Sicherheitspolitik
Afghanistan: Die NATO Mission Allied Solace geht weiter
In einer logistisch hochkomplexen Koordinierungsaktion wurden im Eilverfahren und unter verheerenden Bedingungen afghanische Ortskräfte aus Kabul ausgeflogen. Die Kritik in Deutschland: viel zu Wenige, viel zu chaotisch, viel zu bürokratisch. Viele afghanische Ortskräfte sind zurückgeblieben und warten zum Teil noch heute auf Ausreiseunterstützung, die seitens der Politik erfolgen muss.
Im sogenannten Kabul Air-Lift sind mehr als 120.000 Menschen in zwei Wochen in einer der größten Luftbrücken der Geschichte aus Kabul evakuiert worden. Unter anderem wurden Teile der NATO Response Force, der schnellen Eingreiftruppe, aktiviert. Ein Großteil der NATO Mission Allied Solace wird durch das Logistikkommando der NATO, die Standing Joint Logistics Support Group (SJLSG), mit Sitz in Ulm koordiniert.
Oberst i.G. Jan Krahmann, Chef des Stabes der SJLSG, berichtet von der Komplexität der Mission Allied Solace, den schwierigen Bedingungen in Kabul und der sich direkt anschließenden Aufgabe, die afghanischen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen weiter zu versorgen.
Die logistischen Herausforderungen der Mission
„Die NATO Mission Allied Solace beinhaltet die Evakuierung von afghanischen Staatsbürgerinnen und –bürgern, die in der Vergangenheit für die NATO oder ausländische zivile Organisationen gearbeitet haben. Im Grunde sind alle Nationen, die in Afghanistan engagiert waren, involviert, da jeder auf irgendeine Art auf nationale Ortskräfte angewiesen war“, erklärt Oberst Krahmann.
Hauptsächlich geht es bei Allied Solace um die Koordination auf NATO-Ebene, sprich die Generierung eines Gesamtlagebilds über getätigte Evakuierungsflüge mit möglichst genauer Anzahl. Dabei sei es nahezu unmöglich, mehr als dreißig nationale Interessen in einen Konsens zu bringen, berichtet Krahmann. Insbesondere durch das relative Chaos zum Ende des Afghanistaneinsatzes seien nationale Alleingänge nicht zu vermeiden gewesen. Damit hinge auch die Gewinnung von Informationen zusammen.
„Die Koordinierung der Weiterreise, Entzerrung des Ablaufes, Abstimmung mit 30 Nationen; wann ist wer wo. Verständnis erzeugen, dass man als jeweilige Nation nicht allein auf dem Spielfeld ist und auf andere Rücksicht nehmen muss. Diese Koordinierungsaufgabe wurde durch unseren Stab, die SJLSG, das neue Logistik Kommando der NATO in Ulm, im Wesentlichen geleistet."
Und mit der Evakuierung allein ist erst die Hälfte getan. „Im Anschluss daran ging es um eine Interimsunterbringung mit parallelen Verhandlungen, welche Nation welche und wie viele Afghanen aufnehmen kann bzw. möchte“, so Krahmann. Das Allied Joint Forces Command (JFC), eines der drei operativen Hauptquartiere mit Sitz in Neapel, wurde von höchster Ebene (nämlich vom militärstrategisch verantwortlichen Oberbefehlshaber des Bündnisses für Operationen, dem SACEUR) damit beauftragt, die Operation auf NATO-Ebene zu begleiten. Dort sind ebenfalls deutsche Soldaten stationiert. Teile des Hauptquartiers in Neapel wurden nach Pristina (Kosovo) verlegt, um die Mission vor Ort zu führen.
Eine Interimsunterbringung ist aus praktischen Gründen das US-Camp Bondsteel im Kosovo für die NATO-Truppen und ganz in der Nähe das Camp Bechtel für die Evakuierten. Das heißt, die via Militärflugzeugen eingeflogenen Ortskräfte werden erst nach Ramstein (Deutschland) gebracht, dann nach Kosovo, um von dort aus weitervermittelt zu werden.
Laut Krahmann sei bei allen negativen Bildern im Fernsehen die Operation Allied Solace als logistische Operation ein Erfolg, wenngleich es in den Bereichen Nachrichtenwesen und strategische Kommunikation ‚Luft nach oben‘ gäbe.
Wie geht es weiter mit den afghanischen Ortskräften?
Seit Ende der militärischen Evakuierungsmission gelang es tausenden afghanischen Ortskräften, über den Landweg nach Pakistan oder in andere Nachbarstaaten zu fliehen. Oft auf eigene Faust. Mittels ziviler Charterflüge aus Islamabad und Katar gelingt für einige die Einreise nach Deutschland, doch auch dann ist das Aufnahmeverfahren über das BAMF nicht gesichert – im Gegenteil, wie Recherchen der Deutschen Welle ergeben.
Die Mission Allied Solace wird um weitere zwei Monate verlängert, um die Versorgung und Unterbringung der in Pristina gelandeten Afghanen sicherstellen zu können. Zivilgesellschaftliche Organisationen, teilweise unterstützt durch die Bundesregierung, bemühen sich um weitere Evakuierungen. Mit vielen Hürden auf beiden Seiten.