Gipfel der Frankophonie
Abfuhr für Präsident Macron: Afrikanische Länder wenden sich gegen Frankreichs Omnipräsenz
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat auf das Schloss von Villers-Cotterêts bei Paris geladen. 19 Staatschefs und viele hochrangige Regierungsvertreter nehmen an dem zweitägigen Gipfel der Frankophonie teil, den Frankreich nach 33 Jahren erstmals wieder ausrichtet.
Dieses weltweit einzigartige Netzwerk, das sich über fast alle Kontinente spannt, von Kanada über Vietnam und Libanon bis zur Elfenbeinküste, ist für Frankreich politisch extrem wertvoll.
Entsprechend begann der Gipfel mit einem Gala-Dinner im Élysée-Palast. Aber auch mit einem Missklang, der von der Emanzipierung afrikanischer Länder vom französischen Einfluss zeugt: Der neue Präsident des engen Partners Senegal ist nicht angereist.
Kultur ist Außenpolitik
Französische Kultur war schon immer auch französische Außenpolitik: Über die Sprache und über die strategisch platzierten französischen Kulturinstitute werden die französischen Aushängeschilder von Mode und Chic, von kulinarischen Raffinement, von französischer Theatralik und literarischem Pomp vermittelt.
Unter dem Deckmantel von Sprache und Kultur verbergen sich, so die Kritiker, allerdings auch jahrzehntelang gepflegte Netzwerke, Absprachen und Abhängigkeiten, die Frankreich geschickt ausspielt, wenn es um lokale Einflussnahme, lukrative Verträge oder Sicherheitsgarantien in seinen ehemaligen Kolonien geht.
So hat es auch Präsident Macron in seiner Eröffnungsrede ziemlich unverhohlen zusammengefasst: Die Frankophonie sei „ein Raum des diplomatischen Einflusses, der es uns ermöglicht, die Herausforderungen des Jahrhunderts zu umarmen“.
Überraschend war dennoch, dass Präsident Bassirou Diomaye Faye die Einladung Macrons aufs Schloss nicht angenommen und damit der Frankophonie eine Abfuhr erteilt hat.
Immerhin ist Senegal noch immer einer der engsten Partner Frankreichs in Afrika. Faye schickte stattdessen seine Außenministerin. Über die Gründe wird viel spekuliert.
Szenenwechsel in den Senegal, wo auch Hitze, Staub und Sonne die französischsprachige Prägung des Landes nicht verdecken können. Ein Land, in dem alle Straßenschilder, Amtspapiere, das offizielle Schulprogramm, die Nachrichtensprache, die Gesetze und die Menükarten in den Restaurants auf Französisch sind.
Wer der französischen Amtssprache nicht mächtig ist, hat verloren. Auch der Privatsektor Senegals ist geprägt von französischen Marken und Produkten.
Alle großen Supermarktketten wie Carrefour, Auchan, Décathlon oder Casino sind vertreten; das Mautsystem der Autobahn, die Schnellzüge von Alstom oder die Brückenbauer von Eiffage (Nachkommen des berühmten Eiffelturm-Erbauers) sind präsent. Wer sich in Frankreich auskennt, wird auch im Senegal schnell heimisch.
Und doch stellt man in vielen (west-)afrikanischen Ländern eine zunehmende Ablehnung dieser französischen Omnipräsenz fest. Sicherheitspolitische Einsätze werden gestoppt oder verhindert, französischen Verträgen droht das Aus.
Auch beim Gebrauch der französischen Sprache lässt sich diese Tendenz beobachten: Im Senegal sprechen immer weniger Menschen fließend Französisch. Verstärkt verwenden sie eine stark lokal eingefärbte Mischsprache. Im Fernsehen und in den Medien setzen sich die lokalen Sprachen Wolof, Diola oder Serer durch.
Armut, die Überforderung des Schulsystems, die daraus resultierende Mangelbildung und die religiöse Einflussnahme verstärken die Abkehr vom Französischen. Hinzu kommen die in den Koranschulen vermittelten Arabischkenntnisse. Hier wird zwar nicht alles verstanden, aber gebetsmühlenartig eingepaukt.
Im Parlament muss nicht mehr Französisch gesprochen werden
Das senegalesische Parlament hat seit 2014 die Exklusivität der französischen Sprache in den Parlamentsdebatten abgeschafft und somit vor allem den senegalesischen Frauen, von denen Zweidrittel nicht alphabetisiert sind, mehr Mitsprachemöglichkeit gegeben.
Die Frankophonie ist ein Raum des diplomatischen Einflusses, der es uns ermöglicht, die Herausforderungen des Jahrhunderts zu umarmen.
Die seit März 2024 den Senegal regierende Partei Pastef bedient sich dieser anti-französischen Stimmung, um ihrem souveränistischen Ansatz Nachdruck zu verleihen. Der ehemalige Oppositionsführer und heutige Premier Ousmane Sonko macht keinen Hehl daraus, dass er Macrons Frankreich eine Mitschuld bei den Vergehen und den Korruptionsverstrickungen der senegalesischen Vorgängerregierung gibt.
Und was macht Deutschland?
Eines ist sicher: andere Länder, andere Sprachen, andere Werte werden die Lücke füllen. China und Russland glänzen mit Stipendienprogrammen, mit denen sie tausende AfrikanerInnen Jahr für Jahr an ihre Universitäten locken.
Länder wie die Türkei oder Korea stehen hoch im Kurs bei der ausbildungshungrigen afrikanischen Jugend. Koranschulen und Kulturinstitute schießen auch in den Provinzen weit ab von den Hauptstädten aus dem Boden.
Nur Deutschland ist kaum präsent: In der senegalesischen Hauptstadt Dakar ist die Stelle des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) seit zwei Jahren unbesetzt. Und deutsche Firmen fehlen mangels Risikobereitschaft und Sprachkenntnissen fast gänzlich auf dem schwierigen, aber lohnenden westafrikanischen Markt.
Dieser Artikel erschien erstmals am 5. Oktober 2024 im Tagesspiegel.