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Die Globalisierung wird sich beschleunigen - unter Chinas Führung

Protektionisten nutzen das Coronavirus, um Stimmung gegen den globalen Handel zu machen. China wird den Rückzug den Westen nutzen.
Yangshan Hafen
Der Yangshan Hafen in Shanghai kehrt zur normalen Durchsatzkapazität nach der Coronakrise zurück. © picture alliance/ZUMA Press

Während westliche Regierungen gegen das Coronavirus kämpfen, hatten dutzende asiatische Top-Beamte vergangene Woche ganz andere Sorgen. In einer fünftägigen Videoschalte feilschten sie über kleinste Details eines Dokuments, das langfristig größere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben dürfte als die Pandemie.

Die Diplomaten berieten über die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) - also über die größte geplante Freihandelszone der Welt. Trotz Pandemie sind die beteiligten Regierungen entschlossen, das Dokument noch dieses Jahr abzusegnen. Vor allem China macht Druck, den Deal zu besiegeln.

Ganz anders ist die Lage in Europa. Protektionisten und Nationalisten nutzen das Virus als willkommene Zutat für ihre populistische Giftmischung: Artensterben, Klimawandel und natürlich Covid-19 – plötzlich ist für jedes Übel die Globalisierung verantwortlich. Selbst Unionspolitiker Wolfgang Schäuble klingt wie Greta Thunberg und klagt: "Man kann jetzt auch einmal darüber nachdenken, ob es damit zu tun hat, dass wir vieles übertrieben haben."

Doch folgt die EU den neuen Apologeten der Heimeligkeit, sagt sie bei einer Party ab, die längst ohne sie geplant ist. Chinas Unternehmen expandieren aggressiv in neue Märkte, bestens flankiert von der Außenpolitik der Kommunistischen Partei. Europa hat nur noch die Wahl zwischen einer Globalisierung, die es mitgestaltet und von der seine Unternehmen profitieren: sozial, transparent und umweltfreundlich. Oder einer chinesischen Globalisierung in der vor allem Eliten profitieren und Europa isoliert ist.

Beispiel RCEP: Unter der Führung Chinas werden sich mindestens 15 Nationen zusammenschließen, in ihnen wohnt ein Drittel der Weltbevölkerung. Sollte sich Wackelkandidat Indien wieder dazu gesellen, wären es sogar fast die Hälfte. Zwar sind auch demokratische Wirtschaftsmächte wie Japan und Südkorea beteiligt. Doch sehen Beobachter klar China als Strippenzieher. Anders als in den Freihandelsabkommen der EU finden sich in dem Dokument keinerlei nennenswerte Passagen über Umweltschutz und Arbeitsstandards. 

Ironischerweise könnte China aus der Pandemie gestärkt hervorgehen. Zwar hat das Virus auch Chinas Wirtschaft hart getroffen. Ausländische Experten kommen wegen Einreisesperren nicht mehr ins Land, die schwache globale Nachfrage belastet Exportbetriebe. Doch mittlerweile haben sich viele Unternehmen auf die Sicherheitsvorschriften eingestellt. Der Internationale Währungsfonds erwartet für China in diesem Jahr immerhin ein Wachstum von 1,2 Prozent. Das globale Wachstum soll dagegen um drei Prozent einbrechen.

So könnten Chinas gigantische Infrastrukturprojekte im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative sogar noch an Bedeutung gewinnen. Die Investitionen dürften eine wichtige Konjunkturstütze für wirtschaftlich kriselnde Staaten werden.  

Doch gerade an Seidenstraßen-Projekten sieht man die dunkle Seite der Globalisierung auf chinesische Art: Sie ist intransparent und nutzt nur wenigen. Chinesische Unternehmen bauen mit chinesischen Rohstoffen und chinesischen Experten für China wichtige Projekte. Knowhow-Transfer ist kaum vorgesehen, Wettbewerb auch nicht. Deutsche Unternehmen wie Siemens haben fast keine Chancen. Von den intransparenten Projekten profitieren vor allem korrupte Politiker und Firmenchefs.

Selbst wenn China in vielen asiatischen Staaten skeptisch gesehen wird - für viele bleibt der globale Handel ein Wohlstandsgarant. Milliarden Asiaten ihnen sind dank globaler Lieferketten der Armut entkommen. Auch wenn sich Europa verabschiedet, wird Asien wird diesen Weg nicht aufgeben, sondern ihn in Partnerschaft mit China weiter bestreiten. Europa ist dann nur noch Urlaubsregion und Absatzmarkt - falls wir noch jemanden reinlassen. 

Doch die Menschen suchen eben für jedes Unglück einen Sündenbock. Im Mittelalter machten sie Hexerei für die Pest verantwortlich, AIDS sollte die Strafe für Homosexualität sein. An Covid-19 sind nun die Globalisierung und Touristen schuld. Haltbar ist das nicht: Vietnam ist bestens in internationale Lieferketten integriert, aber das Virus schon so gut wie ausgerottet. Gleiches gilt für Taiwan. Trotz enger Wirtschaftsbeziehungen zu China konnte sich Sars-Covid-2 dort nicht ausbreiten. Für die Katastrophen in Europa ist schlechtes Krisenmanagement verantwortlich - und keine internationalen Wirtschaftsbeziehungen. 

Anstatt die Globalisierung als Bedrohung zu sehen und sich auszuklinken, sollte die EU für ihre Werte und Unternehmen international eintreten. Dafür muss sie sich nicht im gleichen Maße wie bisher von China abhängig machen. Taiwan ist bei Technologien wie 5G und künstlicher Intelligenz führend. In der derzeitigen Krise ist die demokratische Insel mit der liberalsten Gesellschaft Asiens ein Vorbild für den Westen. Viele Länder in Süd- und Südostasien suchen Partner, mit denen sie Pekings Macht balancieren können. 

Europa hat die Wahl, mit Asien die globalen Handelsströme umweltfreundlicher, transparenter und fairer mitzugestalten - oder sich zurückzuziehen und in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Covid-19 hat schon zu viel Leid und Schaden angerichtet. Eine faire Globalisierung sollte der Krankheit nicht auch noch zum Opfer fallen.

 

Frederic Spohr ist Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Thailand und Myanmar, mit Sitz in Bangkok. 

Armin Reinartz ist Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Hongkong. 

Der Artikel ist am 27. April bei Capital online erschienen.