50. Todestag Karl-Hermann Flach
Reformer und Erneuerer des Liberalismus
50 Jahre nach seinem Tod ist Karl-Hermann Flach weitgehend unbekannt. Zu Unrecht, denn Flach war einer der wichtigsten Vordenker und Reformer der Freien Demokratischen Partei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine publizistischen und programmatischen Gedanken über den Liberalismus waren wegweisend und können es noch heute sein. Insofern lohnt es sich, an ihn und sein von engagiertem Liberalismus zeugendes Lebenswerk zu erinnern.
Liberale Anfänge in Mecklenburg und Flucht nach West-Berlin
Flach, Jahrgang 1929, war gebürtig aus Königsberg in Ostpreußen, floh dann im Zweiten Weltkrieg zunächst nach Rostock. Bereits hier wurde er Mitglied und bald Pressereferent der mecklenburgischen Liberal-Demokratischen Partei (LDP) und zugleich eine Art Chefredakteur der Norddeutschen Zeitung. Diese doppelte Begabung von Politik und Journalismus begleitete ihn lebenslang, manchmal sogar parallel.
Flach geriet Ende der 1940er Jahre ins Fadenkreuz der ostdeutschen Behörden, weil er in einem Artikel festgestellt hatte, dass der moderne Liberalismus „fortschrittlicher als Marx“ sei. „Freiheit, Recht und Ordnung [seien] keine fernen Ideale, sondern Selbstverständlichkeiten“. Flach zählte damals zum Kreis um den Jurastudenten Arno Esch, der später verhaftet, in die Sowjetunion verschleppt und dort ermordet wurde. Als einer von drei Jugendvertretern wurde Flach auf dem Landesparteitag Ende April 1949 in den Landesvorstand der LDP Mecklenburg berufen. Doch die Zumutungen der Behörden wurden nun immer deutlicher sichtbar. Flach wurde beobachtet und am Abend seines Geburtstages wurde seine Wohnung durchsucht. Ende Oktober blieb ihm keine Wahl als mit mehreren Freunden nach West-Berlin zu fliehen, um einer bevorstehenden Verhaftung zu entgehen. Hier trat er dann unmittelbar den Deutschen Jungdemokraten bei.
Liberale Erfahrungen als Student und Berufseinstieg
Obwohl Flach wegen des Krieges kein Abitur hatte ablegen können, wurde er zum Studium an der Deutschen Hochschule für Politik zugelassen und zählte zu den Mitgründern des Liberalen Studentenbunds Deutschland (LSD), deren Fraktionsvorsitzender im Studentenparlament er 1953 wurde, bevor er noch im selben Jahr sein Studium der Politikwissenschaft mit dem Diplom abschloss.
1954 war dann ein Jahr der Weichenstellung für Flach, denn zum einen heiratete er und zum anderen nahm er eine berufliche Tätigkeit als Redakteur bei einem der FDP nahestehenden Pressedienst an, der in Frankfurt am Main und Bonn angesiedelt war. Zwischen diesen beiden Orten – genauer zwischen Bad Godesberg und Bad Homburg – pendelte Flach in den nächsten zwanzig Jahre seines Lebens.
Aufstieg in der Partei zum Bundesgeschäftsführer
Seit 1956 wirkte Flach als Pressereferent in der Bundesgeschäftsstelle der FDP, in der er auch den u.a. von Walter Scheel und Wolfgang Döring in Nordrhein-Westfalen herbeigeführten Regierungswechsel von der CDU zur SPD miterlebte. Beide Politiker waren für ihn auch später wegweisend. Mit Döring als Wahlkampfleiter bestritt Flach die Bundestagswahl 1957; zuvor hatte er bereits am ersten bundesweiten Parteiprogramm der Liberalen mitgewirkt. „Ich habe Döring mit liberalen Grundsätzen befreundet, er mich pragmatisch getrimmt“, stellte Flach im Rückblick fest. Flach bewährte sich als intellektueller, scharfzüngiger, aber dennoch auch sympathischer Vordenker. So wurde er zunächst Leiter der Politischen Abteilung und 1959 schließlich Bundesgeschäftsführer. Dieses Amt nahm er bis 1962 wahr, als es zum Zerwürfnis mit dem damaligen Parteivorsitzenden Erich Mende um den weiteren Kurs der FDP in einer Koalition mit der CDU/CSU kam. Flach war schon seit Mitte der 1950er Jahre Anhänger einer eigenständigeren Rolle der FDP, die als „dritte Kraft“ in der Lage sein solle, mit allen Parteien und damit auch mit der SPD zu koalieren. Das passte nicht mit den nationalliberalen Vorstellungen Mendes zusammen.
Beruflicher Wechsel in den Journalismus
Flach verließ die aktive Politik und wendete sich nun dem Journalismus zu. Aber als politischer Publizist in der Redaktion der Frankfurter Rundschau blieb er dem Liberalismus nach wie vor treu. Zunächst wirkte er als Ressortleiter Innenpolitik, dann stellvertretender Chefredakteur und schließlich Geschäftsführer des Blattes. Und er nahm sich stets Veränderungen vor, kreierte seinen eigenen sozial-liberalen Reformkurs: „Wir werden in der Bundesrepublik noch einmal aufbauen müssen. Die bisherige Fassade war innen hohl“, schrieb er 1962. „Mitregieren kann kein Ziel an sich sein.“
Flach setzte sich zeitlebens für Pressefreiheit ein, die er als „treuhänderisch wahrgenommene Bürgerfreiheit“ definierte. Journalismus müsse meinungsstark und zielorientiert agieren, müsse sich politisch einmischen und Anregungen geben. Die meinungsbildende Kraft der Presse sei im besten Sinne des Wortes „staatserhaltend“, indem sie die Weiterentwicklung der liberalen Demokratie fördere. Flach wurde als Journalist vielfach geehrt: mit dem Theodor-Wolff-Preis 1964 und mit dem Deutschen Journalistenpreis 1968.
Neben seinem Job bei der Frankfurter Rundschau prägte Flach noch ein anderes Blatt. Denn 1959 gehörte er zu den Mitgründern der Zeitschrift „liberal“. Hier zählte er nicht nur zu den Herausgebern, sondern auch zu den aktivsten Autoren. Mit Rolf Schroers, Peter Menke-Glückert und Hans-Wolfgang Rubin bildete er die Gruppe der „Demokratischen Aktion“. Diese Gruppe wurde mit Walter Scheel als Bundesvorsitzenden seit 1968 die treibende Kraft für die Bildung der sozialliberalen Koalition im Herbst 1969.
Flach als liberaler Programmatiker
Flachs Credo einer demokratischen und liberalen Gesellschaftsreform mündete in zahlreichen Artikeln und einigen selbstständigen Schriften über „Macht und Elend der Presse“ (1967) und das „1x1 der Politik“. Aber das berühmteste Werk wurde die Streitschrift „Noch eine Chance für die Liberalen“. Auf ziemlich genau 100 Seiten entfaltete Flach in dieser bald „Grüne Bibel“ genannten Schrift den liberalen Kosmos aus Bürgerrechten, Mitbestimmung und Mitbeteiligung. „Liberalismus heißt Einsatz für größtmögliche Freiheit des einzelnen Menschen und Wahrung der menschlichen Würde in jeder gegebenen oder sich verändernden gesellschaftlichen Situation.“ Flach beschäftigte sich mit Bildungsfragen ebenso wie mit der Eigentums- und Vermögensverteilung. Ebenso spektakulär war seine Kapitalismuskritik. Er laste wie eine Hypothek auf den Liberalen. Die Befreiung des Liberalismus aus seiner Klassengebundenheit sei Voraussetzung der Zukunft des Liberalismus. Dafür müsse die „ständig zunehmende Ungleichheit gestoppt und allmählich umgekehrt werden“. Dabei verteidigte Flach sehr wohl auch Marktwirtschaft, Wettbewerb und Leistungsorientierung, aber sozial begleitet müssten sie umgesetzt werden.
Die Wahl zum ersten Generalsekretär der FDP 1971
Flachs Programm, seine Streitschrift mit dem provokanten Titel, erschien im Januar 1971 und bildete die „Begleitmusik“ für die zeitgleich diskutierten Freiburger Thesen, die im Oktober auf dem Bundesparteitag in Südbaden verabschiedet wurden. Auf diesem Parteitag schlug der Vorsitzende Walter Scheel Flach zum Generalsekretär vor und dieser „meldete sich aus der Reserve in den aktiven Dienst der F.D.P. zurück“. Mit überwältigender Mehrheit wurde er gewählt und gab im Anschluss dann mit Scheel und dem intellektuellen Spiritus rector Werner Maihofer die Freiburger Thesen als Taschenbuch heraus – mit über 100.000 verkauften Exemplaren ein grandioser Bucherfolg.
Als Politiker hatte Flach lange Zeit im Hintergrund gewirkt, nun gelangte er ins Rampenlicht. Als erster Generalsekretär der Partei seit Oktober 1971 und nach dem Wahlerfolg der FDP mit 8,4 Prozent als Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender seit November 1972. Neben den drei Bundesministern der FDP war er zum „bekanntesten liberalen Markenartikel“ aufgestiegen.
Die Partei war zu reorganisieren und das Programm umzusetzen. Notwendig, so schrieb Flach, sei „eine klare Abgrenzung des sozialen Liberalismus vom demokratischen Sozialismus.“ Viel Zeit blieb dafür nun allerdings nicht mehr. Denn der seit Jahrzehnten an Tuberkulose erkrankte Flach starb am 25. Oktober 1973 – vor 50 Jahren. Beigesetzt wurde er in Bötzingen am Kaiserstuhl unweit von Freiburg, dem Ort seines größten politischen Erfolges.
Ein liberales Vermächtnis
An Karl-Hermann Flach, der jahrelang Beirats- und Kuratoriumsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung war, erinnert heute die Karl-Hermann-Flach-Stiftung als liberale Landesstiftung in Hessen, die auch einen nach ihm benannten Preis vergibt.
Flach war einer der markantesten Wegbereiter der sozialliberalen Koalition, journalistisch und politisch. Die Aufgabe der FDP sah er darin, „gegenüber dem sturen Beharren auf dem Gegebenen und der sozialistischen Verheißung den dritten Weg der liberalen Gesellschaftsreform durchzusetzen.“ Als ein später Erbe Friedrich Naumanns schwebte ihm eine „liberale Volkspartei“ vor. Flachs Vision ist in den Bereichen der Sozial-, Gesellschafts-, aber auch der Umweltpolitik zugleich ein liberales Vermächtnis.