Keine Wahl bei der Wahl
Am 11. April 2018 werden im autoritär regierten Aserbaidschan Präsidentschaftswahlen abgehalten. Der Wahltermin, der zunächst auf dem 17. Oktober lag, wurde von Präsident Alijew überraschend vorgezogen. Aserbaidschan-Experte Peter-Andreas Bochmann spricht im Interview mit freiheit.org über das politische Klima im Land, den Wahlkampf und die Auswirkungen des sinkenden Ölpreises auf die Wirtschaft.
Aserbaidschan wird seit Anfang der 1990er Jahre autoritär regiert. Wie schätzen Sie das politische Klima im Vorfeld der Wahlen ein?
Das politische Klima ist unverändert das eines autoritären, ja diktatorischen Staates. Politische Opposition hat kaum eine Chance und wird unterdrückt, freie Medien gibt es nicht. Wenn man die Staatsmedien verfolgt, spürt man den Personenkult – fast alle Meldungen sind auf Lobeshymnen für Präsident Ilham Alijew getrimmt.
Viele derer, die sich dennoch trauen sich kritisch zu äußern, sei es aus einer oppositionellen Partei heraus oder als Journalist, werden bestraft. Entweder durch Gefängnisstrafen oder durch Einschüchterung, auch der Familien. Die Bestrafung erfolgt fast immer auf der Basis von Vorwürfen der Steuerhinterziehung, Hooliganismus, Drogenbesitz, dem Missbrauch von Geldern oder sogar Hochverrat. Außerdem werden Webseiten blockiert, Social Media Konten gehackt und Reiseverbote verhängt, wie das in New York ansässige CPJ (Commitee to Protect Journalists) berichtet. Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt Aserbaidschan auf ihrer Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 162 von 180.
Laut IRFS (Institute for Reporters’ Freedom and Safety) sind 16 Menschen wegen kritischer Äußerungen im Gefängnis, darunter zehn Journalisten, zwei Blogger, ein Schriftsteller, ein Dichter und zwei Graffiti-Aktivisten. Das Institut listet insgesamt 161 Personen auf, die aus politischen Gründen gefangen gehalten werden.
Die Aserbaidschaner kennen nun mittlerweile kaum noch etwas anderes als die Familie Alijew an der Spitze des Staates (seit 1993). Ich habe den Eindruck, dass viele auch abgestumpft sind und glauben, dass es nichts mehr zu ändern gibt. Resignation also.
Gibt es eine aussichtsreiche Opposition im Lande? War der Wahlkampf bislang frei und fair?
Es gibt neben dem 56-jährigen Präsident Alijew, der seine vierte Amtszeit anstrebt, noch acht weitere Kandidaten. Aber von denen hat keiner eine Chance, man muss davon ausgehen, dass dies alles „gesteuerte“ Kandidaten sind. Keiner von denen wird von der politischen außerparlamentarischen Opposition unterstützt. Die wirkliche Opposition wurde von dem vorgezogenen Wahltermin überrascht. Ursprünglich sollte die Wahl im Oktober stattfinden, sie wurde aber von Alijew im Februar auf den 11. April vorverlegt. Keine Chance also für die Opposition, sich zu positionieren oder gar einen Wahlkampf vorzubereiten. Ich weiß, dass es Ideen gab, aus der Opposition heraus einen Kandidaten aufzustellen. Aufgrund der Kurzfristigkeit hat sich die mehr oder weniger vereinigte Opposition dann aber entschieden, die Wahl zu boykottieren.
Aserbaidschan hat in den vergangenen Jahren stark vom hohen Ölpreis profitiert und einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Wirkt sich der sinkende Ölpreis, der in vielen ölexportierenden Ländern zu Problemen führt, auch schon auf das wirtschaftliche und politische Klima in Aserbaidschan aus?
Natürlich wirft der gesunkene Ölpreis auch für Aserbaidschan Probleme auf. Die Regierung versucht dem mit staatlichen Programmen entgegenzusteuern. Bisher scheint das einigermaßen gelungen zu sein, zumindest ist keine dramatische Verschlechterung der Lebensverhältnisse zu beobachten. Dass aber die Lage angespannt ist, kann man am Wertverfall des aserbaidschanischen Manat erkennen, in den letzten drei Jahren hat sich der Wert halbiert.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung für die nächste Amtszeit des Präsidenten ein?
Aus demokratischer und liberaler Sicht: katastrophal. Alijew wird zusammen mit seiner Frau als stellvertretender Präsidentin weitere sieben Jahre regieren und sein „Königreich“ versuchen auszubauen. Das geht natürlich nur mit weiterer Repression und Unterdrückung Andersdenkender. Die Opposition wird es weiterhin extrem schwer haben. Die Angst der Leute und die daraus folgende Lethargie gibt wenig Hoffnung für baldige Veränderung. Keine Freiheit, wie wir sie verstehen.