Nairobi
Drehscheibe der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Nairobi
Die Friedrich-Naumann-Stiftung wird eine starke Präsenz zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten, Unternehmertum und Freihandel in Kenia haben. Anlässlich der Eröffnung unseres neuen Büros in Nairobi erklärte unser Vorsitzender Prof. Karl-Heinz Paqué: "Kenia und ganz Afrika haben die Chance, wirtschaftlich einen großen Schritt nach vorne zu machen. Die liberale Familie wird sie dabei vor Ort unterstützen".
Lesen Sie hier seine Rede in voller Länge.
Afrika hat für die Friedrich-Naumann-Stiftung immer eine besondere Bedeutung gehabt. Es ist ein Kontinent der Chancen, er hat ein großes Potenzial, das durch Digitalisierung und Freihandel gehoben werden kann. Dazu werde ich gleich noch etwas mehr sagen.
Doch zunächst möchte ich auf eine Frage eingehen, die sich einige von Ihnen wahrscheinlich gestellt haben, als Sie die Einladung zu dieser Veranstaltung erhielten. Warum eröffnet die Stiftung erst jetzt, im Jahr 2022, ein Büro in Nairobi? Die anderen politischen Stiftungen aus Deutschland sind schon seit vielen Jahren hier.
Die Antwort ist ganz einfach. Die Friedrich-Naumann-Stiftung hatte schon einmal ein Büro in Kenia, das aber geschlossen werden musste, als die damalige Regionaldirektorin Dorothee von Brentano Mitte der 1990er Jahre beim Regime von Präsident Daniel arap Moi in Ungnade fiel und aufgefordert wurde, das Land zu verlassen.
Der mutige Einsatz für Freiheit und Demokratie fordert manchmal seinen Tribut. Das erleben wir leider immer wieder. Nairobi war nicht das erste und auch nicht das letzte Büro, das wir aus politischen Gründen schließen mussten. Als Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit möchte ich Hongkong und Moskau nennen. In China und Russland ist die Freiheit heute so eingeschränkt, dass es uns nicht mehr möglich ist, sinnvolle Arbeit zu leisten.
Ich sage das nicht, um Sympathien für die Stiftung zu gewinnen. Ich spreche von einer Entwicklung, die alle Demokraten beunruhigen muss. Die liberale Demokratie als Staatsform steht weltweit unter Druck. Im Jahr 2022 verzeichnete der Bertelsmann Transformation Index mehr autokratische Staaten als Demokratien. Das war zuletzt im Jahr 2004 der Fall. Es ist zu befürchten, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Angesichts globaler Krisen - man denke nur an Covid und die explodierenden Preise für Lebensmittel und Energie - wird in vielen Ländern der Ruf nach einfachen Lösungen und starken, autokratischen Führern lauter.
Vor diesem Hintergrund sehe ich die Rückkehr der Friedrich-Naumann-Stiftung nach Kenia als ein Zeichen der Hoffnung. Die Zeit des Moi-Regimes ist längst vorbei und die Demokratie in Kenia ist gereift. Das haben die Wahlen Anfang August eindrucksvoll gezeigt. Unstimmigkeiten über das Wahlergebnis wurden nicht gewaltsam auf der Straße ausgetragen, sondern - wie in der Verfassung vorgesehen - vom Obersten Gerichtshof entschieden. Kenia ist damit noch mehr zu einem Leuchtturm für das gesamte Horn von Afrika geworden: ein Leuchtturm für Demokratie, Freiheit und wirtschaftliche Stabilität.
Dennoch dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass Kenia und Afrika insgesamt vor enormen Herausforderungen stehen. Prognosen zufolge wird sich die Bevölkerung Afrikas bis 2050 fast verdoppeln, von derzeit 1,3 Milliarden auf 2,5 Milliarden Menschen. Diese Menschen werden Nahrung, sauberes Wasser und eine gute Gesundheitsversorgung benötigen, aber auch Arbeitsplätze, Wohnraum und eine effiziente Infrastruktur. Mit anderen Worten: Afrika braucht Wirtschaftswachstum.
Die Chancen, dies zu erreichen, stehen gut. Afrika hat die jüngste Bevölkerung aller Kontinente - 70 Prozent der Menschen sind jünger als 35 Jahre. Dieses große Reservoir an motivierten jungen Menschen ist ein Gewinn - vorausgesetzt natürlich, dass Schulbildung und berufliche Qualifikation mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten.
Hier kommt der technologische Fortschritt für Afrika zum Tragen. Der Siegeszug der Digitalisierung bietet die Chance, ganze Entwicklungsstufen zu überspringen.
Um Menschen miteinander zu verbinden, braucht es heute keine aufwändigen festverdrahteten Kommunikationsnetze mehr. Mobile Netze ermöglichen Bildung, Kreativität und komplexe wirtschaftliche Aktivitäten - selbst in den weiten, dünn besiedelten Regionen des Kontinents.
Ein wunderbares Beispiel ist die Nutzung mobiler Zahlungssysteme wie M-Pesa in Kenia. Es ist eine große Erfolgsgeschichte. Die Hälfte der weltweiten Nutzer von mobilem Geld lebt in Afrika südlich der Sahara, und der Rest der Welt kann von den afrikanischen Erfahrungen lernen, zum Beispiel von der geplanten Einführung einer Kryptowährung der Zentralbank. Ich hoffe, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass das Team in Nairobi derzeit an einer entsprechenden Studie arbeitet.
Ein wichtiger Beitrag zum notwendigen Wirtschaftswachstum in Afrika kann auch durch den Abbau von Handelsschranken geleistet werden, vor allem in Afrika selbst. Der innerafrikanische Handel macht weniger als 20 Prozent des gesamten internationalen Handels des Kontinents aus - in Asien sind es 50 Prozent und in Europa fast 70 Prozent, ein Ergebnis der Integrationswelle seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. In dieser Hinsicht hat Afrika einen enormen Nachholbedarf.
Zum ersten Mal bietet sich nun die Gelegenheit, diese Herausforderung wirklich anzunehmen. Im Jahr 2021 tritt eine innerafrikanische Freihandelszone in Kraft. Das Abkommen - genannt AfCFTA: "African Continental Free Trade Area" - umfasst alle afrikanischen Länder, 55 Staaten, mit Ausnahme von Eritrea. Damit ist die AfCFTA die größte Freihandelszone der Welt, zumindest was die Anzahl der beteiligten Länder angeht. Die Weltbank hat gerade eine Studie veröffentlicht, nach der AfCFTA die Realeinkommen in Afrika bis 2035 um 8 Prozent steigern wird. Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, wird im gleichen Zeitraum voraussichtlich um 45 Millionen sinken.
Der Effekt wäre noch stärker, wenn das AfCFTA wie geplant erweitert würde. Eine Harmonisierung der Vorschriften in den Bereichen Investitionen, Wettbewerb, elektronischer Handel und geistige Eigentumsrechte würde zusätzliches Wachstum anregen. So könnten die ausländischen Direktinvestitionen in Afrika durch AfCFTA bis 2035 um unglaubliche 111 bis 159 Prozent steigen, so die Weltbankstudie.
Darüber hinaus könnte AfCFTA zu einem völlig neuen politischen Ansatz im Verhältnis zu Europa führen. Wenn Afrika endlich mit einer handelspolitischen Stimme spricht, wird es für die Europäische Union viel schwieriger sein, Forderungen nach einem Abbau des EU-Protektionismus zurückzuweisen. Gerade im Bereich der industriellen Verarbeitung von Agrarprodukten könnte dies die Entwicklung in Afrika ankurbeln.
Handelsbeziehungen auf Augenhöhe und ein fairer Anteil an der Wertschöpfungskette sind meiner Meinung nach viel effektiver als viele gut gemeinte Entwicklungsprojekte, die nur durch Subventionen am Leben erhalten werden und zusammenbrechen, wenn die Subventionen nicht mehr fließen.
Der Global Partnership Hub der Friedrich-Naumann-Stiftung hier in Nairobi soll einen Beitrag zu der Frage leisten, wie Entwicklungszusammenarbeit in Zukunft besser gestaltet werden kann. Gemeinsam mit IREN, dem Inter Region Economic Network von James Shikwati, hat der Hub in diesem Jahr bereits eine Studie über den Wettbewerb zwischen Europa und China in Afrika vorgelegt. Ein hochaktuelles Thema. Auf diesen Erfolg lässt sich aufbauen.
Ich wünsche dem Hub und dem gesamten Team der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit viel Erfolg bei ihrer zukünftigen Arbeit. Die Voraussetzungen könnten kaum besser sein als in diesem neuen Büro, das ein wunderbarer Ort für den Austausch liberaler Ideen werden wird.
Diesmal ist die Stiftung gekommen, um zu bleiben.