Regierungswechsel in Tschechien
Die Verfassung als Garant der Umsetzung des Wahlergebnisses
Doch von vorn: Obwohl die fünf künftigen Regierungsparteien schon einen Monat nach den Wahlen den Koalitionsvertrag unterzeichneten, war der Weg zur Ernennung der neuen Regierung alles andere als einfach. Bei den Parlamentswahlen am 8. und 9. Oktober hatte das Mitte-Rechts-Bündnis SPOLU („Gemeinsam“) mit Spitzenkandidat Petr Fiala knapp die Regierungspartei ANO von Andrej Babiš geschlagen. Unmittelbar nach der Stimmenauszählung veröffentlichten SPOLU und das zweite Oppositionsbündnis aus der Piratenpartei und STAN (Bürgermeister und Unabhängige) ein Memorandum, in dem sich alle fünf Parteien darauf verständigten, keine Regierung mit anderen politischen Einheiten zu bilden. So war schnell klar, dass keine anderen Parteien eine Regierung bilden konnten.
Verzögerter Auftrag zur Regierungsbildung
Trotzdem traf am 10. Oktober der tschechische Präsident zunächst mit Andrej Babiš zusammen. Babiš erklärte daraufhin wiederholt, dass Zeman ihn mit der Regierungsbildung beauftragen wolle. Die Wahlbündnisse seien nach Meinung von Zeman ein Betrugsmanöver der Opposition und die regierende Partei ANO nach Lesart des Präsidenten aufgrund der Anzahl der gewonnenen Mandate pro Partei klarer Wahlsieger. Unmittelbar nach dem Treffen erkrankte Zeman schwer und wurde ins Krankenhaus verbracht, und das Präsidialamt wollte sich nicht dazu äußern, ob sein Gesundheitszustand es ihm erlauben würde, sein Amt auszuüben. Lange Zeit blieb es ein Rätsel, wann und ob der Präsident einen Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen würde oder könnte.
Zudem schöpfte der Präsident die ihm von der Verfassung zugestandene Höchstfrist von dreißig Tagen für die Einberufung der konstituierenden Sitzung des Parlaments aus. In der Praxis bedeutete dies, dass er Babiš länger an der Macht hielt, denn erst nach der konstituierenden Sitzung tritt die scheidende Regierung zurück. Der Ministerpräsident in spe Fiala seinerseits überlies jedoch nichts dem Schicksal und arbeitete zügig und intensiv mit den anderen Parteien an dem Regierungsprogramm.
Am 8. November unterzeichneten die Bündnisse den Koalitionsvertrag. Zu diesem Zeitpunkt lag Präsident Zeman noch im Krankenhaus, doch am 9. November beauftragte er Fiala mit der Regierungsbildung. Am 28. November ernannte er ihn dann schließlich zum Ministerpräsidenten. Die Ernennung des Ministerpräsidenten bedeutete jedoch nicht, dass die neue Regierung im Amt war; zunächst musste der Präsident auch vorgeschlagenen Minister ernennen und vorerst blieb die scheidende Regierung an der Macht. Fiala hatte die Ministerkandidaten bereits Mitte November vorgestellt, doch wollte Zeman mit jedem von ihnen einzeln sprechen, obwohl die tschechische Verfassung keinen solchen Vorgang vorsieht. Und er machte ganz deutlich, dass er mit der Nominierung des Außenministers Jan Lipavský (Piraten) nicht zufrieden war.
Kritiker des russischen und chinesischen Einflusses
Bei der Hauptkritik an Lipavský war Zemans Doppelmoral unübersehbar. Während Lipavskýs Bachelor-Abschluss für ihn nicht ausreichend zu sein schien, störte es ihn beim Innenminister der scheidenden Regierung Jan Hamáček (ČSSD) nicht, dass dieser lediglich einen Abiturabschluss besitzt. Entscheidend war daher wohl eher, dass Lipavský, im Gegensatz zu Zeman, ein Kritiker des russischen und chinesischen Einflusses in Tschechien ist, und bspw. die Verlegung der tschechischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem ablehnt.
Fiala war lange Zeit dem intensiven Druck Zemans ausgesetzt, Lipavský nicht zum Außenminister zu ernennen. Die Verfassung besagt jedoch eindeutig, dass der Präsident nicht berechtigt ist, sich in die Auswahl von Ministern einzumischen, wie Zeman selbst wohl weiß, wie ein altes Zitat belegt:
„Ich stütze mich dabei auf Artikel 68 der Verfassung, die für alle gilt, und dieser Artikel besagt eindeutig, dass der Präsident die Mitglieder des Kabinetts auf Anraten des Ministerpräsidenten ernennt. Wenn ich also diesen Artikel 68 der Verfassung zitiere, zeigt er deutlich, dass wir hier nicht fragen können, wer wen mag und wer wen nicht mag. Stellen Sie sich vor, es gäbe eine Koalition (...) und die Koalitionspartner hätten sich darauf geeinigt, dass dieser und jener Minister wird. Wie würden die Koalitionspartner dann dastehen, wenn jemand diese Minister überprüfen würde. Und was das personelle Veto betrifft, so denke ich, dass dies gegen den zitierten Artikel 68 verstoßen würde,“ sagte Zeman 1998 in der politischen Talkshow Sedmička (7 Tage).
Ende gut, alles gut?
Fiala bestand auf die Einhaltung der Verfassung und drohte Zeman damit, eine Kompetenz-Klage gegen den Präsidenten beim Verfassungsgerichtshof einzureichen. Zeman gab schließlich nach, so dass am 17. Dezember die neue Regierung ins Amt eintritt. Insgesamt hielt der Präsident den scheidenden Ministerpräsidenten Andrej Babiš, der wegen Subventionsbetrugs und Steuerflucht strafrechtlich verfolgt wird, nach den Wahlen mehr als zwei Monate lang im Amt.
Die neue Regierung wird 18 Minister haben, wobei u. a. das Ministerium für Regionale Entwicklung um den Bereich Digitalisierung erweitert wird und die Stelle des Ministers für Europaangelegenheiten neu gegründet wird. Deklariertes Ziel des Kabinetts ist es, das Potenzial des Landes zu entwickeln, die gespaltene Gesellschaft wieder zusammenzubringen und einen pro-europäischeren Kurs einzuschlagen.
Ester Povýšilová ist Projektmanagerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Büro für die Mitteleuropäischen und Baltischen Staaten in Prag.