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Wie Thailands Zivilgesellschaft digital gegen Covid-19 kämpft

Nicht nur Taiwan und Südkorea haben kreative Lösungen zur Eindämmung des Virus entwickelt. In Thailand haben Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung innovative Projekte gestartet.
Smartphone-Nutzerin in Bangkok
Smartphone-Nutzerin in Bangkok © picture alliance

Thailands soziale Netzwerke sind voller Falschnachrichten bezüglich Covid-19: "Vegetarier und Veganer können sich nicht infizieren", heißt es da. Oder auch: "China hat einen Schnelltest entwickelt, der nur 15 Minuten dauert und eine Treffsicherheit von 99 Prozent hat."

Viele der Meldungen klingen absurd. Dennoch verbreiten sie sich in Thailands sozialen Netzwerken und Messengerdiensten rasant schnell. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht bereits von einer globalen "Infodemie" mit gravierenden Folgen. Weil die Krankheit nur mit Hilfe der Bevölkerung eingedämmt werden kann, verhindern Falschnachrichten eine effektive Bekämpfung der Krankheit.

Doch es gibt eine Gegenbewegung. In Thailand haben sich Medien, soziale Unternehmen und Freiwillige zusammengetan, um das Informationschaos zu beenden - auch mit der Unterstützung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Die digitalen Initiativen klären nicht nur die Bevölkerung auf. Sie sammeln sogar anonyme Gesundheits-Informationen und leiten diese an die Behörden weiter. Die vielen Projekte zeigen, dass nicht nur typische Vorreiter wie Südkorea und Singapur innovative Wege bei der Krisenbekämpfung gehen. Auch auf Schwellenländer wie Thailand lohnt sich ein Blick.

Beispiel Falschnachrichten: Mit dem vor zwei Wochen gestarteten Chatbot "Cofact" können Nutzer über Messengerdienste erhaltene Nachrichten überprüfen lassen. Sie leiten die Nachricht einfach an den Chatbot weiter, der greift dann auf eine Fake-News-Datenbank zurück und teilt den Nutzern mit, ob die Nachricht richtig oder falsch ist.

Gespeist wird die Datenbank von Studenten der Maejo Universität Chiang Mai. Aber auch professionelle Journalisten prüfen die Fakten, unter anderem vom medizinischen Fachmagazin HFocus. Künftig soll Cofact auch gesellschaftliche und politische Nachrichten checken. Angesichts der Krise konzentrieren sich die Teams derzeit jedoch vor allem auf Falschmeldungen rund um die Pandemie. Schon jetzt haben die Faktenprüfer rund 120 falsche Meldungen rund um das Thema Covid-19 identifiziert. Täglich kommen bis zu zehn hinzu.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit unterstützt den Aufbau der Plattform. Die Beteiligten haben im vergangenen Jahr auf einer von der Stiftung organisierten Konferenz zum Thema Desinformation zusammengefunden. Darunter sind mehrere Universitäten, Medien sowie der öffentlich-rechtliche "Thai Media Fund" zur Förderung von Medienkompetenz.

"Wir sind zur zentralen Anlaufstelle geworden, wenn es darum geht, Experten und Interessierte zum Thema Desinformation zusammenzubringen", sagt Pimrapaat Dusadeeisariyakul, Programm-Managerin der FNF in Thailand. Der Chatbot basiert auf einem ursprünglich in Taiwan entwickelten Programm, das vom thailändischen FNF-Partner Change Fusion, einem Sozialunternehmen, übersetzt wurde.

Das zivilgesellschaftliche Projekt Cofact ist dabei auch eine Balance zu einem umstrittenen "Anti-Fake-News-Center" der Regierung. Kritiker befürchten, dass Center könnte dazu missbraucht werden, Regierungskritik als Fake News zu diskreditieren. Insbesondere in Krisenzeiten gilt es, wachsam zu sein. Regierungschef Prayuth Chan-ocha hat in Thailand den Ausnahmezustand ausgerufen. Das verleiht ihm unter anderem die Macht, Medien noch stärker kontrollieren zu können.

Wegen der Pandemie ist der Alltag in Thailand bereits stark eingeschränkt. Das Virus breitet sich langsam aber kontinuierlich aus. Zwar haben die Behörden bisher weniger als 2.000 Fälle registriert. Experten rechnen aber mit einer hohen Dunkelziffer, weil die Testkapazitäten des Landes begrenzt sind. In dem Land mit fast 70 Millionen Einwohnern werden pro Tag weniger als 1.000 Personen getestet. In Deutschland sind es mehrere Zehntausende pro Tag.

Kreative Lösungen aus der Zivilgesellschaft sind da dringend nötig. Helfen könnte beispielsweise das Projekt Sabaidee, das vom langjährigen FNF-Kooperationspartnern Open Dream initiiert wurde. Nutzer können über das Smartphone ihren Gesundheitszustand und mögliche Symptome abspeichern. Das Programm leitet die Daten dann anonymisiert an die thailändische Seuchenschutzbehörde weiter. Sobald die Datenbasis noch dichter ist, soll ein Algorithmus auswerten und abbilden, wo möglicherweise eine neuer Corona-Hotspot kommt.

Schon jetzt machen mehr als 30.000 Nutzer bei dem Projekt mit. Sie helfen so nicht nur der Allgemeinheit, sondern profitieren auch selbst. Das System teilt ihnen mit, falls aufgrund eingegebener Symptome ein Test ratsam wäre und wo sich testen lassen könnten. Außerdem erhalten sie eine Warnung, wenn ein massiver Ausbruch in der Nähe stattgefunden hat.

Die Thailänder haben sogar die Möglichkeit, die Fallzahlentwicklung in ihrer direkten Nachbarschaft zu verfolgen - auch hierfür ist eine private Initiative verantwortlich. Das Softwareunternehmen 5Lab hat eine digitale Karte gebastelt, in die es jeden neuen Fall einträgt. Die Daten für seinen "Covid Tracker" bezieht das Unternehmen vom Gesundheitsministerium. Lokale Initiativen, darunter der FNF-Partner Digital4Peace, bieten ähnliche Karten auf lokaler Ebene an.

Das Interesse an diesen Angeboten ist enorm. Zu den Höhepunkten haben laut dem 5Lab 50.000 Menschen pro Minute auf den "Covid Tracker" zugegriffen. Die Zahl zeigt, wie groß die Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung ist. Die digitalen Lösungen sollen Transparenz schaffen, hofft 5Lab-Gründerin Ramida "Jennie" Juengpaisal in einem Interview mit der lokalen Presse: "Zu viel Panik bereitet uns nur Probleme."

 

Frederic Spohr ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für Thailand und Myanmar, mit Sitz in Bangkok.