Digitalisierung
E-Gesundheit in Estland
99 Prozent der Esten haben eine digitale Patientenakte, deren Verwaltung einfach über ein Smartphone erfolgt. Der reibungslose und medienbruchlose Datenaustausch zwischen allen Sektoren der Gesundheitsversorgung kann Leben retten, etwa bei der Organspende. Alle estnischen Bürgerinnen und Bürger können in ihrem Verwaltungskonto per Mausklick und Eingabe ihres Pins angeben, ob sie Organspender sein möchten oder nicht. Sie können ihre letzten Arztbesuche inklusive Befunde einsehen, dazu Blutwerte oder Röntgenaufnahmen. Zudem können sie überprüfen, was die einzelnen Leistungserbringer abgerechnet haben. Ärztebuchungen erfolgen digital, Sprechstunden werden online abgehalten. Prozesse wie Krankschreibungen sind automatisiert und papierlos. Eine Orthopädin hat beispielsweise nicht nur die Überweisung vorliegen, sondern kann sich mithilfe der elektronischen Patientenakte auch einen Überblick über die bisher erfolgten medizinischen Interventionen verschaffen – von den verordneten Arzneimitteln über die jüngsten Arztbesuche bis hin zu möglichen Krankenhausaufenthalten. In der Akte sind die Besuche bei einem der 800 Hausärzte Estlands samt den Diagnosen und Befunden ebenso hinterlegt wie die Art und Zahl der verordneten Medikamente sowie etwaige Einweisungs- und Entlassbriefe für die stationäre Versorgung in einem der rund 50 Krankenhäuser.
Die Sicherheitsstandards im estnischen Gesundheitssystem werden durch sechs Techniken garantiert:
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Sichere Identifizierung
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Digitale Unterschrift
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Transparenz in allen Aktionen
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Coding der persönlichen Daten, damit Trennung der persönlichen von den medizinischen Daten
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Verschlüsselte Datenbanken, die das Vertrauensrisiko durch die technischen Administratoren des Systems minimieren
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Monitoring aller Aktionen (schnelles Handeln bei Missbrauch)
Estland startete sein System elektronischer Patientenakten im Jahr 2008 und führte als weltweit erstes Land ein System flächendeckend ein, bei dem eine Akte jeweils die gesamte medizinische Geschichte der betreffenden Person von der Geburt bis zum Tod beinhaltet. 2009 übertrug Estland im
Zuge eines Informationsaustauschs im Gesundheitswesen alle medizinischen Aufzeichnungen in das System. Diese Nutzung von e-Gesundheit ist gesetzlich verankert: das Gesetz über das Gesundheitsinformationssystem (2007) und das Staatliche Regulierungsgesetz für den Austausch von Gesundheitsinformationen (2008). Inzwischen sind Informationen über die Gesundheit von 1,35 Mio. Menschen (98 Prozent der Bevölkerung) in das System eingegeben worden, und 98 Prozent aller Verschreibungen erfolgen auf elektronischem Wege.
Der digitale Staat erhöht die gesellschaftliche Resilienz in Krisenzeiten. Ein besonders beeindruckendes Beispiel in Estland ist die schnelle Implementierung der Krankmeldung ohne Arztbesuch innerhalb weniger Tage. Dies zeigt, welche Vorteile eine digitalisierte Verwaltung haben kann, sobald einmal die notwendigen Grundlagen geschaffen wurden. Neue Funktionen
können dann schnell entwickelt und implementiert werden; die Resilienz der Gesellschaft erhöht sich enorm. Und die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist vor allem eine Möglichkeit, die Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen und die Bürgerinnen im Austausch mit den Beschäftigten des Gesundheitswesens zu gleichwertigen Partnern zu machen.
Im Bereich der E-Gesundheit war Deutschland zu Beginn des Jahres 2020 schlecht aufgestellt, was sich angesichts der folgenden Gesundheitskrise ebenfalls besonders negativ auswirkte. Die Defizite der Verwaltungsdigitalisierung müssen deshalb schnellstmöglich behoben werden, da analoge Verfahren in einer Welt, die online alle Abläufe ermöglicht, zum Anachronismus werden.