EN

#JetztMutMachen
Miniaturen aus dem koreanisch-coronaischen Alltag

Ein kleiner Junge spielt mit seinem Smartphone in der Innenstadt von Seoul
Ein kleiner Junge spielt mit seinem Smartphone in der Innenstadt von Seoul © picture alliance

Der Anfang der Liebe in Zeiten von Corona

Ein junges Paar auf Spaziergang. Die beiden schlendern Hand in Hand, erzählen sich etwas, verströmen die Aura des Verliebtseins, immerhin ist Frühling. Plötzlich verlangsamen sie den Gang, bleiben stehen, schauen sich an: Maske runterziehen, ein Küsschen, Maske wieder rauf und weiter geht’s.

Das Ende der Liebe in Zeiten von Corona

Das nachvollzogene Bewegungsprofil anhand von Handydaten und die Verpflichtung, im Infektionsfall alle Kontakte zu nennen, mögen der Eindämmung der Virusausbreitung helfen, erweisen sich aber für viele Beziehungen als Gift: Schon so mancher außereheliche Seitensprung und einige bislang verborgene Seiten von Partnern kamen auf diese Weise ans Licht – und die Beziehung an ihr Ende.

Seife mit eingebauter Stoppuhr

Händewaschen ist das Gebot der Stunde: Regelmäßig, sorgfältig und mindestens 30 Sekunden. Wann aber ist diese halbe Minute vorüber? In Korea ist nun eine Seife auf dem Markt, deren Schaum nach 30 Sekunden die Farbe wechselt. Angesichts des koreanischen Erfindungsreichtums scheint es nur eine Frage der Zeit, bis der weiße Schaum anerkennende Worte an den Handwäscher richtet. (in Stereo)

Handwaschschau
© Tanja Krawietz, FNF Korea

Olympisches Gold beim Testen

Nachdem die Zahl der Neuinfektionen seit Wochen zurückgeht und in Südkorea nur noch ca. 100 pro Tag registriert werden, ist eine Gruppe besonders in Blickfeld gerückt: Die sog. „importierten Fälle“, die von Auslandsreisenden ins Land gebracht werden. Schon am Flughafen wird daher getestet: Wer Symptome zeigt, wird direkt einer medizinischen Versorgung zugeführt. Alle anderen schickt man nach ihrer Ankunft am Flughafen Seoul/Incheon noch auf eine Ehrenrunde: Sie werden mit bereitstehenden Bussen an die Stätte der Olympischen Spiele von 1988 gebracht und dort einem Test auf Covid-19 unterzogen. Dort sollen bis zu 1000 Tests täglich durchgeführt werden. Anschließend geht es dann zum Auslaufen in die 14-tägige verpflichtende Selbstquarantäne.

Menschen im Hotel: Keine

Die Zahl an (auch hochklassigen) Hotels in Seoul scheint geradezu unüberschaubar. Zahlreiche Geschäftsreisende gehen normalerweise in der weltweit elftgrößten Wirtschaftsnation ein und aus und in den letzten Jahren haben auch immer mehr Touristen Südkorea als lohnendes Reiseziel entdeckt. Da nur noch wenige Reisende das Land erreichen oder verlassen, stehen die Hotels leer. Wo sonst geschäftiges Treiben herrscht, ist nun gähnende Leere und Stille. Bei den großen Hotels wie beispielsweise dem Grand Hyatt werden die Lichter zwar nicht dauerhaft ausgehen, momentan gehen sie aber erst gar nicht an. Erleuchtete Gästezimmer am Abend sind zur Rarität geworden.

Grand Hyatt Seoul
© Christian Taaks

Der andere Blick auf die Stadt

Durch die vielen coronabedingten Einschnitte ist das öffentliche Leben deutlich reduziert. Schadstoffemissionen und Feinstaubbelastung haben spürbar nachgelassen. Plötzlich sieht man Gebäude und Stadtlandschaften in absoluter Klarheit, die früher hinter einem weißen Vorhang verborgen waren – wenn man sie überhaupt sehen konnte. Corona ermöglicht manche neue Entdeckung.

Seoul feinstaubfrei
© Christian Taaks
Seoul feinstabfrei am Abend
© Christian Taaks

Maskierte Skulpturen und Roboter

Selbst Skulpturen im öffentlichen Raum tragen dieser Tage Masken. So zum Beispiel die Skulpturen der sogenannten „Trostfrauen“, die während der japanischen Kolonialzeit zur Prostitution gezwungen wurden. Auch den Robotern, die den Verkehr regeln, hat man Masken angelegt. Übertragungswege der Viren werden damit zwar nicht abgeschnitten - weil es einfach keine gibt. Man setzt aber auf Konsequenz und Vorbildwirkung.

Skulpturengruppe Trostfrauen
© Christian Taaks

Eine Aufzugsfahrt braucht Regeln

Man hätte ja nicht gedacht, was es bei einer einfachen Aufzugsfahrt alles zu beachten gibt. Beispiel Hanyang-Universität. Noch vor Beginn der Aufzugsfahrt fordert ein Plakat dazu auf, diese doch besser zu unterlassen. Fährt man trotzdem, sieht man in der Kabine eine Aufforderung, Mundschutz zu tragen, Gespräche zu unterlassen und das soziale Distanzgebot einzuhalten. Im Aufzugs-TV laufen weitere Anweisungen zum täglichen Umgang mit Covid-19. Sämtliche Knöpfe sind mit einer Desinfektionsfolie abgeklebt. Für die kleine Desinfektion zwischendurch wird eine Flasche mit entsprechender Flüssigkeit vorgehalten. An der Uni dürfte es zurzeit mehr Desinfektionsflaschen als Studenten geben, denn das Studium in den meisten Fakultäten läuft bis auf weiteres online.

Aufzug
© Christian Taaks

Sozial distanzierter Knabberspaß

Ach, was waren das für Zeiten, als man mit Freunden oder Kollegen einfach miteinander Chips oder ein paar Kekse aus der Tüte aß. In Arbeitsstätten mit gutem Betriebsklima, zu denen die FNF Korea definitiv gehört, bringt man sich immer noch gerne etwas zum Teilen mit. Hände kommen aber nicht mehr in die Tüte.

Chipstüte
© Christian Taaks

Lebensrettende Lieferkultur

Während in Deutschland die wenigen Lebensmitteldienste dieser Tage oftmals die Segel streichen und keine Liefertermine für Online-Bestellungen mehr vergeben können, gehört diese Facette in Südkorea zur Alltagskultur. Ab einem Bestellwert von 30.000 Won (ca. 23 Euro) werden alle Waren kostenfrei nach Hause geliefert. Die Ware wird entweder im Laden ausgesucht, online bestellt oder im kleinen Supermarkt nebenan per Telefon. Vor allem für ältere Menschen, die bei Ansteckung besonders zu leiden hätten, ist das eine große Erleichterung. Zu einem tragischen Helden des Corona-Alltags wurde neulich der Lieferfahrer eines großen Online-Anbieters: Er hatte sich offensichtlich beim Kassieren bei einem Kunden angesteckt und starb an den Folgen der Infektion. Seither bestehen die meisten dieser Firmen auf Vorauskasse.

Lieferdienst
Waren aus dem Supermarkt stehen zur Auslieferung per Motorrad bereit. © Christian Taaks

Geselligkeit und Social Distancing

Bars und Restaurants sind per se Orte der Geselligkeit und des Austauschs. Eine generelle Schließung dieser Orte konnte in Südkorea vermieden werden. Gaststätten sind mittlerweile aber deutlich leerer und viele werden die Coronakrise nicht überleben. Man trifft sich nun mit Atemmaske in der Bar und im Restaurant – steht aber am Ende doch vor dem Problem, dass bei einem gepflegten Abend mit Speis‘ und Trank die Zuführung durch den Mund doch eine entscheidende Rolle spielt.

Bareingang
Der Zugang zum gepflegten Drink führt über Desinfektionsflasche und Atemmaske © Christian Taaks

Abflachen der Kurve

Während Deutschland den Höhepunkt der Krise noch vor sich hat und seit vielen Tagen besorgniserregende Steigerungsraten der Neuinfektionen sieht, hat sich die Lage in Südkorea durch konsequentes Handeln von Regierung, Verwaltungen und Bevölkerung etwas entspannt. Trotzdem ist der Weg bis zum Sieg über die Coronaviren noch weit. Viel Hoffnung  gibt die Tatsache, dass die Zahl der Genesenen gegenüber der Zahl der nicht abgeschlossenen Fälle täglich wächst.

Geduld, liebe Landsleute

Zwar gehen sie teilweise anders damit um als Koreaner, aber Sorge und Verunsicherung sind auch bei den Deutschen in Korea vorhanden, und viele Fragen, wie es weitergeht. Die Deutsche Botschaft verschickt regelmäßig äußerst informationsreiche und sprachlich wohltuend elegant formulierte Mails an die Deutschen, die stets mit der Anrede „Liebe Landsleute“ beginnen und mit guten Wünschen enden. Neulich zum Beispiel: „Wir wünschen Ihnen in diesen turbulenten Zeiten eine Extraportion Geduld. (…) lassen Sie sich nicht durch unseriöse Berichterstattung in aufwühlende Sorgenspiralen verwickeln.“

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Dr. Christian Taaks ist Leiter des FNF-Büros Korea. Er lebt in Seoul.