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Glyphosat: Fakten statt Panikmache

Ein Verbot von Glyphosat wird dank Landwirtschaft 4.0 nicht nötig sein
Mulchsaat bei Zuckerrüben
Mulchsaat bei Zuckerrüben © Volker Prasuhn [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Glyphosat bleibt vorerst zugelassen. Ein schnelles Verbot wäre wissenschaftlich kaum begründbar gewesen. Gute fachliche Praxis und technischer Fortschritt können jedoch den Einsatz des Pflanzenschutzmittels minimieren helfen.

Seit mehr als 40 Jahren wird Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln in der deutschen Landwirtschaft eingesetzt. Als vielseitig einsetzbares Herbizid ist der Wirkstoff aus der konventionellen Landwirtschaft kaum mehr wegzudenken. Nach kontroversen Debatten im EU-Parlament und mehrfachen Anläufen wurde die  Zulassung von Glyphosat vergangene Woche im zuständigen Ausschuss der EU-Kommission mit einer qualifizierten Mehrheit um vorerst fünf Jahre verlängert.

Der bereits längere Zeit schwelende Streit zwischen den Gegnern und Befürwortern des Glyphosateinsatzes spitzte sich im Zuge der Neubewertung des Wirkstoffs im Rahmen der EU-Wirkstoffprüfung zu: Während das für die gesundheitliche Bewertung zuständige deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) das Risiko für Krebserkrankungen im Zusammenhang mit dem Umgang mit Glyphosat und Pestizidrückständen in Lebensmitteln für sehr gering einschätzte und diesen Befund an die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) weitergab, stufte die internationale Krebsforschungsanstalt der WHO (IARC) den Wirkstoff als "wahrscheinlich krebserregend" für den Menschen ein. Hintergrund dieser Einstufung war eine Gefahrenanalyse, in der es um die Frage ging, ob Glyphosat überhaupt krebsauslösend wirken könne. Dosis-Wirkungsbeziehungen bei sachgerechtem Einsatz und fachgerechter Dosierung spielten hierbei keine Rolle.  Demgegenüber hatte das BfR eine für die Wirkstoffbewertung notwendige Risikoanalyse durchgeführt, also das Krebsrisiko beim realen Praxiseinsatz von Glyphosat bewertet. Ergebnis: Bei sach- und bestimmungsgemäßer Anwendung sei keine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung anzunehmen. Eine nochmalige Bewertung dieser Ergebnisse im Anschluss an eine mehrwöchige Konsultationsphase bestätigte dieses Ergebnis.

Unabhängige wissenschaftliche Politikberatung ist essentiell für die politische Entscheidungsfindung. Deshalb schafft sich die Politik entsprechende Beratungsstrukturen. So hat die Bundesregierung das BfR mit der Aufgabe betraut, unabhängig, transparent und auf der Grundlage international anerkannter wissenschaftlicher Kriterien zu Fragen der Lebensmittelsicherheit und des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Stellung zu nehmen sowie die Sicherheit von Chemikalien und Futtermitteln zu bewerten. Diese Aufgabe hat das BfR mit seiner Risikoanalyse für den Glyphosateinsatz erfüllt. Mit dieser wissenschaftlichen Beratungsleistung für die zu treffende politische Entscheidung gibt die Wissenschaft die Verantwortung an die Politik ab. Wenn nun die Politik der Wissenschaft nicht folgen möchte, kann sie das selbstverständlich tun. Sie sollte der Öffentlichkeit nur klar kommunizieren, dass es sich um eine politische Entscheidung handelt. Alles andere ist unglaubwürdig und diskreditiert die unabhängige wissenschaftliche Politikberatung.

Zur Wahrheit gehört auch, die Nachteile einer politischen Entscheidung gegen Glyphosat offenzulegen. Der Einsatz von Glyphosat hat nicht zuletzt mit der großen Verbreitung der pfluglosen Bodenbearbeitung (Mulchsaat) in der konventionellen Landwirtschaft zugenommen. Die Mulchsaat vermindert die Bodenerosion und lässt eine höhere biologische Bodenaktivität zu. Es sind weniger maschinelle Arbeitsgänge erforderlich und der Kraftstoffverbrauch sinkt. Davon profitieren nicht nur die Landwirte und die Verbraucher, sondern auch die Umwelt. Ein abruptes Aus für glyphosathaltige Herbizide würde einen Teil dieser Erfolge infrage stellen. Für viele Kulturen, so eine Folgeabschätzung des Julius-Kühn-Instituts für die Bundesregierung, sind kostenäquivalente und weniger umweltbelastende Alternativen nicht vorhanden. Bei einem Verzicht auf Glyphosat müsste zum Teil auf andere chemische Alternativen, mit ungünstigeren ökotoxikologischen Eigenschaften und geringerer Wirksamkeit, zurückgegriffen werden. Zwar wäre mangels Wirkstoffalternativen auch eine Rückkehr zur mechanischen Bodenbearbeitung möglich, doch häufig nur gegen Inkaufnahme der damit verbundenen Nachteile und höherer Kosten. Dennoch wird empfohlen, den Glyphosateinsatz nicht als Standardmaßnahme im Ackerbau vorzusehen, sondern sorgfältig zu prüfen, ob äquivalente Alternativen zur Glyphosatanwendung bestehen. Beispielsweise kann für die Unkrautvernichtung auf nicht erosionsgefährdeten Böden auf mechanische Bodenbearbeitung zurückgegriffen werden. Der Einsatz von Glyphosat zur Abreifebeschleunigung (Sikkation) lässt sich hingegen reduzieren, indem bereits bei der Bodenvorbereitung und der Saat ein gleichmäßiger Pflanzenwuchs berücksichtigt wird.  

Landwirtschaft 4.0

Angesichts des rasanten technischen Fortschritts in der Landwirtschaft wird sich der Einsatz von Herbiziden wie Glyphosat noch weiter reduzieren lassen. Gerade der Einzug der Digitalisierung in die Landwirtschaft eröffnet Möglichkeiten des sparsamen Umgangs mit chemischen Pflanzenschutzmitteln. Computer bestimmen das optimale Wetter für den Pflanzenschutzmitteleinsatz. Sensoren ermitteln den Unkrautbewuchs und errechnen daraus die optimale Wirkstoffmenge. Schließlich lässt sich mit Hilfe von Navigationssystemen der Pflanzenschutzmittelbedarf für einzelne Feldbereiche inklusive der notwendigen Abstandsauflagen bestimmen. Pflanzenschutzmittel werden nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip über die Felder verteilt, sondern nur dort, wo sie unbedingt nötig und wirksam sind. Zudem lassen sich unterschiedliche Wirkstoffe unabhängig und getrennt voneinander ausbringen. Sogar Pflanzenschutz ganz ohne Herbizide ist vorstellbar, wenn Sensoren einzelne Unkrautpflanzen erkennen und mit mechanischen oder thermischen Verfahren beseitigen. Gute fachliche Praxis und Landwirtschaft 4.0 ermöglichen eine Balance zwischen wirtschaftlichem Pflanzenschutz sowie den Belangen des vorsorgenden Gesundheits- und Naturschutzes. Ein Verbot von Glyphosat wird dazu nicht nötig sein.