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Warum braucht es mehr Tempo beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur?

Verkehrsinfrastruktur

Warum ist eine Prozessbeschleunigung gerade bei Projekten der Verkehrsinfrastruktur so wichtig?

© picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Was gehört zur Infrastruktur eines Landes?

Die Infrastruktur eines Landes umfasst grundsätzlich alles, was für die Aufrechterhaltung und Entwicklung einer Volkswirtschaft unerlässlich ist. Wir alle haben bei diesem Begriff insbesondere die materielle Infrastruktur vor Augen – hierzu gehören Gebäude, Energieanlagen, Straßen, Brücken und vieles mehr. Ohne diese materielle Infrastruktur könnten keine Güter produziert und keine Waren transportiert werden. Doch darüber hinaus existieren auch Formen von Infrastruktur, die nicht physisch greifbar sind. Die institutionelle Infrastruktur eines Landes stellt beispielsweise sicher, dass innerhalb eines Staates bestimmte Regeln und Verfahrensweisen eingehalten werden. Die personelle Infrastruktur umfasst insbesondere das Bildungsniveau und die produktiven Fähigkeiten der verfügbaren Arbeitskräfte.

Was ist Verkehrsinfrastruktur – und welches Ausmaß hat sie in Deutschland?

Die Verkehrsinfrastruktur umfasst das gesamte Verkehrswesen – also Straßen, Schienen, Brücken, Bahnhöfe, etc. Das Ausmaß der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland ist beachtlich: Das Straßennetz hat eine Gesamtlänge von rund 229.700 Kilometern. Die Gesamtlänge des Schienennetzes beläuft sich aktuell auf etwa 38.400 Kilometer, die Gesamtlänge der Bundeswasserstraßen auf 7.300 Kilometer. Zusätzlich existieren in Deutschland 37 Verkehrsflughäfen sowie 5.691 Personenbahnhöfe. Das geschätzte Bruttoanlagevermögen der gesamten Verkehrsinfrastruktur in Deutschland betrug zuletzt mehr als 1,2 Billionen Euro.

Welche Bedeutung hat die Verkehrsinfrastruktur für die individuelle Mobilität?

Mobilität ist Freiheit – und die gibt es nur mit einer gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur. Nur wenn wir mobil sind, können wir am Sozialleben teilhaben, unsere Grundversorgung sichern oder zum Arbeitsplatz gelangen. Unser Bedürfnis nach Mobilität ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Im Zeitraum zwischen 1991 und 2019 hat sich das Personenverkehrsaufkommen um etwa 34 Prozent erhöht. Der Straßeninfrastruktur kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, da sie rund 85 Prozent des motorisierten Verkehrsaufkommens aufnimmt.

Welche Bedeutung hat die Verkehrsinfrastruktur für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Als führende Wirtschafts- und Handelsnation im Herzen Europas ist Deutschland im besonderen Maße auf eine hochwertige Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Im Jahr 2021 betrug der Wert der Exporte aus Deutschland über 1,3 Billionen Euro, der Wert der Importe rund 1,2 Billionen Euro. Seit dem Jahr 2000 haben sich sowohl die Exporte als auch die Importe mehr als verdoppelt. Deutschlands Wirtschaftswachstum und das stetig steigende Handelsvolumen haben in den vergangenen Jahren zwangsläufig zu einem steigenden Güterverkehrsaufwand geführt. Im Zeitraum zwischen 1991 und 2019 nahm die Belastung durch den Güterverkehr um über 75 Prozent zu, im Bereich des Straßengüterverkehrs hat sich der Verkehrsaufwand sogar mehr als verdoppelt.

Wie steht es um die Qualität der Verkehrsinfrastruktur?

Der aktuelle Zustand der deutschen Verkehrsinfrastruktur ist bedenklich. Im internationalen Vergleich der Straßenqualität liegt Deutschland lediglich auf Platz 22 und damit deutlich hinter Nachbarländern wie Niederlande, Österreich, Dänemark oder Frankreich zurück. 80 Prozent der deutschen Unternehmen sehen ihre Geschäftsabläufe durch die marode Infrastruktur in Deutschland gefährdet. Der Zustand der Straßeninfrastruktur wird dabei besonders kritisch gesehen. Insbesondere Stau ist ein wichtiger Indikator für die Überlastung der Verkehrsinfrastruktur. Im Jahr 2022 gab es rund 474.000 Staus auf deutschen Fernstraßen, die zusammengerechnete Staulänge betrug etwa 733.000 Kilometer. Nicht nur auf der Autobahn, sondern auch in den deutschen Städten stehen die Menschen im Stau. Im Jahr 2022 traf es München besonders hart. In der bayerischen Landeshauptstadt stand ein Autofahrer über das gesamte Jahr durchschnittlich 74 Stunden – und damit mehr als drei volle Tage – im Stau.

Wie ist es hierzu gekommen?

Ein Kernproblem bei der Bereitstellung einer zeitgemäßen Verkehrsinfrastruktur in Deutschland sind die besonders langwierigen und bürokratischen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Diese verzögern die Geschwindigkeit des Infrastrukturausbaus erheblich und gefährden die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung. Unser Policy Paper „Internationale Verkehrsinfrastruktur“ zeigt, dass diese Verfahren in anderen europäischen Ländern deutlich effizienter und dadurch auch schneller durchlaufen werden.

Warum braucht es schnelle Genehmigungsverfahren im Bereich der Verkehrsinfrastruktur?

Der Bau des ersten LNG-Terminals in Deutschlands zeigt, dass auch in Deutschland schnellere Verfahren möglich sind. Die Fertigstellung des Terminals in Wilhelmshaven wurde in weniger als einem Jahr realisiert. Dieses Tempo muss Vorbild für andere Projekte sein: beim Glasfaserausbau, beim Ausbau erneuerbarer Energien und ohne Zweifel auch beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.

Die Menschen in Deutschland sind ganz zentral auf den Zustand der Straßen hierzulande angewiesen. Schon jetzt sind die Geschäftsabläufe deutscher Unternehmen massiv von einer maroden Straßeninfrastruktur beeinträchtigt. Schon jetzt stehen die Menschen jedes Jahr stundenlang im Stau. Wir sollten nicht erwarten, dass unsere Straßeninfrastruktur in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Ganz im Gegenteil: Bis zum Jahr 2030 sollen 15 Millionen vollelektrische Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Wo sollen die klimafreundlichen Autos der Zukunft denn sonst fahren?

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Staat seine ambitionierten Klimaschutzziele erreicht und gleichzeitig bestmögliche und saubere Mobilität ermöglicht. Eine Einschränkung unserer Mobilität ist keine gangbare Alternative. Ganz im Gegenteil: Das eine geht nicht ohne dem anderen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen wir den Weg für die sauberen Verkehrsmittel der Zukunft ebnen.

Mit dem Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich hat das Bundesministerium der Justiz den ersten wichtigen Baustein geliefert. Nun ist es Zeit für weitere Schritte. Projekte zur Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur müssen Priorität genießen.  Zudem braucht es eine konsequente Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Beseitigung unnötiger Doppelprüfungen.