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Sri Lanka investiert in seine Zukunft

70 Jahre nach der Unabhängigkeit reformiert die Regierung Teile des Bildungssystems
Sri Lanka investiert in seine Zukunft
Eine Richtlinie aus dem Jahr 1945 besagt, dass jedes Kind zwischen fünf und sechzehn Jahren Anspruch auf kostenlose Bildung hat. © RIBI Image Library / CC BY-SA 2.0 Flickr

Sri Lankas Regierungen sind seit Jahrzehnten Verfechter kostenfreier Bildung. Ein Modell, das geboren wurde bevor Ceylon – wie Sri Lanka damals hieß – seine Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft im Februar 1948 erlangte. Siebzig Jahre später lohnt es sich, eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Die politisch Verantwortlichen verfolgten stets das Interesse, in den Bildungssektor zu investieren. Hintergrund war und ist das Verständnis, dass ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum nur möglich ist, wenn Arbeitskräfte gut ausgebildet und qualifiziert sind. Auch heute räumt die Regierung Sri Lankas Bildungsfragen eine hohe Priorität ein, was durch den Haushalt für 2018 deutlich wird.

Doch zunächst ein Blick zurück: Bereits 1943 ergriff der damalige Bildungsminister C.W.W. Kannangara die Initiative, um ein kostenfreies Bildungssystem im Land zu etablieren und brachte einen Gesetzesentwurf in den Staatsrat ein. Mehr als zwei Jahre später setzte die Regierung eine entsprechende Richtlinie in Kraft, die besagt, dass jedes Kind zwischen fünf und sechzehn Jahren Anspruch auf kostenlose Bildung hat. Seit 1978 ist mit dem Artikel 27 der Richtlinien zur Staatspolitik “die vollständige Beseitigung des Analphabetismus und die Zusicherung des Rechtes auf universellen und gleichberechtigten Zugang zu Bildung auf allen Ebenen für jede Person” festgeschrieben.

Allerdings war damit das Recht auf Bildung nicht explizit als Grundrecht verankert, da Artikel 29 der Verfassung vorsieht, dass Richtlinien für die Staatspolitik keine gesetzlichen Rechte oder Pflichten begründen und deshalb vor Gericht nicht durchsetzbar wären. Das änderte sich 2007. In einem wegweisenden Urteil stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass in Ermangelung des Rechts auf Bildung als direktes Grundrecht, Artikel 12 der Verfassung „Grundrecht auf Gleichheit“ herangezogen werden müsse, um ein abgeleitetes Grundrecht auf Bildung zu schaffen.

Ungeachtet dessen schöpft das Land sein Potenzial im Bereich der frühkindlichen Entwicklung bei weitem noch nicht aus. Lediglich 50 Prozent der Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren haben Zugang zu einer Vorschule, wobei es ein starkes Gefälle zwischen Stadt und Land sowie zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten gibt.

Im Grund- und Sekundarbereich ist die Situation ausgeglichener: Gegenwärtig verfügen rund 96 Prozent der Bürger Sri Lankas über einen Grundschulabschluss, 87 Prozent beendeten die Sekundarschulbildung. Der Anteil von Jungen und Mädchen ist dabei annähernd gleich. Im Vergleich zu den südasiatischen Nachbarn – wo Kinder durchschnittlich sechs Jahre in die Schule gehen – verfügen sri-lankische Schülerinnen und Schüler nach zehn Schuljahren über einen höheren Bildungsstand. Somit hat das Land die für die Region festgelegten Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen im Bildungsbereich übertroffen.

Anders sieht es jedoch im Bereich der weiterführenden Schulen aus. Von den rund 450.000 Absolventen jährlich können sich – aufgrund der sehr begrenzten Kapazitäten –lediglich 20 Prozent an einer Hochschule einschreiben, nur etwa 30 Prozent haben die Chance auf eine berufliche Aus- und Weiterbildung. Die übrigen 50 Prozent beenden ihren Bildungsweg nach dem (Fach-)Abitur. Das heißt, der Vorsprung, den Sri Lanka im Vergleich zu den anderen Ländern Südasiens auf der Ebene der Sekundarstufe erreicht hat, geht auf der Ebene der Hochschulbildung wieder verloren. Das Land ist im Laufe der Jahrzehnte in diesem Bereich deutlich zurückgefallen.

Noch im Jahr 1960 entsprach der Anteil der sri-lankischen Staatsangehörigen im Alter von 15 Jahren oder älter mit Sekundarschulbildung etwa dem Malaysias und lag sogar höher als in Südkorea. Der Anteil der Bevölkerung mit Hochschulabschluss war ähnlich. Fünfzig Jahre später war die Abschlussquote im Hochschulbereich in Sri Lanka deutlich niedriger als in Malaysia und Südkorea, da beide Länder stark in berufliche  Aus- und Weiterbildung sowie Hochschulbildung investiert hatten.

Sri Lanka investiert in seine Zukunft
Dank der steigenden Investitionen kann an einigen Schulen digitales Lehrmaterlial zur Verfügung gestellt werden. © Danishka Navin/ CC BY-SA 2.0 Flickr

Im Bewusstsein dieses Defizits hat die Regierung 2018 ihr Investitionen im Bildungsbereich und damit in die Zukunft des Landes massiv erhöht. Der neue Schwerpunkt liegt auf einer 13-jährigen Ausbildung mit dem besonderen Fokus auf beruflicher Ausbildung und Kompetenzerwerb. Die Regierung Sri Lankas verspricht, in den Aufbau von Forschungseinrichtungen und Standardisierung zu investieren, um marktorientierte Ausbildungsprogramme von hoher Qualität zu schaffen, u.a. durch neue Berufsbildungseinrichtungen.

Ob das Programm zum erhofften Erfolg führt, werden die kommenden Jahre zeigen. Alle wichtigen Parteien Sri Lankas betonen die Bedeutung einer Weiterentwicklung und Liberalisierung des Bildungssektors im Land. Wenn dies konsequent verfolgt würde, könnte zukünftig eine höhere Anzahl Studierender ausgebildet werden. Das hieße, Familien wären nicht länger auf teure ausländische Bildungsprogramme für ihre Kinder angewiesen, die bislang als Ersatz dienen. Das Recht auf Bildung ist eine der größten Errungenschaften einer Demokratie. Es muss sich jedoch an der Qualität sowie der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der Bildungsangebote messen lassen.

Anithra Varia ist Programme Executive im Büro Colombo, Sri Lanka, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Niome Hüneke-Brown ist Finanz-Trainee im Büro Neu Delhi, Indien, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.