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China Bulletin
45 Jahre US – Taiwan Beziehungen: Vertrauen unter Chinas Druck

Menschen gehen an einem Plakat vorbei, das die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taipeh, Taiwan, am Dienstag, 2. August 2022, begrüßt.

People walk past a billboard welcoming U.S. House Speaker Nancy Pelosi, in Taipei, Taiwan, Tuesday, Aug 2, 2022.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Chiang Ying-ying

Vor 45 Jahren brach Washington die diplomatischen Beziehungen zu Taipei ab. Dieser Schock veränderte das taiwanische Denken langfristig. Demokratie entwickelte sich auf der Insel und wurde zu einem verbindenden Element der US-Taiwan Beziehungen, die nach dem Kalten Krieg wiederauflebten. Heute sind die Beziehungen eng - auch wegen der aggressiven Politik Pekings.

Am 16. Dezember 1978 wurde Chiang Ching-kuo, Präsident der Republik China (ROC), in Taipei von der Nachricht geweckt, dass die USA ab dem 1. Januar 1979 diplomatische Beziehungen zu Peking aufnehmen und die Beziehungen zu Taiwan abbrechen.

In seinem Tagebuch schrieb Chiang: "Ich leide Höllenqualen. Ich trage täglich viel Verantwortung, aber ich muss die Sache vernünftig angehen und das Volk erst einmal beruhigen". Es war ein harter Schlag für Chiang und die Menschen in Taiwan.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Im Januar 1979 besuchte der damalige chinesische Premier Deng Xiaoping zum ersten Mal die USA. Im Februar desselben Jahres wurde die amerikanische Botschaft in Taipei geschlossen, und zum 1. März das bisherige „Liaison Office“ in Peking zur offiziellen Botschaft erhoben. Die auf Taiwan stationierten amerikanischen Truppen verließen die Insel zu Anfang Mai 1979.

Die Beziehungen zwischen Taipei und Washington wurden nun durch den „Taiwan Relations Act“ geregelt, den der US-Kongress am 13. und 14. März 1979 verabschiedete und der rückwirkend zum 1. Januar in Kraft trat. Dieses Gesetz prägt die Beziehungen zwischen den USA und Taiwan bis heute, garantiert die Sicherheit Taiwans durch die Bereitstellung von Waffen zur Verteidigung.

Replica of the Statue of Liberty in Taipei,

Replica of the Statue of Liberty in Taipei, Taiwan.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Wiktor Dabkowski

Taiwans Waisenmentalität und ihre Wurzeln

Die Taiwanerinnen und Taiwaner reagierten enttäuscht und wütend auf den diplomatischen Bruch. Der plötzliche Abbruch der Beziehungen hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf die kollektive Mentalität Taiwans. Er führte zu einem Gefühl der Isolation und der Verlassenheit. Manche Medienberichte und Analysen bescheinigen Taiwan eine "Waisenmentalität". Diese Mentalität war und ist ein fruchtbarer Boden für Chinas psychologische Kriegsführung. Taiwans Desinformationsforscher haben einen wachsenden „US-Skeptizismus“ identifiziert, der sich mit der Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) deckt und die taiwanesische Wahrnehmung der USA beeinflusst. Eine Umfrage aus dem Jahr 2023 zeigte einen deutlichen Rückgang des Vertrauens in die USA. Nur 34 Prozent der Taiwanerinnen und Taiwaner hielten die USA für vertrauenswürdig - ein Rückgang von mehr als 11 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021. Die Menschen in Taiwan sind immer weniger davon überzeugt, dass die USA ihnen im Falle eines chinesischen Angriffs zu Hilfe eilen werden.

Dieses Bauchgefühl der Taiwanerinnen und Taiwaner wird von den USA in gewisser Weise bestätigt. Zwar bringen viele US-Politiker ihre Unterstützung für Taiwan zum Ausdruck, aber die Mehrheit zieht es vor, eine militärische Konfrontation mit China um jeden Preis zu vermeiden. Das macht die Frage der Unterstützung Taiwans zu einem komplexen Thema.

Die öffentliche Meinung in den USA spiegelt die vorsichtige Haltung der Politiker wider. Laut einer Umfrage vom September 2023 glauben 65% der Amerikanerinnen und Amerikaner, dass enge Beziehungen zwischen den USA und Taiwan "die nationale Sicherheit der USA eher stärken". Sollte China jedoch in Taiwan einmarschieren, würden nur 39% der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger die Entsendung von US-Truppen zur Unterstützung Taiwans unterstützen. Für andere Formen der Hilfe in einem solchen Szenario gibt es dagegen breite Unterstützung: 75% befürworten Sanktionen gegen China und 78% medizinische sowie Nahrungsmittelhilfe für Taiwan.

Aus diesem Grund ist es für Taiwan von entscheidender Bedeutung, seine eigenen militärischen Fähigkeiten zu stärken und mehr öffentliches Vertrauen in seine Verteidigungsstrategie zu gewinnen. Umfragen aus dem Jahr 2023 zeigten, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Vertrauen der Gesellschaft in das Militär und dessen Bereitschaft, die Insel zu verteidigen. 95% derjenigen, die Vertrauen in Taiwans Militär haben, sind bereit zu kämpfen, verglichen mit nur 65% derjenigen, die weniger Vertrauen in Taiwans Militär haben. Der Unterschied von 30% zeigt, wie wichtig Vertrauensbildung ist.

Weiter ungeklärt ist die Frage, wie Taiwan am besten aufgerüstet werden soll. Vielleicht sollte der Fokus nicht mehr ausschließlich auf umfangreichen Finanzhilfen liegen, wie sie die Biden-Administration bislang für den Kauf amerikanischer Militärausrüstung gewährt. Es erscheint ebenso wichtig, Amerika-Skepsis in Taiwan entgegenzuwirken und das Vertrauen der Taiwanerinnen und Taiwaner in ihr Militär zu stärken.

Demokratie: Ein gemeinsames Interesse Taiwans und der USA

Taiwans Weg zur Demokratie seit dem Kalten Krieg war eine wichtige, mit den USA verbindende Entwicklung. Ein kritischer Moment ereignete sich Mitte der 1990er Jahre, als der USA-Besuch des taiwanischen Präsidenten Lee Teng-hui die VR China verärgerte. Chinas anschließende Militärübungen und Raketentests, die vor den taiwanischen Präsidentschaftswahlen stattfanden, sollten die Bevölkerung einschüchtern. Tatsächlich aber verstärkten sie die demokratische Entschlossenheit der Menschen, die es sich nicht nehmen ließen, an der ersten freien Präsidentschaftswahl Taiwans teilzunehmen.

Seit dieser Krise haben die Spannungen zwischen den USA, Taiwan und der VR China nur scheinbar abgenommen. Die Bush-Regierung verfolgte außer der Ein-China-Politik eine Politik der strategischen Ambiguität. Im Jahr 2000 kam es in Taiwan zum ersten Machtwechsel. Chen Shui-bian von der liberalen Demokratischen Fortschrittspartei DPP gewann die Wahl. Er stand für die Unabhängigkeit Taiwans. Deshalb sah US-Präsident Bush in ihm Berichten zufolge einen "Unruhestifter".

Im Jahr 2016 änderte sich die amerikanische Haltung, als der designierte Präsident Donald Trump mit der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen sprach. Dies war die erste direkte Kommunikation zwischen den USA und der taiwanischen Führung seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Unter der Regierung Biden setzt sich die Unterstützung Taiwans fort. Das wurde durch den Besuch der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im Jahr 2022 unterstrichen.

Die heutigen Beziehungen zwischen den USA und Taiwan basieren auf Taiwans Vertrauen in seine militärischen Fähigkeiten und auf der unabdingbaren Unterstützung durch die USA. Beides ist verbunden mit dem gemeinsamen Bekenntnis zu demokratischen Prinzipien.

Was bedeuten die amerikanischen Wahlen 2024 für Taiwan?

China und Taiwan werden während US-Wahlkampfs 2024 wichtige Themen sein. Die Amerikanerinnen und Amerikaner sehen in China einen großen Herausforderer der globalen Führungsrolle der USA. Es gibt parteiübergreifende Bemühungen, den Aufstieg Chinas einzudämmen.

Die Regierung Biden hat sich bemüht, die Spannungen mit China durch bilaterale Treffen zu verringern. Gleichzeitig wird es für die USA immer schwieriger, eine "Ein-China-Politik" zu verfolgen und gleichzeitig für Taiwans Sicherheit zu sorgen. Die mögliche Wahl Trumps könnte die Spannungen zwischen den USA und China eskalieren lassen und zu einer Politik führen, die die militärische US-Unterstützung Taiwans deutlich verstärkt.

Unterstützung für Taiwan und Misstrauen gegenüber China sind Positionen, die in den USA beide Parteien vertreten. Allerdings wird der Wahlausgang 2024 entscheiden, ob die USA versuchen werden, mit China zu koexistieren - oder ob „Falken“ eine aggressivere Außenpolitik bringen, die Spannungen zwischen den USA und China erhöht. In Taiwan wollen die Menschen vor allem eines: in Frieden und Demokratie leben – wie bisher.

Judy Peng ist Kommunikationsreferentin im FNF Büro in Taipei. Sie ist ausgebildete Journalistin.

Adam DuBard ist Senior Program Associate für den World Order and Globalization Hub in Washington, D.C. Ursprünglich stammt er aus South Carolina, hat aber insgesamt zwei Jahre in Deutschland, Jordanien und Italien gelebt und sich dort Kenntnisse in Deutsch, Italienisch und Arabisch angeeignet. Er verfügt über mehr als sechs Jahre Erfahrung in gemeinnützigen Organisationen und hat bereits Texte in Pass Blue, Inkstick und The Hill veröffentlicht. Er ist Absolvent der Johns Hopkins School of Advanced International Studies, wo er einen M.A. in Konfliktmanagement und internationaler Wirtschaft erwarb, und hat außerdem einen B.A. in Politikwissenschaft und Deutsch von der University of South Carolina.