Rechtsstaatlichkeit
Korea und USA: Vom Präsidentenpalast ins Gefängnis?
International herrscht überwiegend Erleichterung über den Abgang von Donald Trump. Für ihn hingegen beginnt jetzt erst die Zitterpartie: Nach dem Ende seiner Immunität könnte er für etliche Vergehen angeklagt werden. Ein Ex-Präsident hinter Gittern? In Südkorea kein abwegiger Gedanke. Aktuell sitzen zwei ehemalige Amtskollegen hier im Gefängnis.
Die Zusammenarbeit zwischen der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-Hye und dem neu gewählten US-Präsidenten Trump hätte ab 2017 eigentlich eng sein sollen, doch dann kam es dazu nicht mehr. Die Tochter des von 1961 bis 1979 autoritär regierenden Präsidenten Park Chung-hee stand bereits seit 2016 nach Korruptionsvorwürfen unter massivem politischen Druck. Millionen Menschen demonstrierten für ihre Absetzung; erst nach Abschluss eines erfolgreich durchgeführten Amtsenthebungsverfahrens kehrte wieder Ruhe im Land ein. Park blieben danach nur noch knapp drei Wochen in Freiheit: Am 31. März 2017 kam sie in Untersuchungshaft.
Die Vorwürfe gegen sie und die Beweislage waren gleichermaßen erdrückend. Von Großkonzernen sollte sie umgerechnet 45 Millionen Euro an Bestechungsgeldern erhalten beziehungsweise zugesagt bekommen haben. Außerdem soll sie Unternehmen dazu gedrängt haben, umgerechnet 59 Millionen Euro in zwei von ihr und ihrer Vertrauten Choi Soon-sil kontrollierten Stiftungen einzubezahlen. In Gerichtsverfahren wurde sie im April zu 24 Jahren Haft und einer Geldstrafe von umgerechnet 14 Mio. Euro verurteilt. In einem anderen Verfahren erhielt sie eine 8-jährige Haftstrafe, da sie vom Inlandsgeheimdienst NIS hohe Summen angenommen hatte und illegal in die Kandidatenauswahl vor den Parlamentswahlen 2016 eingegriffen hatte.
Einem 2020 gestellten Begnadigungsantrag folgte der Oberste Gerichtshof des Landes nicht. Er bestätigte im Januar 2021 die Rechtmäßigkeit ihrer Verurteilung und bestätigte jetzt ein Strafmaß von 22 Jahren. Ohne Begnadigung bleibt Park noch nach 2030 in Haft.
Eher die Regel als die Ausnahme: Ex-Präsidenten im Gefängnis
Blickt man in der Koreanischen Zeitgeschichte zurück, so ergibt sich ein düsteres Bild: Unter den Präsidentinnen und Präsidenten, die zwischen 1980 und 2017 das Land regierten, landete die große Mehrheit irgendwann im Gefängnis. Fast immer spielte Geld eine Rolle.
Chun Doo-hwan war 1979 durch einen Putsch an die Macht gekommen. Der autoritär regierende Präsident spielte eine wichtige Rolle bei der Niederschlagung des Aufstandes 1980 in Gwangju, der heute allgemein als die Initialzündung für die Demokratie in Südkorea gilt.
Auch er hat sich in großem Umfang bestechen lassen. 1996 wurde Chun zunächst zum Tode verurteilt, doch wurde die Strafe in eine lebenslange Haft umgewandelt, von der er nicht viel absaß, da er bereits 1997 begnadigt wurde. Die Erinnerung an Chun ist heute äußerst zwiespältig, war er es doch auch, der 1988 als erster Präsident Südkoreas friedlich seinen Posten aufgab und damit den Weg zu demokratischen Wahlen freimachte.
Roh Tae-woo war von 1988 bis 1993 Präsident. Für seine Unterstützung des Militärputsches von Chun und seine Rolle im Aufstand von Gwangju und wegen Korruption in größerem Umfang wurde auch er 1996 zunächst zu 22 Jahren Haft verurteilt, doch auch bei ihm wurde das Strafmaß auf 17 Jahre reduziert. 1997 wurde er zusammen mit Chun Doo-hwan begnadigt.
Nicht im Gefängnis landete Roh Mo-hyun, der von 2003 bis 2008 Präsident des Landes war. Ein Amtsenthebungsverfahren während seiner Regentschaft überstand er, doch wurde nach dem Ende seiner Amtszeit gegen Mitglieder seiner Familie wegen Bestechung ermittelt. Roh behauptete zwar, davon nichts gewusst zu haben, doch entzog er sich einer Prozesseröffnung, indem er im Mai 2009 den Freitod wählte.
Rohs Nachfolger im Präsidialamt war von 2008 bis 2013 Lee Myung-bak. 2018 wurde er wegen Unterschlagung und Korruption zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Lee saß von seiner Strafe zunächst allerdings nur fünf Monate ab und wurde dann aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Das Glück der wiedergewonnenen Freiheit währte allerdings nicht lange: Bereits im Oktober 2020 wurde er aufgrund neu hinzu gekommener Bestechungsvorwürfe erneut verurteilt und das ursprüngliche Strafmaß auf 17 Jahre hochgesetzt. Es ist der Preis für die Unterschlagung von umgerechnet etwa 19 Millionen Euro und die Annahme von Bestechungsgeldern in Höhe von 7 Millionen Euro. Ebenso wie seine Nachfolgerin Park Geun-hye sitzt Lee zurzeit noch in Haft.
Begnadigungen und die Verlockung der Selbstbegnadigung
In Südkorea gab es immer wieder Begnadigungen der inhaftierten Präsidenten, was gerne vom Nachfolger als Beitrag zur Erhaltung des gesellschaftlichen Friedens begründet wurde. Rufe nach Begnadigung kommen gleichermaßen aus Politik und Zivilgesellschaft. Sie können einen erheblichen Druck aufbauen. Auch im Falle der zurzeit einsitzenden Park Geun-hye gibt es solcherlei Bestrebungen. Selbst aus Präsident Moon Jae-ins Demokratischer Partei (DP) gibt es mittlerweile Stimmen, die eine Begnadigung der ehemaligen Präsidentin Park fordern.
Donald Trump kann wohl nicht auf Wohlwollen seines Nachfolgers hoffen, so hat er noch in seiner Amtszeit prüfen lassen, ob eine Selbstbegnadigung für ihn in Frage kommt und juristisch Bestand haben könnte. Als er schließlich erkannte, dass so etwas weder für ihn zielführend noch politisch durchsetzbar wäre, da viele der Vorwürfe nicht auf Bundesebene verhandelt werden, verabschiedete er sich von diesen Überlegungen.
Anders als bei den später inhaftierten koreanischen PräsidentInnen, bei denen es fast immer hauptsächlich um Geld ging, fällt Trumps strafrechtsrelevantes Portfolio deutlich breiter aus. So könnten die Veruntreuung von Stiftungsgeldern und etliche Vorwürfe der sexuellen Übergriffe die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Auch Trumps Verhalten vor den Senatswahlen in Georgia und der Vorwurf einer Aufwiegelung eines wütenden Mobs zum Sturm des Kapitols könnte vor Gericht verhandelt werden. Auf jeden Fall hat der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Cyrus Vance, bereits verschiedene Ermittlungen zu Straftaten, die innerhalb seiner Jurisdiktion liegen, aufgenommen. Über mangelnde Beschäftigung wird er sich in nächster Zeit nicht beklagen können.
Doch eine Parallele sticht ins Auge: Der vor 32 Jahren von Südkorea eingeschlagene Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist erfolgreich. Der verurteilten Präsidentin und ihrer Gefolgschaft steht es frei, gegen das als ungerechtfertigt empfundene Urteil Rechtsmittel einzulegen, über deren Gehalt der Oberste Gerichtshof entscheidet. Verurteilung und Strafmaß werden nicht mehr, wie in früheren Zeiten, als Formalien ohne ernsthafte Konsequenzen gesehen.
Die USA haben vier Jahre Trump-Präsidentschaft hinter sich. Nach seiner Immunität könnte auch er nun zu spüren bekommen, dass Gesetze und Gerichte für jeden da sind – auch für (ehemalige) Präsidenten.
Dr. Christian Taaks leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul. Er lebt seit 2018 in Korea.