EN

Wirtschaft und MR in den Philippinen
„Ein Multistakeholder-Dialog erlaubt es, einander als Partner und nicht als Gegner zu sehen“

Wirtschaft und Menschenrechte in den Philippinen

Paula Estrella (2. von rechts) und Teilnehmer der Forum Weltwirtschaftsordnung Studienreise „Business and Human Rights: Protect, Respect, Remedy“ bei „UN Global Compact“ in New York

© FNF-Büro Washington, D.C.

Interview mit Paula Estrella, Program Officer des Ateneo Menschenrechtszentrums in Manila und Teilnehmerin der Studienreise „Business and Human Rights: Protect, Respect, Remedy“ des Forum Weltwirtschaftsordnung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Frau Estrella, wie sieht die Arbeit des „Ateneo Menschenrechtszentrums“ (AHRC) konkret aus? Welche Aspekte sind für Ihre Arbeit besonders wichtig?

Das Menschenrechtszentrum ist Teil der juristischen Fakultät der „Ateneo de Manila“ Universität. Unsere Arbeit ist in vier Bereiche aufgeteilt: Rechtshilfe, Rechtsreform, Menschenrechtsbildung und Institutionenaufbau. Unsere Maßnahmen konzentrieren sich dabei sehr stark auf die Rechte von Kindern, Frauen und Ureinwohnern sowie auf die Bereiche Wirtschaft & Menschenrechte. Dabei kooperiert AHRC mit Regierungsvertretern, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Wir haben in diesem Jahr ein Projekt mit dem Ministerium für Informations- und Kommunikationstechnologie umgesetzt. Außerdem führen wir Gespräche mit Unternehmens- und Regierungsvertretern, damit sich beide Seiten zu ihrer Verantwortung für Menschenrechte bekennen. Diese Initiative möchten wir noch weiter ausbauen, indem wir Gesprächsrunden und Fortbildungen zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, Kinderrechte und Rechte von Ureinwohnern in den Philippinen organisieren. Aber auch die Themen außergerichtliche Tötungen, reproduktive Rechte von Frauen und die Verlängerung des Kriegsrechts in den Philippinen stehen auf unserer Agenda.

Was sind die Herausforderungen im Bereich Wirtschaft & Menschenrechte in den Philippinen?

Die größte Herausforderung ist im Moment die Regierung, die das Thema nicht zu ihrer Priorität macht. Dennoch gibt es viele Behörden und privatwirtschaftliche Akteure, die in dem Bereich sehr aktiv sind und mit uns zusammenarbeiten möchten. Nach wie vor können aber viele Unternehmen nichts mit dem Thema „Wirtschaft & Menschenrechte“ anfangen, oder verwechseln es mit dem Konzept der Sozialen Unternehmensverantwortung (CSR). Viele Wirtschaftsvertreter wissen immer noch nicht, welche Rolle ihren Unternehmen in diesem Zusammenhang zukommt und wie der Begriff „Wirtschaft & Menschenrechte“ in der Diskussion über die nachhaltigen Entwicklungsziele, dem „UN Global Compact“ oder bei freiwilligen Vereinbarungen einzuordnen ist. Obwohl CSR eher für karitative Tätigkeiten statt dem Schutz von Menschenrechten steht, bietet sich hier ein Anknüpfungspunkt und Türöffner für Diskussionen darüber, wie man den Schutz von Menschenrechten gewährleisten kann.

Welche Rolle kommt zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Ateneo Menschenrechtszentrum im Bereich Wirtschaft & Menschenrechte zu?

Zivilgesellschaftliche Organisationen fungieren als Plattform für den Austausch zwischen verschiedenen Interessensvertretern. Im Gegensatz zu vielen Unternehmen haben Organisationen die Zeit, die Expertise und das persönliche Interesse, sich mit diesem Themengebiet auseinanderzusetzen. Um die Herausforderungen der anderen Akteure wirklich zu verstehen, ist der gegenseitige Austausch unheimlich wichtig. Ein „Multistakeholder-Dialog“ erlaubt es der Regierung, Unternehmen, der Öffentlichkeit und anderen Parteien, einander als Partner und nicht als Gegner zu sehen. Da zivilgesellschaftliche Organisationen Zugang zu allen relevanten Akteuren haben, dienen sie als Katalysatoren, die alle Teilhaber an einem Tisch versammeln können. Aufgrund dieses Zugangs sind Organisationen wie wir in einer guten Ausgangsposition, um Strategien zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien zu entwickeln.

Wie fördern Sie diesen Multistakeholder-Dialog? Wie gelingt es, insbesondere Unternehmen einzubinden?

Wir müssen verstehen, wie Unternehmen funktionieren und worin sich ihre Motivation begründet, anstatt sie einfach für ihre Geschäftspraktiken zu kritisieren. Einige Menschenrechtsorganisationen müssen verstehen, dass es nicht das Ziel von Unternehmen ist, gegen Menschenrechte zu verstoßen, dies aber manchmal als „Nebenprodukt“ von Wachstum vorkommt. Ist erst einmal gegenseitiges Verständnis hergestellt, fällt es leichter, einen Dialog über Menschenrechte zu führen. Es ist wichtig, die Vorteile des Menschenrechtsschutzes in einer Art zu formulieren, die mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen sind. Der Fokus sollte immer auf die gemeinsamen Werte von Unternehmen und Menschenrechtsorganisationen gelegt werden, ohne dabei Verstöße zu ignorieren.

Was sind für Sie die wichtigsten Schlussfolgerungen der Studienreise der Friedrich-Naumann-Stiftung in die Vereinigten Staaten, die Sie mit zurück in die Philippinen nehmen?

Wichtig war für mich insbesondere zu sehen, wie wichtig die Vernetzung mit anderen Akteuren und das Aufbauen von vielfältigen Allianzen sind. Partner zu haben, die verschiedene Meinungen und unterschiedliche Perspektiven vertreten, ist sehr wertvoll. Denn nur auf diesem Wege können wir verschiedene Methoden ausprobieren, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Das stellt uns aber auch vor die Herausforderung, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Unternehmen sind manchmal sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, bestimmte Themen anzusprechen. Deshalb ist es für zivilgesellschaftliche Organisation und andere Stakeholder wichtig, diese Lücke zu schließen und Gemeinsamkeiten herauszustellen. Die Kommunikationskanäle müssen immer offen und Diskussionen konstruktiv bleiben. Dies alles habe ich aus der Studienreise mitgenommen, denn die Arbeit von AHRC legt einen intensiven Fokus darauf, eine gemeinsame Basis zu finden.

 

Die Fragen stellte Courtney Flynn, Programmverantwortliche des „Forum Weltwirtschaftsordnung“ der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington.