Rumänien
Die Lage ist komplex
Der Misstrauensantrag der Opposition gegen die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă (PSD) wurde am Donnerstag mit knapper Mehrheit angenommen. Die Regierung ist somit gestürzt. Präsident Klaus Johannis, der den Antrag unterstützte, hat die Parteien bereits zu Verhandlungen zur Regierungsbildung eingeladen. Die konservative Nationalliberale Partei (PNL) dürfte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die politische Lage vor Ort bleibt allerdings komplex.
Die sechs Oppositionsparteien hatten den Misstrauensantrag unter Federführung der PNL eingebracht und Viorica Dăncilă Inkompetenz und ausgebliebene öffentliche Investitionen vorgeworfen. Die Abstimmung am frühen Nachmittag ähnelte dann einem Politthriller. Schon in den letzten Tagen war immer wieder die Rede von Verrat, Postenfeilschen und sogar Bestechung. Manche Parlamentarier wechselten sogar mehrmals das Lager. Mit 238 Stimmen – nur fünf mehr als die notwendigen 233 – kam der Misstrauensantrag durch. Dafür stimmten die PNL, die bürgerlich-liberale Union zur Rettung Rumäniens (USR), die Partei der ungarischen Minderheit (UDMR), die Partei des ehemaligen Staatspräsidenten Traian Basescu (PMP), zehn Abgeordnete der Fraktion der nationalen Minderheiten, aber auch die neue Partei Pro Rumänien des ehemaligen Premierministers Victor Ponta, sowie der ehemalige Koalitionspartner der PSD, die ALDE Rumänien. Ohne die rund 60 Stimmen der letzten zwei Parteien wäre der Misstrauensantrag wohl gescheitert.
Die ALDE Rumänien hatte die Regierungskoalition vor sechs Wochen verlassen, nachdem die PSD eine gemeinsame Präsidentschaftskandidatur des ALDE Parteivorsitzenden Călin Popescu Tăriceanu für die im November anstehenden Präsidentschaftswahlen abgelehnt hatte. Daraufhin koalierte Tăriceanu mit Pro Rumänien und man einigte sich auf die Präsidentschaftskandidatur des populären Schauspielers Mircea Diaconu. Victor Ponta selber verspricht sich durch den Sturz des Kabinetts die Schwächung der PSD, um selber an die Spitze der ehemaligen Regierungskoalition zurückzukehren.
Konservative sollen neue Regierung bilden
Als möglicher zukünftiger Premierminister wird der PNL-Vorsitzende Ludovic Orban gehandelt. In einer schnellen Reaktion lud Johannis die Parteien schon für Freitag zu Verhandlungen für eine neue Kabinettsbildung ein. Die nächsten Parlamentswahlen stehen für November 2020 an, vorgezogene Wahlen werden aber nach dem Misstrauensvotum immer wahrscheinlicher. Die Union zur Rettung Rumäniens fordert Neuwahlen für März und hat bereits angekündigt, eine mögliche eigene Regierungsbeteiligung nur nach Parlamentswahlen in Betracht zu ziehen. Die Unterstützung einer Minderheitenregierung, unter Ausschluss der PSD, wird von der USR allerdings nicht ausgeschlossen. Für vorgezogene Parlamentswahlen müssten die Parteien allerdings der Auflösung des Parlaments zustimmen. Ein schwieriges Unterfangen, allerdings spricht mittlerweile auch Präsident Johannis vermehrt von der Notwendigkeit vorgezogener Wahlen. Dadurch könnte die ihm nahestehende PNL vom Debakel der Sozialdemokraten profitieren, denen dadurch kaum Zeit bliebe, sich von den Rückschlägen der letzten Zeit zu erholen.
Präsidentschaftswahlen am 10. November
Zuerst einmal stehen während dieser politischen Krise jedoch schon am 10. November Präsidentschaftswahlen an. Der amtierende Präsident Klaus Johannis kandidiert für eine zweite Amtszeit und käme laut aktueller Umfragewerte auf 45 Prozent der Stimmen. Mit Werten zwischen jeweils fünfzehn und zwanzig Prozent folgen Dan Barna, Vorsitzender der USR und der Schauspieler Mircea Diaconu. Diaconu war bislang unabhängiger Europaabgeordneter und wird von Pro Rumänien und ALDE Rumänien unterstützt. Auch die scheidende Ministerpräsidentin Viorica Dăncila tritt für die Präsidentschaftswahlen an, gilt aber spätestens seit dem verlorenen Misstrauensvotum als chancenlos. Eine Stichwahl am 24. November wird aller Voraussicht nach notwendig sein, da Klaus Johannis für einen Sieg im ersten Urnengang über 50 Prozent der insgesamt wahlberechtigten Stimmen benötigt, was angesichts der Wahlbeteiligung sehr schwierig zu erreichen ist.