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Baukrise
Braucht Deutschland wirklich 20.000 Bauvorschriften?

Baukräne auf der Europacity.

Baukräne auf der Europacity in Berlin.

© picture alliance / Geisler-Fotopress | Ben Kriemann/Geisler-Fotopress

Um es vorweg zu sagen: Bauvorschriften sind notwendig und wichtig. Sie gewährleisten Sicherheit, Gesundheitsschutz und sorgen (wenn man es nicht übertreibt) für ein ästhetisches Stadtbild. Doch bereits im Jahr 2021 kam der deutsche Städte- und Gemeindebund zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland sage und schreibe 20.000 dieser Bauvorschriften gibt. Heute, also etwa drei Jahre später, ist das sogar eine konservative Schätzung. Die Zahl dürfte inzwischen deutlich höher liegen. Ein solches Regelungslabyrinth hat nichts mehr mit Sicherheit, Gesundheitsschutz oder Ästhetik zu tun. Ein vertretbares Maß ist längst überschritten. In einer Zeit, in der sich die Wohnungskrise in Deutschland immer weiter zuspitzt, wirken mehr als 20.000 Bauvorschriften aus der Zeit gefallen.

Studie zeigt die Auswirkungen immer neuer Vorschriften

Wie sich all diese Vorschriften auf die Baukosten auswirken, zeigt nun eine aktuelle Studie der ARGE e.V., die beim diesjährigen Wohnungsbautag präsentiert wurde. Anders als die Daten des Statistischen Bundesamtes berücksichtigen die Berechnungen der Studie auch Kostensteigerungen, die sich durch Anforderungsveränderungen ergeben – sprich: Kostensteigerungen aufgrund zusätzlicher Normen und Vorschriften.

Betrachtet werden in der Analyse die Kosten für einen typischen Geschosswohnungsneubau in Deutschland. Allein aufgrund steigender Materialpreise und Löhne sind die Baukosten seit dem Jahr 2000 um etwa 109 Prozent gestiegen. Doch damit nicht genug: Berücksichtigt man auch die Auswirkungen zusätzlicher Normen und Standards, landet man bei einem Baukostenanstieg von 144 Prozent. Damit hat rund ein Viertel des Baukostenanstiegs nichts mit steigenden Löhnen oder Materialpreisen zu tun, sondern wird allein durch zusätzliche Vorschriften erzeugt.

In den nächsten Jahren wird es in Deutschland echte Reformen brauchen, damit die sich zuspitzende Wohnungskrise keine Spaltung unserer Gesellschaft zur Folge hat. Mit einer weiteren Verschärfung von Mietpreisregulierungen – wie sie von vielen Parteien gefordert wird – wird man das Problem sicher nicht lösen, ganz im Gegenteil. Stattdessen muss mit allen Mitteln versucht werden, das Wohnungsangebot zu stimulieren. Wie die FNF-Studie „Nachhaltige Wege aus der Baukrise“ zeigt, gelingt dies am wirksamsten und schnellsten über Einsparungen bei den Baukosten.

Fazit: Deutschland braucht nicht mehr Bauvorschriften, sondern eindeutig weniger.

Das von Marco Buschmann (FDP) geführte Bundesjustizministerium arbeitet bereits an einem Gesetzentwurf, der den Weg für einen neuen Gebäudetyp E freimachen soll. Mit dieser Gebäudeklasse wäre es deutlich einfacher, von geltenden Normen abzuweichen und mehr (Bau-)Experimente zu wagen. Ein enormer Fortschritt und eine echte Chance, einfacher und vor allem günstiger zu bauen. Allein mit dieser Art von Entbürokratisierung lässt sich die Krise auf dem Wohnungsmarkt beheben. Ähnlich wie in den Niederlanden sollten daher sämtliche Bauvorschriften in Deutschland auf den Prüfstand gestellt werden. Die Einführung weiterer kostensteigernder Vorschriften muss hingegen Tabu sein. Klar ist: Deutschland braucht nicht mehr Bauvorschriften, sondern eindeutig weniger.