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Hardliner weg, Probleme noch da

Polens neuer Ministerpräsident hat sein Kabinett dramatisch umgebaut
Regierungssitz
Viele Beobachter sind überrascht vom Ausmaß des aktuellen Kabinettumbaus © CC BY-SA 3.0 pl commons.wikimedia.org/ Adrian Grycuk

Polens neuer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat Parteifreunde, Gegner und die Öffentlichkeit überrascht. Nur kurze Zeit nach seinem Amtsantritt hat er das Kabinett dramatisch verändert. Radikale PiS-Hardliner wurden gefeuert. Es besteht die Chance, dass die Regierung jetzt möglicherweise nicht mehr ganz so brachial mit rechtsstaatlichen Standards umgehen und gegenüber der EU konzilianter sein wird. Zumindest wird sie sich taktisch geschickter verhalten. Das wiederum macht die Sache für die Opposition in Polen und die Kommission in Brüssel keineswegs leichter.

Sie sei überrascht „vom Ausmaß der Umbildung“, ließ die Vorsitzende der liberalen Oppositionspartei Nowoczesna, Katarzyna Lubnauer, verlauten. In der Tat: Der von der nationalkonservativen PiS-Partei gestellte neue Regierungschef Morawiecki hat ordentlich „Köpfe rollen“ lassen. Die bisherige Regierung unter Beata Szydło hatte mit ihrer erratischen Politik angeeckt, wo sie nur konnte. Das Verhältnis zur EU, das Verhältnis zu Deutschland, das Verhältnis zu allen anderen politischen Kräften in Polen – sie waren zerrüttet, nicht zuletzt, weil die Regierung in rapider Weise die bisher gültigen Regeln der Demokratie und des Rechtsstaats zu brechen begonnen hatte.

Dahinter mag auch ein gewisser Kontrollverlust gesteckt haben. Unter Szydło gebärdeten sich einige Minister extrem ungestüm und verfolgten ihre eigene Agenda. Das scheint nunmehr vorbei zu sein. Die Liste derer, die von Morawiecki aus dem Kabinett entlassen wurden, liest sich wie die Liste aller Unbotmäßigen. Schon am Tag seiner Amtseinführung stellte Morawiecki den bisherigen Umweltminister Jan Szyszko kräftig in den Senkel. Dieser hatte sich unter Szydło offen geweigert, einem EuGH-Urteil Folge zu leisten, wonach die (von ihm angeordnete) Rodung des Białowieża-Nationalparks angehalten werden müsse. Morawiecki konsultierte ihn erst gar nicht, sondern verkündete, dass man sich dem Urteil nun füge. Nun ist Szyszko die längste Zeit Umweltminister gewesen. Auch die Karriere des meist recht rabiat agierenden Außenministers Witold Waszczykowski im Außenamt ist zu Ende. Sein Hauptanliegen schien es zu sein, Deutschland rüde zu attackieren und dabei zu riskieren, dass Polen in der Auseinandersetzung mit den imperialen Ambitionen Russlands einen geostrategisch wichtigen Partner verliert. Sein Nachfolger ist der gemäßigtere und diplomatisch erfahrene Jacek Czaputowicz. Entlassen wurde ferner Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, der als verkappter Moskau-Freund gilt und eigenmächtig die Kompetenzen des Präsidenten als oberster militärischer Befehlshaber einzuschränken trachtete. Seine Entlassung ist wohl ein besonderes Geschenk Morawieckis an Präsident Duda, der manchmal versucht hatte, allzu rechtsstaatswidrige Maßnahmen der Regierung Szydło per Veto auszubremsen. Anscheinend will der Ministerpräsident auch hier wieder die Reihen schließen.

Mateusz Morawiecki
Polens neuer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki © CC BY-SA 3.0 commons.wikimedia.org/ Marek Mytnik

Auffallend ist auch, dass an wichtigen Stellen nunmehr persönliche Vertraute Morawieckis stehen, die nicht dem inneren Zirkel der PiS angehören. Dazu gehört ganz primär die neue Finanzministerin Teresa Czerwińska, eine ausgebildete Ökonomin, die zuvor unter Morawiecki im Finanzministerium eine leitende Position innehatte. Desgleichen gilt auch für die Minister Jerzy Kwieciński (Investitionen und Entwicklung) und Jadwiga Emilewicz (Unternehmen und Technologie) – sie alle sind jung und wirken moderner als ihre Vorgänger. 

Was steckt hinter der Kabinettsumbildung?

Dass Morawiecki nunmehr vor allem ökonomisch relevante Bereiche mit seinen engsten Vertrauten besetzt, zeigt, dass er die bürgerliche Opposition auf deren angestammten Terrain schlagen will. Die liberale Novoczesna, so deren Parteivorsitzende Lubnauer, sei dadurch weniger gefährdet, weil sie Wähler anspreche, die Marktwirtschaft und fortschrittliche Gesellschaftspolitik als eine Einheit sähen. Aber für die konservativere Bürgerplattform (PO), die derzeit die größte Oppositionspartei ist, könne Morawieckis Kurs gefährlich werden. Das berge für sich die Gefahr, dass es die Opposition als Ganzes nicht schaffe, die PiS abzulösen. Schon jetzt hat der Wechsel zu Morawiecki für die PiS Früchte getragen. In den Umfragen ist ihr Anteil zurzeit mit 43% fast doppelt so hoch wie der der nächstgrößeren Oppositionspartei PO. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Höhenflug anhält.

Wie substantiell der Politikwechsel sein wird, ist noch nicht zur Gänze abzusehen. Zumindest wird die Regierung mit den neuen Ministern weniger neue Fronten eröffnen und sich weniger Blößen geben. In der Substanz wird es wohl keine großen Änderungen geben. Der eigentliche starke Mann der PiS, ohne den keine grundsätzlichen Entscheidungen getroffen werden, Parteichef Jarosław Kaczyński, hat zudem dafür gesorgt, dass auch eine erkleckliche Zahl seiner engeren Vertrauten, darunter der neue Innenminister Joachim Brudziński, im Kabinett darauf achten, dass Morawieckis Spielräume begrenzt sind.

Vielleicht gibt es in den Grundsatzfragen in der Partei auch weniger Dissens als man denken könnte. Die linksliberale Zeitung Gazeta Wyborcza, die zweitgrößte Zeitung im Lande, mutmaßt sogar, dass der alternde Kaczyński bereits Morawiecki als seinen Nachfolger auserkoren habe und ihm deshalb Gestaltungsräume überließe. Strategisch ist es auch in Kaczyńskis Interesse, dass die PiS nach ihrer „harten“ Phase der Machtkonsolidierung mit brutalen Mitteln in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode mit „weichen“ Maßnahmen die Herzen der Bürger gewinnen und ins Wählerlager der Opposition ausgreifen will. Zudem stellten Minister wie Waszczykowski allmählich eine existentielle Gefährdung der Beziehungen zur EU dar, die sich in dieser Form auch die meisten Anhänger der PiS nicht wünschen. Unter dem neuen Team wird es, wie das im Ton sehr freundliche Treffen zwischen EU-Kommissionspräsident Juncker und Morawiecki bereits zeigte, leichter, einen gesichtswahrenden Kompromiss mit der EU über die Frage der Rechtsstaatsverletzungen Polens zu erreichen. An einer weiteren Eskalation ist weder Polen noch der EU gelegen. Alleine der Imagewechsel der Regierung könnte bewirken, dass die PiS-Regierung etliche ihrer umstrittenen Vorhaben nicht völlig aufgeben muss. Zumindest dürfte es unter den Mitgliedsländern schwieriger werden, einschneidende Sanktionen wie etwa den Verlust von Stimmrechten durchzusetzen. Morawieckis Kurswechsel im Ton könnte sich also bezahlt machen. Aber die Probleme in der Sache wären damit noch nicht aus der Welt.

Detmar Doering ist Projektleiter für Mitteleuropa und die Baltischen Staaten mit Sitz in Prag