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Jubiläum
Für Gleichberechtigung und Integration

Liselotte Funcke,erste Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, wäre heute 100 Jahre alt geworden
Liselotte Funcke

Liselotte Funcke am Rednerpult des Deutschen Bundestages, im Hintergrund Walter Scheel

© Foto Darchinger: Nutzungsrecht Friedrich-Naumann-Stiftung. ADL, Audiovisuelles Sammlungsgut,

Die aktuellen Debatten über in Deutschland lebende Ausländer hätten Liselotte Funcke wohl ebenso bekümmert wie sie die Aktionen und Rhetorik von erstarkten Rechtskräften verabscheut hätte. Die von ihr Zeit ihres Lebens verfochtene offene Gesellschaft schloss selbstverständlich Bürger mit ausländischen Wurzeln ein.  

Aber auch hinsichtlich der gesellschaftlichen und politischen Rolle der Frauen sah sie emanzipatorische Defizite, für deren Überwindung sie ebenso beharrlich kämpfte wie für eine funktionierende, möglichst freie Wirtschaft. Auch um die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat sie sich sehr verdient gemacht; 23 Jahre lang gehörte sie dem Kuratorium an, was eine ihrer hervorstechendsten Eigenschaften, nämlich die Beständigkeit, mit der Liselotte Funcke ihren politischen Aufgaben und Zielen nachging, zum Ausdruck bringt.

Das Liberale war ihr gewissermaßen doppelt in die Wiege gelegt, als sie am 20. Juli 1918 im westfälischen Hagen auf die Welt kam: Da war zum einen die familiäre Tradition, Großvater und Vater waren für den Nationalliberalismus aktiv. Und da war zum anderen die freisinnige Tradition ihrer Geburtsstadt, wo über Jahrzehnte Eugen Richter das Reichstagsmandat innehatte.

Ihre politische Karriere, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg begann, so dass Liselotte Funcke noch die Heppenheimer Gründungsversammlung Ende 1948 als Jungdemokratin miterlebte, war gleichfalls von auffallender Konstanz gekennzeichnet: elf Jahre Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags, 18 Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages, davon ein Jahrzehnt als dessen Vizepräsidentin. Dem Bundesvorstand der FDP gehörte sie zwei Jahrzehnte an, von 1977 bis 1984 als Vertreterin des Bundesvorsitzenden.

Fast zwei Jahrzehnte leitete sie den Frauenausschuss der NRW-FDP und während zweier Legislaturperioden den wichtigen Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Gerade letzteres unterstreicht ihren politischen Einfluss in den 1970er Jahren, obwohl oder auch weil sie nicht unbedingt den großen Auftritt liebte. Anders als Marie-Elisabeth Lüders etwa setzte sie nach eigenem Bekenntnis auch in der Frage der Gleichberechtigung nicht auf den „groben Säbel“, sondern das „feinere Florett“. Erreicht hat sie, die 1984 ein vielbeachtetes Buch über liberale Politikerinnen herausgab, hier ebenso viel wie in der Frage der Steuerreform.

Liselotte Funcke
© Foto Darchinger: Nutzungsrecht Friedrich-Naumann-Stiftung. ADL, Audiovisuelles Sammlungsgut,

1979 stellte sie sich dann ganz in den Dienst ihrer Partei und gab ihre Bonner Positionen auf, um als Landeswirtschaftsministerin die gebeutelten Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen zu unterstützen. Das damit verbundene Karriererisiko ging sie wohl bewusst ein und beklagte sich nicht, als bei der folgenden Wahl der Einzug in den Landtag verfehlt wurde. 1980 endete somit Liselotte Funckes parlamentarische Karriere, nicht aber ihr Einsatz für ein liberales und gerechtes Deutschland.

Das Feld, das das letzte Jahrzehnt ihres politischen Engagements bestimmte, war die Ausländerpolitik. Als Ausländerbeauftragte des Bundes versuchte sie vor allem nach dem Koalitionswechsel von 1982 zäh und beharrlich, die Integration hier lebender Ausländer und deren Familien voranzutreiben. Mit den Ergebnissen war sie nicht immer zufrieden, weil sie anders als viele Kabinettsmitglieder die große und wachsende Bedeutung dieser Frage erkannt hatte; mit ihr begann der bis heute fortgeführte Reigen weiblicher Politikerinnen in dieser Funktion. Zweifellos erwarb sich Liselotte Funcke nicht nur damit ein großes Ansehen über die Parteigrenzen hinaus und blieb bis ins hohe Alter für Stiftung und Partei eine überaus geachtete Ratgeberin, ehe sie wenige Tage nach ihrem 94. Geburtstag in ihrer Heimatstadt verstarb.

Dr. Jürgen Frölich ist Referent für historische Liberalismus-Forschung im Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Gummersbach.