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Parlamentswahl
Nordmazedonien hat gewählt – was nun?

Parlamentswahl in Nordmazedonien

Parlamentswahlen inmitten der Pandemie sind auf dem Balkan mittlerweile zur Gewohnheit geworden – nach Kroatien und Serbien mussten nun auch in Nordmazedonien die Bürger unter außerordentlichen Umständen an die Urnen. Beobachtern galt diese Wahl als die vielleicht wichtigste seit der Unabhängigkeit des Landes. Die Sozialdemokraten des ehemaligen Ministerpräsidenten Zaev konnten zwar mit einem hauchdünnen Vorsprung die Wahl für sich entscheiden – ob Zaev wieder Ministerpräsident wird und sein Land weiter in Richtung EU steuern kann, ist jedoch alles andere als ausgemacht.

„Der Fortschritt hat gewonnen“, sagte sichtlich erleichtert der 45-jährige Zaev in der Hauptstadt Skopje vor Anhängern seiner Partei. Der Chef der SDSM und frühere Ministerpräsident (2017-2020) versprach schnelle Reformen, um die Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union so schnell wie möglich zu beginnen und die aufgrund der Corona-Pandemie angeschlagene Volkswirtschaft anzukurbeln.

Wählen in Zeiten der Pandemie

Lediglich knapp mehr als die Hälfte (51%) der etwa 1,8 Millionen Wahlberechtigten haben von ihrem Recht auch tatsächlich Gebrauch gemacht. Bei den letzten Wahlen im Dezember 2016 betrug die Wahlbeteiligung noch 67%.

Auch wenn viele Maßnahmen zum Gesundheitsschutz getroffen wurden, hatte laut einer Umfrage mit 46% fast die Hälfte der Befragten ein mulmiges Gefühl bei diesen Wahlen. Kein Wunder, denn in den letzten Wochen hat die Zahl der Corona-Infizierten im Land rapide zugenommen. Mit mehr als 8.500 Infizierten und knapp 400 Toten hat Nordmazedonien die höchste Todesrate pro Kopf in der gesamten Region.

Auf Zaev warten lange und hartnäckige Verhandlungen

Der anfängliche Überschwang über die frohe Kunde wich angesichts der       schwierigen Koalitionsoptionen schnell der Ernüchterung. Auf Zaev und seine SDSM warten trotz des Wahlsiegs sehr lange und hartnäckige Verhandlungen, deren Ausgang ungewiss ist. Seine pro-europäische Allianz Mozheme („Wir können“), die noch vor den Wahlen zwischen der SDSM, der albanischen BESA, der Liberaldemokratischen Partei und einigen anderen Kleinparteien geschmiedet worden war, kommt nach vorläufigen Ergebnissen auf etwas mehr als 36% und 46 Sitze im insgesamt 120-Sitze zählenden Parlament. Die Liberaldemokratische Partei, gleichzeitig Stiftungspartner, wird zwei Abgeordnete beisteuern. Die Allianz verfehlt jedoch klar die absolute Mehrheit von 61 Sitzen.

Die Nationalisten wollen die Uhr zurückdrehen

Zaevs größter Konkurrent, die national-konservative VMRO-DPMNE von Spitzenkandidat Hristijan Mickoski, unterlag mit fast 35% und 44 Sitzen knapp. Der nationalpopulistische Mickoski machte mit seiner Wahlkampagne „Erneuerung für Mazedonien“ nationalistische Stimmung gegen das 2018 mit Griechenland geschlossene historische Prespa-Abkommen. Dieses Abkommen hatte den Weg des Landes zur transatlantischen Integration nach Jahren der Isolation überhaupt erst freigemacht. Nach Aufhebung der Blockade Athens wurde das Land in rascher Abfolge zunächst 30. NATO-Mitglied; Beitrittsgespräche mit der EU sollen bald beginnen.

Doch dieses Abkommen hatte auch seinen Preis: Mazedonien, das sich 1991 vom ehemaligen Jugoslawien loslöste, muss sich seit dessen Unterzeichnung „Nordmazedonien“ nennen. Viele Bürger sehen darin eine Schmach für das Land, und ein Politiker wie Mickoski lehnt das Präfix „Nord“ im neuen offiziellen Namen des Landes demonstrativ ab.

Nur wenige erwarten, dass Mickoski im Falle einer Regierungsbeteiligung das Prespa-Abkommen einfach außer Kraft setzen wird. Doch es wird befürchtet, dass die nur mühsam reparierten Beziehungen zu den Nachbarländern Griechenland und Bulgarien bei einer einseitigen Modifikation des Abkommens schweren Schaden nehmen könnten.

Die Albaner sind – wie fast immer – die Königsmacher

Mickoski lehnte im Wahlkampf auch die erweiterten Rechte für Albaner ab, die immerhin ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Nun steht er vor der Situation, dass er im Falle eines Regierungsauftrags auf die Albaner zugehen muss. Neben der einfachen Rechnung, dass er für die Mehrheitsbildung im Parlament auf die Stimmen der albanischen Parteien angewiesen ist, schreibt auch das Rahmenabkommen von Ohrid aus dem Jahre 2001 vor, dass immer mindestens eine albanische Partei in der Regierung vertreten sein muss. Zudem müssen Gesetze, die die albanische Volksgruppe betreffen, von mindestens 50% der albanischen Abgeordneten akzeptiert werden.

Zeit der politischen Ungewissheit noch lange nicht vorüber

Die Bürger Nordmazedoniens hatten sich erhofft, mit diesen Wahlen aus der politischen Krise herauszukommen, in der das Land seit der Blockadehaltung Macrons für die EU-Beitrittsgespräche steckt. Ob nun eine mehrheitsfähige Regierung entsteht, die die vielen Probleme und Herausforderungen anpacken kann, ist mehr als ungewiss. Bleibt nur die Hoffnung, dass das Land nicht vom europäischen Weg abkommt, denn, wie bekannt, haben neben der EU auch autoritäre Mächte wie Russland, China oder die Türkei strategische Interessen auf dem Balkan.

Wahlkampagne der pro-europäischen Mozheme (We can)
Wahlkampagne der pro-europäischen Mozheme (We can)