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Philippinen
Ende der Allmacht des Präsidenten Duterte?

Gute Nachrichten für Oppositionspolitiker auf den Philippinen
Rodrigo „Rody“ Roa Duterte,  seit  30. Juni 2016 ist er Präsident der Philippinen
Rodrigo „Rody“ Roa Duterte, seit 30. Juni 2016 ist er Präsident der Philippinen © PCOO EDP, President Rodrigo Duterte delivers a message upon his arrival at the Francisco Bangoy International Airport, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Der philippinische Senator Trillanes, einer der schärfsten Kritiker des Präsidenten Duterte, bleibt auf freiem Fuß. Der Versuch des Präsidenten, die Amnestie des Senators mit fadenscheinigen Argumenten aufzuheben, scheiterte. Dies ist eine gute Nachricht für Oppositionspolitiker und Rechtsstaatlichkeit auf den Philippinen.

Seit dem Amtsantritt des Populisten Duterte spannt sich die politische Lage der Philippinen an. Grund hierfür ist vor allem der von ihm initiierte Krieg gegen die Drogen, der bereits Tausende das Leben kostete. Der Präsident reagiert dünnhäutig und unwirsch auf Kritik und geht mit allen Mitteln gegen Kritiker vor. Einer von wenigen Gegnern von Dutertes Politik, die sich nicht einschüchtern lassen, ist Senator Antonio Trillianes. Er hat sich zum schärfsten Kritiker des Präsidenten entwickelt. Er kritisierte offen den Krieg gegen die Drogen, der laut ihm bislang rund 30.000 Menschen das Leben gekostet habe. (Die Regierung kann bzw. will dazu keine offiziellen Angaben machen.) Zudem beschuldigte er Mitglieder der Regierung sowie den Sohn des Präsidenten der Korruption und verlangt eine Untersuchung der Bankkonten des Präsidenten. Jüngst untersuchte er die Vergabe von Verträgen der Regierung in Höhe von 4,2 Mio Euro an das Familienunternehmen des Generalstaatsanwalts Jose Calida.

Senator Trillanes ist eine schillernde Figur. Anfang des Jahrtausends war er Teil einer Gruppe im Militär, die die Absetzung der damaligen Präsidentin Gloria Macagapal Arroyo forderte und schließlich eine – kläglich gescheiterte - Rebellion und Meuterei durchführte. Ab 2003 saß er im Gefängnis, wurde 2007 in den Senat gewählt, ohne an den Sitzungen teilnehmen zu können, und kam 2011 kam in den Genuss einer Amnestie durch den damaligen Präsidenten Aquino. 2013 wurde er als Senator wiedergewählt.

Der Präsident schlägt zurück

Generalstaatsanwalt Calida veröffentlichte nun eine Bescheinigung, dass das zuständige Ministerium keinen Amnestieantrag von Trillanes in den Akten finden könne.

Am 31.08.2018 veröffentlichte Duterte auf dieser Basis die Resolution Nr. 572. Sie erklärt die erteilte Amnestie Trillanes als von Anfang an ungültig. Durch die erklärte Ungültigkeit seiner Begnadigung seien auch die Einstellungen der ihn betreffenden Verfahren nichtig, daher müssten diese wieder aufgenommen werden. Duterte widersprach der Kritik, es handele sich bei der Annullierung der Amnestie um eine rein politisch orientierte Tat, und betonte, dieser Schritt sei schlicht eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit. So begründete er die Ungültigkeit der Amnestie damit, dass es allein dem jeweiligen Präsidenten obliege, einen Antrag auf Amnestie zu prüfen und zu bewilligen. Im Falle Trillanes erfolgte die Unterzeichnung der Amnestie durch den damaligen Verteidigungsminister Voltaire Gazmin, in den Augen Dutertes eine reine Amtsanmaßung.

Weiter argumentiert Duterte, Trillanes erfülle durch sein unzureichendes Schuldeingeständnis nicht die Mindestanforderungen einer Amnestie. Dem Justizministerium zufolge waren die Amnestieunterlagen von Trillanes inklusive Schuldeingeständnis jedoch wegen mehrfacher Sanierungen der Büros verlorengegangen. Bezüglich der Rebellionsanklage folgte das zuständige Gericht der Argumentation von Präsident Duterte und nahm das Verfahren wieder auf. Gegen die Zahlung einer Kaution konnte Trillanes zunächst einer Verhaftung entgegen, er wurde jedoch mit einem Ausreiseverbot belegt und erwartete das Gerichtsurteil in der zweiten gegen ihn angestoßenen Klage, die wegen Meuterei. Hier ist jedoch in jedem Fall eine Untersuchungshaft ohne Möglichkeit auf Kaution vorgesehen. Deshalb sahen Beobachter bereits den nächsten Oppositionspolitiker in Haft.

Schwerwiegende rechtsstaatliche Mängel in der Argumentationslinie gegen Trillanes

Die Argumente des Präsidenten halten einer genaueren Prüfung nicht stand. Laut Verfassung hat der Präsident die Möglichkeit, eine Amnestie auch mit der Zustimmung der absoluten Mehrheit des Kongresses zu gewähren. Entgegen Dutertes Auffassung stellt damit zumindest die Bewilligung einer Amnestie kein Exklusivrecht des Präsidenten dar. Durch die Ermächtigung Gazmins zur Unterzeichnung wird die Bewilligung letztlich durch den Präsidenten legitimiert (so Verfassungsrechtsexperte Antionio Gabriel Maestrado La Viña). Diese Ansicht wird noch durch eine Entscheidung des Obersten Gerichts aus dem Jahr 2005 (Constantino vs. Cusia) gestärkt, aus welcher deutlich hervor geht, dass eine Delegation präsidialer Aufgaben nicht nur möglich, sondern schlichtweg nötig ist, um die Arbeitsfähigkeit des Präsidenten zu gewährleisten.
 

Weiter muss angemerkt werden, dass die Beurteilung der Nichtigkeit bzw. Gültigkeit einer Begnadigungsurkunde nach rechtsstaatlichen Maßstäben einzig einem Gericht obliegen kann, insofern hätte eine endgültige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs abgewartet werden müssen. Die Entscheidung des Präsidenten erscheint somit als klarer Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Auch das Wiederaufgreifen des Verfahrens ohne rechtsstaatliche Klärung der Nichtigkeit der Begnadigung verstößt gegen grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien nachdem niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits rechtskräftig freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden darf. Besonders schwerwiegend ist in diesem Fall die Tatsache, dass der gleiche Richter, der die Rebellionsklage 2011 final abwies, jetzt die Wiederaufnahme des Verfahrens zuließ und den Argumenten des Präsidenten folgte.

Senator Antonio "Sonny" F. Trillanes IV

Senator Antonio "Sonny" F. Trillanes IV

© Antonio "Sonny" F. Trillanes IV

Bezüglich der Aufbewahrung solcher Amnestieunterlagen obliegt die Verantwortung der Unterlagen den zuständigen Behörden bzw. dem Justizministerium, sie sind auch für die Sicherung der Unterlagen verantwortlich. Dafür kann man nicht nachträglich den Angeklagten verantwortlich machen. Besonders kritisch zu betrachten ist auch die Beweiswürdigung des Gerichts. So legte Trillanes neben mehreren Fotos seiner Begnadigungsurkunde auch Zeitungsartikel über seine Begnadigung vor. Zusätzlich gab ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er bezeugte, dass Trillanes den Antrag auf Amnestie persönlich unterschrieben und im Ministerium abgegeben habe. Das Gericht ließ solche sekundären Beweisunterlagen nicht mit in die Urteilsfindung einfließen, da sie angeblich nicht die nötige Beweiskraft hätten, um die Unschuld Trillanes zu beweisen.

Dies verstößt zumindest gegen die nationalen Vorschriften über das Beweisverfahren (Rules on Evidence, Rule 130 3.1.a), nachdem bei dem Verlust von Originaldokumenten auf Kopien, authentische andere Dokumente oder Zeugenaussagen zurückgegriffen werden soll. Damit stellt in jedem Fall die eidesstattliche Erklärung ein zulässiges Beweismittel dar, insbesondere ist eine Unglaubwürdigkeit der Zeugen nach 130 C. 1. nicht ersichtlich. Die komplette Nichtwürdigung der Beweise stellt einen Verstoß gegen Trillanes` Recht auf Kenntnisnahme durch das Gericht dar. Der Vortrag des Angeklagten hätte in der Entscheidungsfindung zumindest berücksichtigt werden müssen.  Die Entscheidung des Gerichts gegen Trillanes wirft ein trauriges Licht auf die Unabhängigkeit der philippinischen Judikative sowie deren Wertschätzung von Rechtsstaatlichkeit und der notwendigen Oppositionsarbeit in einer Demokratie. Die oben genannten Argumentationslücken des Präsidenten in Verbindung mit dem Interessenskonflikt des Generalstaatsanwalt bezüglich der Vergabe von Regierungsaufträgen und der herausragenden Stellung als Oppositionspolitiker deuten alle auf eine politische Verfolgung von Senator Trillanes hin.

Beobachter sahen deshalb auch kaum Chancen für Trillanes mit Blick auf das offene Verfahren der Meuterei. Viele rechneten mit einer Untersuchungshaft ohne Möglichkeit auf Kaution. Neben Senatorin Leila de Lima wäre dann Senator Trillanes ein weiterer Oppositionspolitiker mundtot hinter Gittern, mit schwerwiegenden Folgen für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie auf den Philippinen.

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Erstaunliche Wendung

Das Gericht entschied in diesem Fall aber überraschend anders. Der zuständige Richter widersprach Präsident Duterte in seiner 33-seitigen Entscheidung. Trillanes habe durchaus seinen Amnestieantrag vollständig eingereicht. “ Die Tatsache, dass keine Akten in den Unterlagen des Sekretariats und / oder des Ad-hoc-Ausschusses oder der anderen Büros der DND vorhanden sind, bedeutet nicht, dass kein Antrag gestellt wurde” so der Richter. Zudem wies er den Antrag auf Haftbefehl mit der Begründung zurück, dass die seit langem etablierte Rechtsprechung besagt, dass man einen Fall, der final abgewiesen wurde, nicht wiedereröffnet werden kann.

Hoffnung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf den Philippinen?

Die jüngste Entscheidung gibt Anlass zur Hoffnung für Trillanes. Eine Kehrtwende in der philippinischen Politik bedeutet dies aber nicht. Der Generalstaatsanwalt hat bereits eine Berufung gegen das Urteil angekündigt. Zudem sind noch weitere Gerichtsurteile offen, unter anderem eine Verleumdungsklage vom Sohn des Präsidenten. Aber diese juristische Niederlage bedeutet dennoch einen herben Gesichtsverlust für den Präsidenten, und das Vorgehen gegen Trillianes erscheint daher umso mehr als politische Vendetta gegen einen unbequemen Kritiker. In den letzten Monaten ist die Popularität des Präsidenten deutlich gesunken, auch wenn sie immer noch auf einem hohen Niveau liegt. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Ansehensverlust weiter anhält und wie sich das auf die Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr auswirken wird.

Siegfried Herzog ist Regionalbüroleiter Südost- und Ostasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Eve-Svenja Callies ist Praktikantin im Regionalbüro Südost- und Ostasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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