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Thailand
Thailands Gericht enthebt Premier seines Amtes

Thailands Ministerpräsident Srettha Thavisin

Srettha Thavisin wurde seines Amtes enthoben.

© picture alliance / Sipa USA | SOPA Images

Thailand kommt nicht zur Ruhe: Nur eine Woche, nachdem das Verfassungsgericht die größte Oppositionspartei des Landes auflöste, haben dessen Richter nun auch den Premierminister seines Amtes enthoben. Srettha Thavisin habe gegen ethische Standards verstoßen. Wie geht es nun in dem südostasiatischen Land weiter?

 

Das thailändische Verfassungsgericht hat mit einem Urteil erneut die Politik des Landes erschüttert. Am Mittwochnachmittag verkündeten die Richter, dass Premierminister Srettha Thavisin seinen Posten räumen muss. Mit Sretthas Weggang wird auch sein Kabinett aufgelöst. Der Richterspruch fiel vergleichsweise knapp aus: 5 der 9 Richter befanden ihn für schuldig. Mit der Berufung eines vorbestraften Ministers in sein Kabinett habe er gegen ethische Standards verstoßen und sei damit für das Amt nicht geeignet, so die Richter.

Vanessa Steinmetz, Leiterin des FNF-Büros in Thailand beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Urteil, das viele politische Bobachter im Land überraschte.

FNF: Was ist der Hintergrund des Urteils?
Vanessa Steinmetz:
Srettha hatte bei seiner letzten Kabinettsumbildung im April dieses Jahres auch Pichit Chuenban in sein Regierungsteam geholt. Der 62-Jährige war 2008 wegen Missachtung eines Gerichts im Rahmen eines Bestechungsskandals zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Srettha hatte angegeben, vor der Ernennung Pichits rechtliche Beratung eingeholt zu haben. Die Richter argumentierten nun, dass Srettha offenbar die kontroverse Vergangenheit seines neuen Ministers bewusst gewesen war. Pichit selbst räumte bereits im Mai seinen Kabinettsposten wieder, noch bevor das Gerichtsverfahren offiziell eröffnet worden war.

Was bedeutet das Urteil für das Land?
Die meisten politischen Beobachter waren davon ausgegangen, dass Srettha in seinem Amt bleiben würde. Nun kam es anders: Knapp ein Jahr nach Sretthas Vereidigung als Premier ist sein Posten wieder vakant. Übergangsweise wird Vizepremier und Handelsminister Phumtham Wechayachai die Rolle des Premierministers übernehmen.

Damit entsteht ein politisches Vakuum, was natürlich auch politische Instabilität bedeutet. Und das in einem Land, das in der Vergangenheit immer wieder durch Putsche und politische Manöver hinter den Kulissen erschüttert wurde. Das Vertrauen vieler Menschen in die demokratischen Prozesse ist nun erneut enttäuscht worden.

Erst in der vorigen Woche hatte das Verfassungsgericht einstimmig die Auflösung des Wahlgewinners von 2023, der „Move Forward Party“, beschlossen. Das Urteil hatte weltweit Kritik ausgelöst; das US-Außenministerium etwa mahnte, die Entscheidung gefährde den demokratischen Fortschritt Thailands.

Jedoch: Erste Zeichen deuten darauf hin, dass die Auflösung der „Move Forward Party“ der Unterstützung aus der Bevölkerung keinen Abbruch tut. So hat die progressive Bewegung in der „People's Party“ bereits eine neue Heimat gefunden. Der neuen Partei traten in den ersten drei Tagen schon mehr als 50.000 neue Mitglieder bei.

Was kennzeichnete die Politik der Srettha-Regierung?
Erst 2023 war Srettha der „Pheu Thai Party“ beigetreten, kurz bevor diese ihn zu ihrem Kandidaten für das Amt des Premierministers kürte. Immobilienmogul Srettha hatte sich und seiner Regierung vor allem auf die Fahne geschrieben, die Wirtschaft des Landes wieder auf Kurs zu bringen. Die Covid-Jahre hatten vor allem dem wichtigen Tourismus-Sektor des Landes stark zugesetzt. Bis heute hat sich die Wirtschaft nicht wieder erholt. Das Wirtschaftswachstum lag mit 1,9 Prozent in 2023 deutlich hinter dem anderer Länder der Region, wie etwa Vietnam mit 5 Prozent Wirtschaftswachstum. Srettha wollte das mit einer Reihe von Projekten ändern: So wollte er die „Soft Power“ Thailands im Ausland ausbauen, mithilfe einer Landbrücke den Indischen Ozean und den Golf von Thailand verbinden und vor allem sein umstrittenes Wahlversprechen des „Digitalen Portemonnaies“ realisieren. Dabei sollen an 50 Millionen Thais umgerechnet rund 250 Euro digital überwiesen werden. Durch gesteigerten Konsum soll so die Wirtschaft angekurbelt werden.

Wie es nun mit all diesen Projekten weitergeht, ist nicht klar. Die „Pheu Thai Party“ hat zwar bereits bekannt gegeben, dass sie sich weiterhin für das 250-Euro-Geschenk einsetzen will. Ein neuer Premier mit neuem Kabinett könnte jedoch einige der Vorhaben wieder kassieren.

Wer könnte auf Srettha folgen?
Bereits am Freitag soll ein neuer Premierminister oder eine neue Premierministerin gewählt werden. Der oder die Kandidatin benötigt eine Mehrheit der Stimmen der derzeit 493 Abgeordneten des thailändischen Parlaments. Allerdings kommt nur in Frage, wer von der Wahlkommission bereits zur Parlamentswahl im vergangenen Jahr als Kandidat oder Kandidatin für das Amt des Premierministers zugelassen worden war – im Fall von Sretthas „Pheu Thai Party“ sind das Paetongtarn Shinawatra, die Tochter des immer noch sehr einflussreichen Ex-Premierministers Thaksin Shinawatra, und Chaikasem Nitisiri, der als gesundheitlich angeschlagen gilt. Voraussetzung ist außerdem, dass die Partei mehr als 25 Sitze im Parlament innehaben muss. Insgesamt wurden sieben Anwärter aufgestellt. Würde Paetongtarn tatsächlich zur Premierministerin gewählt, wäre sie schon die dritte aus der Shinawatra-Familie, die diesen Posten innehat.

 

Vanessa Steinmetz leitet die FNF-Büros in Thailand, Myanmar und Vietnam.