwei Staaten mit einem vergleichbaren historischen Schicksal und mit doch so unterschiedlicher Ausgangslage für den heutigen Tag, wie sich nach Auszählung der Wahlen- bzw. Referendum-Ergebnisse herausstellte. In beiden Staaten gibt es von Russland kontrollierte/okkupierte Gebiete (Transnistrien in Moldau, Südossetien und Abchasien in Georgien) bzw. stark von russischer Propaganda und/oder wirtschaftlicher Einflussnahme/Erpressung traumatisierte Menschen, darunter ethnische Minderheiten (s. bspw. in der Region Gagausien in Moldau). Beide Länder gehörten seit dem 18. Jh. in die Einflusszone und anschließend als Randprovinzen zum Russischen Kaiserreich bzw. später als Sowjetrepubliken zur Sowjetunion – aus Beschützern vor dem Zugriff des Osmanischen Reiches wurden die Russen dort schnell zu tonangebenden Herrschern. Sie zwangen den einheimischen Völkern ihre politischen Systeme, Kultur und Sprache auf, wie fremde Kolonialmächte es stets tun, und sie träumen davon unter Putins Regime offenbar wieder. Dabei gibt es in beiden Ländern seit der griechischen bzw. römischen Antike eine eigene, stolze nationale und kulturelle Tradition und Identität. Diese ist somit viel älter als die russische Staatlichkeit selbst. Auch deshalb ist der Drang der Menschen nach uneingeschränkter Entfaltungsfreiheit in vollständiger Souveränität seit dem Zerfall des Sowjetreiches 1991 in Moldau und in Georgien trotz aller Erpressungen und Risiken scheinbar unerschütterlich stark.

Moldau auf dem Weg in die Freiheit

Aus den Erzählungen der moldauischen Journalisten während Gespräche mit deutschen Fachkollegen, im Bundestag oder beim Treffen mit in Deutschland lebenden Exil-Medienschaffenden geht hervor, dass Putins Eifer, Moldau nicht in Richtung EU ziehen zu lassen, konstant bleibt. Dennoch wehrt das kleine Land mit einer Mehrheit seiner Bevölkerung unbeeindruckt von russischen Geldgeschenken an moskautreue Oligarchen/Politiker und Maia Sandu-Gegner und trotz massiver Desinformation über russische Medien bzw. über die dem Moskauer Patriarchat unterstellte orthodoxe Kirche entschlossen alle Versuche aggressiver russischer Einflussnahme ab. Die Menschen glauben fest, ein Teil Europas zu sein, und wollen von allen Russkij-Mir-Fantastereien des Kremls nichts hören. In Moldau gibt es inzwischen rechtsstaatliche Institutionen und Behörden, die über die Abläufe im Wahlkampf und bei den Wahlen eigenverantwortlich und unabhängig von jedem Einfluss von außen wachen und Manipulation bzw. Fälschung verhindern können. Moldaus Bevölkerung ist am Ende in der Wahlkabine in ihrer Wahlentscheidung absolut frei gewesen, und zwar unabhängig davon, ob innerhalb des Landes oder außerhalb an den Konsulaten gewählt wurde.

Moldauische Journalistengruppe zum Mediendialogprogramm in Berlin Mitte Oktober 2024.

Moldauische Journalistengruppe zum Mediendialogprogramm in Berlin Mitte Oktober 2024.

© Peter Cichon

Wie steht es aber um Medien, Gesellschaft und die demokratische Kultur in Georgien?

Georgiens proeuropäische Bevölkerungsteile haben ein Problem – Kremls abstruse Besessenheit von der Geopolitik, die in Russlands aus der Zeit gefallenen, imperialen Ansprüchen auf s.g. Einflusssphären mündet. Im August 2008 erfolgte innerhalb kürzester Zeit der Einmarsch russischer Truppen aus dem Nordkaukasus in zwei georgischen Provinzen, die bis heute abtrünnig unter Kontrolle Moskaus verbleiben. Micheil Saakaschwilis sehr schneller, für manche Mächtigen in Georgien offenbar zu schneller, Reformkurs gegen Korruption und Vetternwirtschaft, der den Weg in die EU und NATO ebnen sollte, ist damit zum Erliegen gekommen. Russland konnte unbehelligt vom Westen seinen Einfluss weiter ausbauen. Dafür steht seit 2012 der russisch-georgische Oligarch Bidsina Iwanischwili, der bis heute als die graue Eminenz über der Regierungspartei Georgischer Traum wacht, und von vielen Gesprächspartnern der Studienreisegruppe deutscher Journalisten als Agent und Statthalter des Kremls im Land bezeichnet wurde. Vieles spricht dafür, wenn man bedenkt, dass diejenigen Oligarchen, die sich mit ihrem Geld aus Russland absetzen, es im Regelfall entweder in Putins direkten Auftrag tun oder nicht lange am Leben bleiben.

Iwanischwili ging mit seinen in Russland der 90er und 00er Jahre „erbeuteten“ Milliarden im Gepäck nach Georgien zurück und durfte ohne Einwände aus Moskau auf den russischen Pass verzichten, um in die georgische Politikszene einzumarschieren. Er hält den für prowestlichen Reformkurs in Georgien und später auch in der Ukraine mitverantwortlichen, von Putin verhassten Saakaschwili trotz alarmierender Hinweise auf dessen Gesundheitszustand gefangen. Folgerichtig sind alle Gesprächspartner der deutschen Journalistengruppe davon überzeugt, dass er mit seinen Finanzmitteln auch dazu in der Lage sei, jeden Versuch der proeuropäischen Opposition zu torpedieren, sich zu konsolidieren und wieder Wahlen zu gewinnen. Iwanischwili könne ihm gegenüber treue Politiker und Richter in Ämter einsetzen. Er könne einfach im Sinne Moskaus gegen das eigene Volk regieren lassen, in Putins Russland geltende Gesetze in Georgien einführen und vor allem mit dem Angstschüren vor einem Krieg gegen Russland, wie er in der Ukraine erbarmungslos tobt, die Bevölkerung in Schach halten. Denn genau dies ließ der Hauptwahlkampfslogan von Georgischer Traum verlauten – die proeuropäische Opposition würde im Falle ihres Sieges das Land in einen aussichtslosen Krieg gegen Russland stürzen, weil sie ein Befehlsempfänger der Kriegstreiber in den USA und in der EU sei.

Als Wahlbeobachter in der Hauptstadt und auf dem Lande, an der Art der beobachteten Ressourcenverteilung bzw. der medialen Präsenz der politischen Parteien im Wahlkampf und anhand der Schilderungen, die der deutschen Journalistengruppe in den Gesprächen über die administrativen Druckmittel geliefert wurden, begriffen alle Teilnehmenden an der Studienreise schnell, dass Georgien selbst nach einem Wahlsieg der Opposition es ohne massiven Druck aus dem Westen nicht mehr schaffen würde, den Georgischer Traum zum Rückzug zu bewegen. Denn faktisch gibt es dort keine freien und geheimen Wahlen mehr. Die Wahlkommissionen und die Justiz können nicht nach westlichen Standards handeln.

Dafür gibt es aber Armut und die Inszenierung einer Stabilität – ganz nach Putins Manier und in seinem Sinne. Es existieren keine Voraussetzungen mehr für einen fairen politischen Wettbewerb. Freie Medien sind in Georgien inzwischen gänzlich auf Spenden und internationale Unterstützung angewiesen, weil im Land alle Möglichkeiten und Wege einer marktwirtschaftlichen Finanzierung für diese blockiert werden. Das Gleiche geschieht mit existierenden, vom Staat unabhängigen Menschenrechtsschutzinstitutionen.

In diesem Zusammenhang hängt das beschlossene, aus Russland importierte Ausländische-Agenten-Gesetz gegen mit ausländischer Hilfe finanzierte Nichtregierungsorganisationen wie ein Damoklesschwert über allen demokratiefördernden, zivilgesellschaftlichen Aktivitäten.

Oppositionelle Politikvertreter, Think Tanks und Medien, verlangen deswegen einstimmig nach resoluten Reaktionen aus dem Westen, inkl. Sanktionen gegen Iwanischwili und dessen Machtstrukturen.

Kann es ihn und seinen Auftragsgeber im Kreml aber wirklich davon abbringen, das Land immer mehr an Russland zu binden? Vieles deutet darauf hin, bspw. die Wein-Exporte, der russische Tourismusanteil, der versteckte, an der Steuer vorbei geführte und über privat-agierende Schattenmänner organisierte Autoschmuggel westlicher Marken an die Russen entlang der Verwaltungsgrenzen zu den okkupierten Gebieten sowie die staatlich organisierten Wege der Umgehung aller Embargo-Beschlüsse über georgisches Territorium, Aserbaidschan und Kasachstan nach Russland, dass auch über die Freiheit Georgiens schlussendlich auf den Schlachtfeldern der Ukraine entschieden werden wird.

Wahlen am 26.10.24 in georgischer Provinz, von Hand. Für über 10% der Wahllokale reichten die gekauften Wahlmaschinen nicht.

Wahlen am 26.10.24 in georgischer Provinz, von Hand. Für über 10% der Wahllokale reichten die gekauften Wahlmaschinen nicht.

© Peter Cichon

Gemischte EU-Aussichten der beiden Staaten

Der Druck des Kremls gegen alle Freiheitsbestrebungen in dessen ehemaligen Kolonien würde erst dann nachlassen, wenn das jetzige Regime infolge einer Niederlage selbst abtreten und den Weg für Reformen in Russland freimachen müsste, war die einhellige Meinung der Gesprächspartner aus der Gruppe der russischen Exilmedien-Diaspora in Tbilissi, die inzwischen vor dem FSB bzw. der Abschiebung nach Russland nicht mehr sicher ist und voraussichtlich aus Georgien weiter in Richtung Westen auswandern muss.

Als brandgefährlich für alle Demokratisierungsprozesse in der Zukunft dürfte sich allerdings mittelfristig ebenfalls die wachsende Abhängigkeit von Investitionen aus China (Autobahnen, Häfen etc.) erweisen, die für alle durch das Land Reisenden beim Anblick der chinesischen Großbaustellen unübersehbar wird.

Für Republik Moldau ist es trotz aller Einmischungsversuche des Kremls viel einfacher, den EU-Beitrittstraum zu verwirklichen. Das angrenzende EU-Mitglied Rumänien verbindet die Menschen auf natürliche Art und Weise mit dem Westen. Es entkräftet die russische Desinformation durch kulturelle und sprachliche Nähe, erlebte zwischenmenschliche Begegnungen, Wirtschaftsbeziehungen und direkten Austausch. Die Chance auf die Vollendung des EU-Beitrittsprozesses bleibt bestehen, zumindest so lange die Ukraine dazu in der Lage ist, den russischen Truppen jeden direkten Zutritt nach Transnistrien zu verwehren.

Auch Georgien sieht dennoch perspektivisch seine Zukunft klar in der EU und außerhalb der russischen Umklammerung. Die Zielsetzungen innerhalb der sehr aktiven Zivilgesellschaft und der bis dato ungebrochene Wille der jüngeren Generationen, dafür zu kämpfen, sprechen stets für die Fortsetzung des prowestlichen Reformweges. Es bleibt zu hoffen, der Kampfgeist für die Freiheit gerade unter den jungen Menschen schlägt nicht nach den gefälschten Wahlen in solchen Frust um, dass sie ihrem Land den Rücken kehren und auswandern.

Bei Medienanfragen kontaktieren Sie bitte:

Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
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