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31 JAHRE MAUERFALL
Von der Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie

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Der Mauerfall jährt sich zum 31. Mal. Gefeiert wird die wiedergewonnene Selbstbestimmung der deutschen Bürger sowie die liberale Demokratie. Unser Experte hat die Ereignisse aus dem Jahr 1989 nochmals detailliert zusammengefasst.

Der "Eiserne Vorhang" wird löchrig

Noch im Sommer 1989 schien die Hoffnung auf Liberalisierung und frischen Wind in der DDR vergeblich. Das hatte sich bereits zwei Jahre zuvor angedeutet: Der DDR-Chefideologe Kurt Hager etwa wies 1987 jede Notwendigkeit zur Veränderung zurück – nur weil der Nachbar neu tapeziere, so Hager über Gorbatschow, müsse man seine eigene Wohnung nicht auch renovieren. Und im November 1988 wurde die Auslieferung der reformorientierten sowjetischen Zeitschrift „Sputnik“ in der DDR untersagt.
Immer mehr Menschen versuchten dieser Perspektivlosigkeit zu entkommen, wollten ausreisen oder flüchteten in die Vertretungen der Bundesrepublik in Prag, Warschau, Budapest und Berlin. Im August 1989 nutzten Hunderte DDR-Bürger die kurzzeitige Grenzöffnung beim „Paneuropäischen Picknick“ im ungarischen Sopron zur Flucht nach Österreich – die größte Fluchtbewegung aus der DDR seit dem Bau der Mauer. Und der „Eiserne Vorhang“ wurde noch löchriger, als Ungarn einen Monat später die Grenze dauerhaft öffnete. Bald säumten zahllose zurückgelassene Trabis den Weg zur Grenze.
Bewegende Szenen in der Prager Botschaft: Als Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) am Abend des 30. September 1989 vom Balkon der Prager Botschaft den über 5.000 dort teils wochenlang ausharrenden DDR-Flüchtlingen die Ausreise verkündete, war der Jubel grenzenlos. In den nächsten Tagen passierten die Züge mit den Botschaftsflüchtlingen auf ihrer Fahrt in den WestenDresden und Plauen – und nur mit Mühe konnte die Staatsmacht die Menschen an den weiträumig abgesperrten Bahnhöfen am Aufspringenauf die Züge hindern.Die Sehnsucht nach Freiheit hatte die Menschen im wahrsten Sinn des Wortes bewegt: „Die Flüchtlinge haben ihr Schicksal in die eigenen Händegenommen und  damit Geschichte geschrieben. Sie haben das Tor zur
Freiheit nicht nur für sich selbst geöffnet. Der Druck auf die Mauer war unumkehrbar geworden“, so Hans-Dietrich Genscher über die dramatischenGeschehnisse 1989.
Flucht und Ausreise hatten die DDR von Anfang bis Ende wesentlichgeprägt. Mit dem Aufbau des Sozialismus seit Ende der 1940er Jahresetzte ein Exodus vor allem junger sowie gut ausgebildeter Menschen ein,der sich nach der gewaltsamen Unterdrückung der Opposition und derVolkserhebung am 17. Juni 1953 noch verstärkte. Erst der Mauerbau 1961 stoppte den Strom, gewaltsam. Fortan blieben nur die Flucht bei Lebensgefahroder der Ausreiseantrag, der Schikanen und Repression nichtnur für einen selbst, sondern auch für die Familie nach sich zog. Auchkurzzeitige Lockerungen änderten nichts, wie etwa 1984, als die DDR das
Loyalitätsproblem mit der Bewilligung der vorliegenden Ausreiseanträgelösen wollte und 40.000 Bürger übersiedelten. Kurz danach lagen bereitswieder mehr als 50.000 neue Anträge vor.Vom Sommer 1989 bis zur Währungsunion Anfang Juli 1990 nutzten über
340.000 Menschen die neuen Möglichkeiten und verließen die DDR. Den ausreisewilligen Bürgern werde er „keine Träne nachweinen“, kommentierteErich Honecker 1989 öffentlich das Geschehen – und trieb mit dieserVerständnislosigkeit die Dynamik von Ausreise- und Protestbewegung weiter an. 
 

Opposition und Bürgerbewegung im Herbst 1989

Neben denjenigen, die durch Ausreise oder Flucht den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR entkommen wollten, gab es zahlreiche Menschen, die versuchten, die Verhältnisse im Land zu ändern – ob im politischen Widerstand in den Gründungsjahren des Staates, in der Opposition der Intellektuellen oder in der Umwelt- und Friedensbewegung („Schwerter zu Pflugscharen“). Ende der 1980er Jahre planten viele kleine Gruppen häufig vom kirchlichen Umfeld aus ihre Aktionen, z.B. gegen die Verschmutzung der Pleiße („Umkehr zum Leben“) oder für Meinungsfreiheit bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin. Die Plakatierung des Rosa-Luxemburg-Zitats „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ endete mit der Verhaftung und Ausweisung zahlreicher Oppositioneller.
Neue Dynamik gewann die Opposition 1989 vor allem durch die Aufdeckung der Wahlfälschung bei den Kommunalwahlen am 7. Mai. Mit der Manipulation der Wahlergebnisse hatte sich das SED-Regime sichtbar für alle ins Unrecht gesetzt. Der Protest dagegen reichte über die bisherigen Oppositionskreise hinaus und führte schließlich zu den regelmäßigen Montagsdemonstrationen.
„Freie Wahlen statt ‚Zettelfalten‘“, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit – mit solchen Forderungen wuchsen Mut und Mobilisierung; die Friedliche Revolution nahm ihren Anfang. Von Woche zu Woche wurden es mehr Menschen, die an den montäglichen Friedensgebeten mitwirkten und den Protest schließlich auf die Straße trugen. Am 25. September waren es in Leipzig bereits über 5.000 Menschen, in Plauen am 7. Oktober 10.000, und auch an anderen Orten wurde demonstriert. Am 9. Oktober, zwei Tage nach den gewaltsamen Übergriffen der Staatsmacht auf Demonstranten und Unbeteiligte am 40. Jahrestag der DDR in Berlin, war die Angst vor einer „chinesischen Lösung“ durch das Regime groß: Auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ in Peking hatte die chinesische Führung Anfang Juni 1989 den anfangs geduldeten Protest von Studentinnen und Studenten mit Waffengewalt niedergeschlagen und
zahlreiche Demonstrierende getötet. Doch die 70.000 Menschen in Leipzig überwanden ihre Angst und trotzten dem Regime. Der  Erfolg am 9. Oktober wurde zur Zäsur: DieStaatsmacht war zurückgewichen, die Revolution wurde nun von einer breiten Bürgerbewegung getragen und verlief friedlich. Dabei halfen auch westliche Massenmedien – sie machten vor allem die Berliner und Leipziger Proteste öffentlich und verschafften den Forderungender Opposition dadurch Gehör. Auf dem Höhepunkt der Proteste kam es in der ersten Novemberwoche zu über 200 Demonstrationen mit 1,4 Mio. Teilnehmern; allein am 4. November gab es neben der mit 500.000 Menschen größten Kundgebungauf dem Alexanderplatz in Berlin weitere Demonstrationen in 42 Orten. Insgesamtorganisierte die Bürgerbewegung im Revolutionsjahr von August 1989 bis April 1990 über 3.000 „öffentlichkeitswirksame
politische Aktivitäten“ in mehr als 500 Gemeinden und Städten – darunter Demonstrationen, Mahnwachen, Besetzungen oder Warnstreiks. Nicht eingerechnetsind die unzähligen oppositionellen Versammlungen in Kirchenräumenund Wohnungen. Mit dem wachsenden Zulauf änderte sich der Charakter der Montagsdemonstrationen: Die Transparente und Losungen zeigten eine große politische Bandbreite; allgegenwärtig war immer noch der Ruf nach Freiheit, nach freienWahlen, Reise- und Meinungsfreiheit und nach dem Ende der SED-Herrschaft. Zugleich formierten sich offene politische Plattformen, wie Demokratie Jetzt, der Demokratische Aufbruch oder vor allem das Neue Forum, oder als erste neue Partei die SDP (Sozialdemokratische Partei). In einer gemeinsamen Erklärung einigten sich die Gruppen am 4. Oktober auf zentrale Forderungen, wie die Ablösung der führenden Rolle der SED, die Meinungs- und Organisationsfreiheit, Bürgerrechte und Freizügigkeit.

Die gesamte Broschüre zum Mauerfall-Jubiläum steht zum Download bereit.