Krieg in Europa
Lawrow in Ankara – kein Durchbruch zum Getreidekorridor
In Ankara ist das dritte russisch-türkische Außenministertreffen seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu Ende gegangen. Eins der Themen war die Verschiffung von ukrainischem Getreide, die derzeit durch den Krieg blockiert ist. Einen sichtbaren Fortschritt brachten die Gespräche jedoch nicht. Beide Kriegsparteien haben im Gebiet vor Odessa Seeminen ausgebracht, die ukrainische Marine will damit Landeoperationen russischer Kriegsschiffe verhindern. In der Pressekonferenz nach dem Treffen erklärte der russische Außenminister Lawrow, Russland würde die Schiffe mit dem Getreide jederzeit durchfahren lassen. Die Türkei habe sich bereit erklärt, die Transporte zu begleiten. Der Grund, warum das Getreide noch im Hafen liege, sei die Weigerung des ukrainischen Präsidenten Selenskij, die Seeminen zu entfernen. Damit lastete er die Schuld an den gestoppten Getreidelieferungen allein der Ukraine an.
Der türkische Außenminister Çavuşoğlu bekräftigte die Bereitschaft der Türkei, die Verhandlungen für einen Getreidekorridor zu unterstützen. Während Lawrow die Wichtigkeit des Themas herunterspielte, benannte Çavuşoğlu es deutlich als Nahrungsmittelkrise. Lawrows Einlassungen zur Ukraine erschöpften sich im Weiteren in der gewohnten Kriegspropaganda – vom Ziel, die Ukraine zu entnazifizieren, bis zum Bemühen, Zivilisten zu schonen, und der Behauptung, man halte beständig humanitäre Korridore offen.
Ein weiteres Thema des Treffens war die von der Türkei angekündigte Militäraktion in Syrien. Çavuşoğlu unterstrich die türkische Position, wonach von bewaffneten Gruppen in Syrien eine Bedrohung sowohl für die territoriale Integrität Syriens als auch für die türkische Grenze ausgehe. „Einige Länder“ unterstützten diese Gruppen, und daher würde die Türkei sich gegen den NATO-Beitritt von Schweden und Finnland aussprechen. Lawrow äußerte Verständnis für die türkische Position und verwies auf das Memorandum, das beide Länder 2019 zur Bekämpfung der terroristischen Bedrohung geschlossen hätten. Er kündigte an, die Zusammenarbeit mit der Türkei auch bei diesem Thema fortzusetzen – im Juli will man sich zu dem Thema in der kasachischen Hauptstadt Nursultan treffen.
Gegenstand der Gespräche war auch die wirtschaftliche Kooperation zwischen Russland und der Türkei. Lawrow betonte das Potential, das im Handel unter Nutzung der beiden Landeswährungen liege. Russland ist durch die westlichen Sanktionen weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Ebenso kamen die Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan, die Entwicklungen in Libyen und der Nahostkonflikt zur Sprache.
Die Türkei hatte sich in den vergangenen Monaten immer wieder um eine aktive Vermittlerposition zwischen Russland und der Ukraine bemüht – nicht nur im hochrangigen Dialog mit beiden Seiten, sondern auch hinter den Kulissen etwa zum Gefangenenaustausch oder zuletzt zur Eröffnung und Absicherung eines Getreidekorridors. Wenige Tage vor dem Außenministertreffen hatte der ukrainische Botschafter in Ankara Moskau beschuldigt, Getreide aus den besetzten ukrainischen Gebieten gestohlen und als eigenes Getreide auf den Weltmarkt verkauft zu haben – unter anderem in die Türkei. Die Türkei hatte daraufhin zugesagt, die Ukraine bei den Ermittlungen zu unterstützen.
Noch mehr zu dem Thema und einen weiteren Kommentar von Beate Apelt finden Sie im Artikel der Deutschen Welle.