Shangri-La Dialog 2024
„Stärkere Präsenz Deutschlands im Indo-Pazifik ist unerlässlich“
In Singapur findet Asiens wichtigste Sicherheitskonferenz statt: der Shangri-La Dialog. Besonders im Fokus steht die Sicherheit im Indo-Pazifik, einer Region von globaler Relevanz, vor allem für Handelsnationen wie Deutschland. Angesichts der wachsenden Spannungen im Südchinesischen Meer, wo Chinas territoriale Ambitionen und militärische Expansion für Unruhe sorgen, versammeln sich Verteidigungsminister und führende Militärs aus aller Welt, um über kooperative Sicherheit und strategische Partnerschaften zu diskutieren.
Nirgends ist das Machtstreben der Volksrepublik China so sichtbar wie im Indo-Pazifik. Im Südchinesischen Meer herrschen Gebietsstreitigkeiten zwischen China, Vietnam, Taiwan, Malaysia, Philippinen und Brunei. China baut seine Marine rasant aus und schüttet Inseln künstlich auf, um militärische Stützpunkte zu schaffen. Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Frage, ob ein Angriff Chinas auf Taiwan folgen könnte, haben die Spannungen im Süd- und Ostchinesischen Meer mehr Medienaufmerksamkeit gewonnen. Nicht nur die Anrainer, sondern alle Handelsnationen schauen mittlerweile mit Sorge zum Südchinesischen Meer, wo ein Drittel des Welthandels auf Schiffen unterwegs ist. Eines der wichtigsten Foren zur Sicherheit im Indo-Pazifik findet am kommenden Wochenende in Singapur statt: der Shangri-La Dialog.
Dutzende Verteidigungsministerinnen und Verteidigungsminister sowie führende Militärs werden erwartet. Die Verteidigungsminister der USA und Chinas haben zugesagt. Vergangenes Jahr sprach auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in Singapur. Der Präsident der Philippinen, Ferdinand Marcos Jr., dessen Land akut von Chinas Expansionismus im Südchinesischen Meer betroffen ist, wird die Keynote-Rede halten.
Für Deutschland ist die Konferenz eine Gelegenheit, politisches und wirtschaftliches Engagement der Bundesrepublik im Indo-Pazifik zu demonstrieren. „Der Indo-Pazifik ist für den Welthandel von elementarer Bedeutung, insbesondere für eine Exportnation wie Deutschland. Außerdem ist das Konfliktpotenzial zwischen Demokratien auf der einen und Autokratien wie China auf der anderen Seite sicherheitspolitisch von äußerster Relevanz“, sagt der FDP-Außenpolitiker Frank Müller-Rosentritt, der an der Konferenz in Singapur teilnimmt.
Eine deutlich stärkere Präsenz Deutschlands in der Region ist unerlässlich und ein wichtiges Zeichen an unsere demokratischen Freunde und Wertepartner im Indo-Pazifik. Der derzeitige Einfluss von Europa und Deutschland in der Region entspricht in keiner Weise der wirtschaftlichen Größe Europas.
Deutschlands Fregatte sollte die Taiwanstraße passieren
Im Rahmen des Shangri-La Dialogs 2023 hatte Verteidigungsminister Pistorius in Singapur einen weiteren Einsatz der Deutschen Marine im Indopazifik angekündigt. Zuvor war 2022 die Fregatte Bayern erstmals seit mehr als zwanzig Jahren in der Region gewesen. In diesem Jahr, am 7. Mai, sind nun die Fregatte Baden-Württemberg und das Versorgungsschiff Frankfurt am Main zum deutschen „Indo-Pacific Deployment 2024“ ausgelaufen.
Die siebenmonatige Fahrt soll die regelbasierte, internationale Ordnung unterstützen. Aktuell ist noch unklar, ob die Schiffe der Deutschen Marine auch durch die Taiwanstraße fahren werden. Die Bayern machte 2022 noch einen großen Bogen um Taiwan und blieb so hinter anderen NATO Partnern wie den USA, Großbritannien oder Frankreich zurück, die regelmäßig und demonstrativ Routinefahrten durch die Taiwanstraße fahren. „Für die Taiwanstraße gelten dieselben Regeln wie für alle anderen Seewege auch: Das Seerechtsübereinkommen der UN von 1982, dem auch die Volksrepublik China beigetreten ist, erlaubt die Durchfahrt durch internationale Gewässer, und ein solches ist die Taiwanstraße“, sagt FDP-Politiker Frank Müller-Rosentritt, der Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags ist. „Um dies zu demonstrieren, sollte die Fregatte Baden-Württemberg selbstverständlich die Taiwanstraße passieren, genau wie die USA, die Franzosen und die Briten es regelmäßig tun. Freiheit ist nicht selbstverständlich, deshalb sollten wir sie verteidigen, wo immer es geht. Auch im Hinblick auf die Seewege.“
Im Vergleich zur Münchner Sicherheitskonferenz wird Singapurs Shangri-La Dialog in Deutschland kaum wahrgenommen. Der Dialog ist mit Abstand das wichtigste Forum für Sicherheitsthemen im Indo-Pazifik. Drei Tage lang werden 550 Delegierte aus 40 Staaten im Stammhaus der Luxushotelkette Shangri-La diskutieren, über kooperative Sicherheit, die Rolle von KI und Cyber für die Kriegsführung der Zukunft und über viele andere Themen. Panels zu Abschreckung und Verteidigung, zu strategischen Partnerschaften der USA sowie zu Chinas Perspektive auf globale Sicherheit sind geplant.
Pekings Ansprüche im Konflikt mit internationalem Recht
Die Bundesregierung hatte 2020 mit der Veröffentlichung der Leitlinien zum Indo-Pazifik den Blick in die Region intensiviert und liefert seitdem jährliche Fortschrittsberichte. Schwerpunkte der Leitlinien sind multilaterale Zusammenarbeit, Stärkung der regelbasierten Ordnung, Wahrung der Menschenrechte und Erreichung der Sustainable Development Goals der UN. Auf EU-Ebene gibt es ebenfalls eine entsprechende Strategie. Auch Deutschlands erste Nationale Sicherheitsstrategie von 2023 bekräftigt die global bedeutende Rolle des Indo-Pazifik. Die Vermeidung konfrontativer Sprache legt nahe, dass die Bundesregierung auf einen Mittelweg bedacht ist. Offenbar soll zum einen China als wichtiger Wirtschaftspartner nicht provoziert werden. Zum anderen soll aber auch klargestellt werden, dass Pekings aggressives Verhalten die regelbasierte Ordnung in der Region erodiert.
Im Südchinesischen Meer stehen Pekings Territorialansprüche im Konflikt mit dem internationalen Recht. Pekings sogenannte „Nine Dash Line“, eine grob U-förmige Demarkation auf Karten der Volksrepublik, welche fast das gesamte Südchinesische Meer beansprucht, wurde 2016 vom internationalen Schiedsgericht in Den Haag zurückgewiesen. Im Ostchinesischen Meer betrachtet Peking sowohl Taiwan als auch die von Japan kontrollierten Senkaku Inseln als eigenes Territorium. Taiwan hat als de-facto selbstverwaltete Demokratie und wichtigstes Zentrum der globalen Halbleiterindustrie große strategische Bedeutung.
Reden mit scharfen Vorwürfen
Organisiert von dem britischen Think Tank „International Institute for Strategic Studies“ (IISS) findet der Shangri-La Dialog bereits seit 2001 statt. Die jährlichen Treffen arbeiten nicht auf eine Erklärung oder ein Schlussdokument hin, wie es oft bei offiziellen, von Staaten organisierten Gipfeln der Fall ist. Die Teilnehmenden können einerseits während der thematischen Panels die große Bühne nutzen um außen- und sicherheitspolitische Positionen darzulegen. Andererseits bieten Treffen am Rande der Konferenz Gelegenheit für vertrauliche Gespräche. Das IISS verspricht sich von dieser Struktur einen Rahmen, in dem sich auch geopolitische Konkurrenten austauschen können. Bundesverteidigungsminister Pistorius hatte 2023 in Singapur seinen chinesischen Kollegen Li gesprochen. Er nutzte das Treffen, um das Anwerben ausgeschiedener Bundeswehrpiloten durch die Volksbefreiungsarmee zu kritisieren.
Mittlerweile könnte die weitreichende Partnerschaft zwischen Moskau und Peking, insbesondere Chinas Unterstützung der russischen Kriegsmaschinerie, Gespräche erschweren. Beim Shangri-La Dialog 2023 hatten sich US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu in ihren Reden scharfe Vorwürfe gemacht. Zudem lehnte Li ein Angebot Austins zu einem vertraulichen Gespräch ab. Für die diesjährige Konferenz haben sich Austin und Chinas Dong Jung, Lis Nachfolger im Amt des Verteidigungsministers, bereits auf ein Treffen verständigt
Felix Jantz ist regionaler Programm-Manager im Südost- und Ostasien Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Bangkok.