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Urbanisierung
Planwirtschaft und linke Regelwut machen unsere Städte hässlich

Immer mehr Menschen wollen in die Stadt. Doch die Städte machen es den Deutschen nicht einfach. Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger, Wohnraum zu finden.

Immer mehr Menschen wollen in die Stadt. Doch die Städte machen es den Deutschen nicht einfach, eine Wohnung zu finden.

© picture alliance / photothek.de | Thomas Trutschel

Dieser Artikel erschien erstmals am 26. August 2024 bei der WELT.

Am Anfang des Fortschritts steht meist die Stadt. Denn es waren oft die Städter, die die Pionierarbeit leisteten: Von den ersten zarten Blüten des Kapitalismus in Amsterdam, über den Kampf gegen die Sklaverei in London, bis zum Beginn der Queer-Rights Bewegung in New York City - unzählige Beispiele zeigen, wie Städter die Speerspitze des Fortschritts formten.

Auch in Deutschland zeugt der mittelalterliche Ausspruch „Stadtluft macht frei“ vom Freiheits- und Wohlstandsversprechen der Stadt – bis in die Gegenwart hinein.

Immer mehr Menschen wollen in die Stadt. Doch die Städte machen es den Deutschen nicht einfach. Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger, Wohnraum zu finden. Und wenn gebaut wird, trifft man nur auf eine Kakofonie aus weiß verputzten Fassaden, leeren Bürgersteigen, und verwaisten Plätzen.

Während die Politik der Misere mit immer mehr Planwirtschaft und bürokratischen Regeln begegnet, ist die Forschung schon längst weiter. Sie entdeckt den urbanen Liberalismus wieder. In einem neuen Gutachten für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zeigen wir anhand moderner Forschung, wie erst private Eigentumsrechte, ein zurückhaltender Staat und die Marktwirtschaft die günstige, reiche und schöne Stadt möglich macht.

Es war schon immer teurer in der Stadt zu leben. Doch seit Mitte des 20. Jahrhunderts beobachten wir eine nie dagewesene Preis-Rally. Inflationsbereinigt sind Wohnungen heute dreimal, Einfamilienhäuser viermal und Mehrfamilienhäuser gar sechsmal so teuer als noch in den 1960ern. Auch die Pandemie und der aktuelle Preisrückgang ändern nichts am historischen Aufwärtstrend.

Das Wohnangebot schafft es einfach nicht, die Wohnnachfrage einzuholen. 400.000 neue Wohnungen wollte die Fortschrittskoalition pro Jahr zu bauen. Doch statt mehr entstehen in Deutschland weniger Wohnungen. 2022 waren es nur rund 295.000 und ein Jahr später 249.000: weit entfernt vom nötigen Angebot.

Und dann ist das knappe Angebot auch noch ausgesprochen hässlich. Die modernen Europaviertel in Frankfurt, Stuttgart und Berlin stehen symptomatisch für die kalte, anonyme und lebensfeindliche Architektur des bundesrepublikanischen Bauens. In der Bevölkerung sind die Viertel verhasst. Sie entwickeln keine urbane Wärme und sind meist nur Durchlauferhitzer für Zugezogene, bevor sie in eine Wohnung im schöneren, historischen Viertel beziehen.

Der Grund für das ökonomische und ästhetische Versagen der deutschen Stadt? Der Städtebau verlässt sich zu sehr auf den Staat und zu wenig auf den Markt. Diese Idee entdeckt die moderne Forschung jetzt wieder.

Schon 1960 stellte die US-amerikanische Urbanistin Jane Jacobs in ihrem Klassiker „Death and Life of Great American Cities” am Beispiel New York City fest, dass es die Hybris zentraler Stadtplaner ist, die die Stadt für die einfachen Bürger oft zerstört. Der Staat sollte sich zurückhalten, weil seine Planer einfach nicht genug wissen. Sie wissen nicht genug, um zentral zu bestimmen, wo neue Straßen, Nachbarschaften oder Parkanlagen angelegt werden müssen. Als hätten sie Jacobs gelesen, verschmäht der Frankfurter Volksmund die große Verkehrsachse des zentral geplanten Frankfurter Europaviertels deshalb schon als „Stalinallee“.

Starke Eigentumsrechte helfen

Heute sind es führende Wissenschaftler wie Alain Bertaud von der New York University und italienische Urbanisten wie Stefano Cozzolino und Stefano Moroni, die die Relevanz des Marktes in der Stadt hervorheben. Weltweit zeigen sie, dass starke private Eigentumsrechte zu einer möglichst effizienten Verwendung knapper städtischer Flächen führen: Wohnungen werden kleiner, Gewerbeflächen in Wohnraum umgewidmet und Nachbarschaften gebaut, die sich durch einen Mix nützlicher sozialer Verwendungen auszeichnen und nicht durch die weltfremden Vorstellungen eines Stadtbausenators.

Besonders wichtig: die starken Eigentumsrechte helfen auch die verkrusteten politischen Stadtstrukturen aufzubrechen und mehr Dynamik zuzulassen. Mit ihnen ist urbane Veränderung nicht mehr abhängig von einem einzigen langsamen, undurchsichtigen politischen Prozess.

Stattdessen verteilen sich Eigentumsrechte auf eine bunte Vielfalt von Entscheidungsträgern. Unter ihnen: private Vermieter, Genossenschaften und Konzerne. Der marktwirtschaftliche Aushandlungsprozess zwischen ihnen schafft eine Graswurzeldynamik, die notwendig ist für eine schnelle, günstige und schöne Stadtentwicklung - ganz ohne von einem zentralen Planer abhängig zu sein.

Manchmal scheint es, als hätte nur die politische Linke Ideen, für eine günstige, wohlhabende und schöne Stadt. Das wird zum Problem für alle Städter. Denn monotone Planwirtschaft und linke Regelwut macht unsere Städte zu ärmeren, teureren und hässlicheren Orten. Umso wichtiger, die moderne Forschung hochzuhalten. Und die sagt: Der Markt regelt das.

 

Justus Enninga ist Redakteur bei „The Pioneer“ und „Direktor Hekaton Cities“ beim Thinktank „Prometheus“.