Internationale Politik
Blitzaktion: Präsidentin Maia Sandu tauscht Ministerpräsidentin aus
Ganz überraschend kam die Aktion dann wohl nicht, zumal die Spannungen zwischen den beiden Powerfrauen schon seit Oktober in die Öffentlichkeit gedrungen waren. Über Spekulationen von Lagern mit unterschiedlichen Interessen in der von Präsident Maia Sandu gegründeten Regierungspartei PAS berichtete auch der Radiosender Freies Europa. Laut anderen Medien soll sich Gavriliță schon vor einiger Zeit einer Umstrukturierung der Regierung entgegengestemmt haben, als Maia Sandu das Kabinett, seinerzeit zur Abendstunde, zu geheimen Gesprächen eingeladen hatte. Unter anderem soll es auch um den umstrittenen Energieminister Andrei Spânu gegangen sein, dessen fragwürdige Entscheidungen z.B. beim Gasimport aus Russland oder den Kauf von Strom aus Transnistrien nicht nur beim Präsidialamt, sondern auch bei den internationalen Partnern Irritation ausgelöst hatten. Wurde Spânu vor Monaten noch als Kandidat für das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Chișinău gehandelt, so ist dies jetzt nicht mehr der Fall. Auch Justizminister Sergiu Litivnenco war unter Beschuss geraten, nachdem der Inhalt eines Chat-Gesprächs veröffentlicht wurde, in dem er ohne Rechtsgrundlage Einfluss ausüben wollte. Man spekuliert auch, dass die genannten Minister das Kabinett nicht verlassen wollten, was zum Sturz der gesamten Regierung geführt hat.
Ein schweres und dann doch erfolgreiches Mandat
Gavriliță sagte selbst sichtbar gerührt bei ihrem Abschied: „Ich verlasse die Regierung mit ruhigem Gewissen“. Tatsächlich hatte sie seit Übernahme im August 2021 ein schweres Mandat zu meistern, welches unter Corona begonnen hatte, gefolgt von einem gezielten Energiekrieg Russlands gegen das Land. Dies führte wiederum zu einer siebenfachen Verteuerung der Energiepreise und eine daran anschließende Jahresinflation von 30 Prozent.
Auch die Sicherheit des Landes ist weiterhin bedroht. Erst kürzlich hatte der russische Außenminister Lawrow dem Land sogar unverhohlen „mit demselben Schicksal wie dem der Ukraine“ gedroht. Namentlich nannte er Maia Sandu als Schuldige, welche die Moldau in die NATO führen wolle. Am Donnerstag darauf berichtete Präsident Selenskyj im Europaparlament, dass der ukrainische Geheimdienst SBU Pläne Russlands zur Destabilisierung der Republik Moldau abgefangen und den Moldauern übergeben habe. Der moldauische Geheimdienst hat inzwischen diese Information bestätigt.
Zudem musste die Regierung einen enormen Zustrom von Flüchtlingen bewältigen, weshalb das Land am Rande einer humanitären Katastrophe stand, gemessen an der Bevölkerungszahl von knapp 2 Millionen. Von den 300.000 ukrainischen Flüchtlingen beherbergt das Land auch heute noch 100.000, was immerhin 5-7 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.
Vor dem Hintergrund, dass es offensichtlich Russlands Ziel war, Moldau im Winter von Heizung, Strom und finanziellen Ressourcen abzukappen, kann man von einem erfolgreichen Mandat der Regierung sprechen, denn das Land ist stabil, es herrscht Frieden, und die Sozialleistungen an die jetzt noch weiter verarmte Bevölkerung wurden pünktlich erbracht. Zudem wurden aus dem Landeshaushalt signifikante Mittel bereitgestellt, um die deutlich gestiegen Energiekosten bei den Benachteiligten zu kompensieren.
Dann doch ein taktischer Zug?
Manchen Analysten zufolge handelt es sich bei dem Regierungsumbau eher um einen taktischen und politischen Schachzug der Regierungspartei. Nach all den Krisen galt die Regierung in den Augen der Bevölkerung als unpopulär und unproduktiv, und Gavriliță kam zuletzt selbst nicht mehr aus dem Umfragekeller heraus. Kritisiert wurden zudem die schleppenden Reformen im Bereich der Justiz, die florierende Korruption an den Grenzen, sowie die Stagnation der für den EU-Beitritt notwendigen Reformen – ein Bereich, in dem die sich im Krieg befindende Ukraine viel mehr getan hat. Dies bestätigt auch der jüngst an die Presse gelangte Entwurf des Fortschrittberichts der EU.
Mit der Person des als tatkräftigen empfundenen Recean soll nun mehr Aktion erfolgen. Auch Maia Sandu wies in ihrer Ansprache darauf hin, nachdem sie Gavriliță für ihren Einsatz gedankt hatte: „Um auf dem Weg zu unserem grundlegenden Ziel der europäischen Integration und der Konsolidierung der Demokratie voranzukommen, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken und den Lebensstandard in der Republik Moldau anzuheben, haben wir beschlossen, (…) unsere Bemühungen durch die Ernennung einer neuen Regierung zu beschleunigen und zu verstärken. Dies ist eine schwierige Zeit für alle, und unsere Aufgabe besteht nicht nur darin, Widerstand zu leisten. Wir müssen uns entwickeln, um voranzukommen. Die Wirtschaft und die Sicherheit des Landes brauchen einen neuen Aufschwung.“
Wie geht es weiter?
Der EU-Beitrittsprozess scheint nicht gefährdet. Im Gegenteil, sollte Recean seine Vorsätze umsetzen, ist mit einer Verbesserung der Regierungstätigkeit gerade in den Bereichen, an denen die vorherige Administration gescheitert ist, zu rechnen. Er verspricht „Ordnung und Disziplin in den Behörden. Die Institutionen müssen den Bürgern und der Wirtschaft dienen. Ja, es gibt Widerstände, aber wir werden sie überwinden. (…) Ein neues Leben für die Wirtschaft. Das bedeutet, dass mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, insbesondere für Investitionen in Unternehmen, in kleine und mittlere Unternehmen, denn das ist der Weg zu Arbeitsplätzen, zu höheren Löhnen und zur Schaffung von Wohlstand für uns alle. (…) Frieden und Stabilität. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir seit dem Zweiten Weltkrieg dem größten Risiko von Herausforderungen ausgesetzt sind. Wir müssen daher den Sicherheitssektor stärken, damit sich jeder sicher fühlt.“ Als vierte Priorität nannte er eine Beschleunigung der für den EU-Beitritt notwendigen Reformen.
Damit das auch passiert, müssen "die schrecklichen Figuren der kompromittierten Minister aus der künftigen Regierung verschwinden. Arroganz und mangelnder Respekt für demokratische Normen müssen aus der Kommunikation mit den Bürgern verschwinden", so wörtlich Igor Munteanu, der Vorsitzende der liberalen Partei Koalition für Einheit und Wohlstand (CUB), der zugleich mehr Einigkeit im proeuropäischen politischen Lager einforderte.
Das Parlament hat noch 10 Tage Zeit, das Regierungsprogramm und das neue Kabinett zu bestätigen. Mit Problemen ist dabei kaum zu rechnen, da die Regierungspartei PAS 61 der insgesamt 101 Mandate des Einkammerparlaments innehat.
Raimar Wganer im Interview mit dem Deutschlandfunk. Dieses Interview ist am 13. Februar 2023 aufgezeichnet worden.
Raimar Wagner ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in der Region Moldau und Rumänien.