Libanon
Der Libanon geht uns alle etwas an
Der Libanon steht vor dem Kollaps. Jeden Tag verlieren hunderte Menschen ihren Job, die Schuldenquote ist eine der höchsten in der Welt und dem Land gehen die Devisen aus, um für überlebenswichtige Importe wie Medikamente oder Lebensmittel zu zahlen. Deshalb ist die internationale Gemeinschaft im Dezember mit der libanesischen Übergangsregierung in Paris zusammengekommen, um über mögliche Hilfen zu beraten. Doch herausgekommen ist eigentlich nichts. Keine konkreten Zusagen und kein Plan, wie das Land sich zumindest mittelfristig stabilisieren könnte. Unser Libanon-Experte Kristof Kleemann stellt fest: sowas darf nicht nocheinmal passieren.
Man kann die Verweigerung der internationalen Geber nachvollziehen. Die Vorgängerregierungen haben in den letzten Jahren so ziemlich alles versäumt, was es gebraucht hätte, um das Land zu modernisieren. Die Einkommensungleichheit hat rapide zugenommen. Der Staat kann nicht einmal die grundlegenden Dienstleistungen für seine Bürger erbringen und die Weltbank befürchtet, dass bald 50% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Gerade deshalb sollte sich die internationale Gemeinschaft jetzt nicht zurückziehen.
Wir haben im Nahen Osten oft genug gesehen, was passiert, wenn Länder zusammenbrechen. Ein Syrien 2.0 können wir uns nicht leisten. Im Libanon befinden sich mehr als 1.5 Millionen syrische Flüchtlinge. Man muss sich nur einmal vorstellen, was passieren würde, wenn auch das Land im Chaos versänke. Der EU-Mitgliedstaat Zypern liegt schließlich nur knapp 100 Seemeilen entfernt. Zudem birgt ein destabilisierter Libanon auch große Gefahren für einen weiteren Konflikt in der ohnehin sehr fragilen Region.
Klar ist auch: Es gibt keine gute oder einfache Lösung. Der neue Premierminister Hasan Diab hat es zwar geschafft, ein neues Kabinett zu formen. Allerdings steht die neue Regierung auf tönernen Füßen, da sie fast ausschließlich von den pro-syrischen Parteien getragen wird. Mögliche Finanzhilfen müssen auch deshalb an strenge Bedingungen geknüpft werden. Auch die Forderungen der Demonstranten, die für politische Reformen seit Monaten zu Recht auf die Straße gehen, müssen bei einem möglichen Hilfsprogramm berücksichtigt werden. Die Menschen wollen einen tiefgreifenden politischen Wandel, den die Friedrich-Naumann-Stiftung mit Dialogprogrammen, Bildungsarbeit und der Förderung von Unternehmertum seit Jahren aktiv im Libanon unterstützt. Das Land wird Hilfe brauchen, um diese unmittelbare schmerzhafte Phase politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Turbulenzen zu überstehen. Deutschland und die EU spielen dabei eine entscheidende Rolle, auch um den Einfluss der traditionellen Schutzpatrone, Iran und Saudi-Arabien, zu reduzieren. Eine weitere ergebnislose Konferenz wie in Paris kann sich weder der Libanon, noch Deutschland und die EU leisten.
Kristof Kleeman ist designierter Projektleiter Libanon & Syrien mit Sitz in Beirut.