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Innovationsagenturen
Modernisierung der Marktwirtschaft!

Das liberale Konzept für staatliche Innovationsagenturen
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Der Grundsatz steht fest: In einer sozialen Marktwirtschaft ist die Innovation eine Angelegenheit privater Unternehmen. Dies gilt überall, aber vor allem in einer traditionell forschungsstarken Volkswirtschaft wie der deutschen. So wurden hierzulande im Jahr 2021 vom privaten Sektor 75,2 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben, das sind zwei Drittel aller F&E-Aufwendungen von 112,6 Mrd. Euro in Deutschland, also 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dahinter steht eine stolze Bilanz großartiger Neuerungen – bis hin zu dem spektakultären Erfolg der Firma BioNTech bei der extrem schnellen Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19, der globale Anwendung fand.

Aber neben diesen 75,2 Miiarden Euro stehen eben auch 37,4 Mrd. Euro öffentliche Forschungsausgaben – und die lassen sich ihrem Wesen nach nur rechtfertigen, wenn sie die Entstehung jenes Wissens ermöglichen, das eben nicht von selbst im privaten Sektor entsteht, weil es keine ausreichenden kommerziellen Anreize dazu gibt. Dafür kann es viele Gründe geben, die sich vor allem hinter dem Begriff „Grundlagenforschung” verbergen. Sie reichen von der offensichtlichen – und dauerhaften – Marktferne des neuen Wissens (z. B. in der Archäologie oder Altertumsforschung) bis hin zu dem Fehlen einer Brücke zur Vermarktbarkeit, die nach einem gewaltigen technologischen Sprung doch erreicht werden könnte, aber jenseits aller betriebswirtschaftlichen Kalkulierbarkeit liegt. Dazwischen breitet sich eine Art „Tal des Todes” aus, das oft nur durch die große und harte Hand des Staates überbrückt werden kann.

Das „Tal des Todes“ für Innovationen

Das „Tal des Todes“ für Innovationen

© Valley of Death, adapted from Chirazi, Wanieck, Fayemi, Zollfrank, & Jacobs, 2019, under CC BY 4.0 license.

Der Technologie-Jargon hat dafür seit einigen Jahren einen schönen Begriff: Sprung-Innovationen. Früher sprach man weniger klangvoll von einem Transferproblem. Die Bedeutung solcher Sprünge zu leugnen wäre absurd, selbst für liberale Ökonomen. Es gibt viele Beispiele dafür, allen voran das Internet, das zunächst – rein staatlich finanziert – als militärisches Kommunikationsnetz („ARPANET”) entstand und später auch marktwirtschaftlich die Welt revolutionierte. Hier gibt es offensichtlich einen Bedarf, Wissen als öffentliches Gut bereitzustellen.

Vorbild Schweiz

Aber wie? Starke, dezidiert marktwirtschaftlich orientierte Forschungsnationen wie Israel, Großbritannien und die USA machen es seit Jahrzehnten vor. Ein Forscherteam der Universität Oxford hat nun im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die Bedingungen für den Erfolg von „Agenturen für Sprunginnovationen” in diesen Ländern untersucht und für Deutschland geeignete Schlüsse abgeleitet. Es kommt zu einer zentralen Erkenntnis: Je besser und präziser eine Agentur den Markt ergänzt (und nicht ersetzt!), desto erfolgreicher ist sie. Dazu braucht es eine klare Definition ihrer Aufgaben: Die Brücke zur (meist öffentlichen) Hochschullandschaft muss exakt festgelegt sein, ebenso wie die Natur und der Umfang des Wissenstransfers. Auch ein Verbotsschild ist essenziell: Jedwede Beschränkung des Marktzugangs muss ausgeschlossen sein. Zudem bedarf es einer Art Entrepreneurship-Kulturpflege: In der stets risikoaversen Atmosphäre des öffentlichen Dienstes muss der unternehmerische Geist erhalten bleiben, und das geht nur mit einer entsprechend orientierten Personalpolitik. Von überragender Bedeutung ist schließlich der strikt temporäre Charakter eines innovativen Sprungs: Wer über ein „Tal des Todes” springt, muss irgendwann mal lebend landen. Will heißen: Es muss der Zeitpunkt kommen, zu dem der Transfer endet – und damit auch der staatliche Eingriff.

Typologie nationaler Innovationsagenturen

Typologie nationaler Innovationsagenturen

Deutschland geht derzeit zwei unterschiedliche Wege der Innovationsagenturen: Es gibt schon die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIN-D), es folgt noch die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI). Die Doppelgleisigkeit könnte sinnvoll sein – wegen unterschiedlicher Aufgaben: SPRIN-D kümmert sich um Innovationen mit hohem Disruptionspotenzial, DATI wird sich auf den regionalen Wissenstransfer aus (Fach-)Hochschulen konzentrieren. Bei beiden kann unser Nachbarland, die Schweiz, mit ihrer überaus erfolgreichen Agentur Innosuisse ein Vorbild sein – als wirtschaftlich höchst liberale Nation, die mit ähnlich forschungsstarker mittelständischer Wirtschaftsstruktur ihre Innovationskraft maßgeblich gestärkt hat. Die Schweiz ist als industrieller Innovationsstandort wohl noch deutlich erfolgreicher als Deutschland.

Fazit: Liberale Wirtschaftspolitik schließt ein maßvolles Eingreifen einer Innovationsagentur nicht aus. Mehr als das: Wer modernes marktwirtschaftliches Wachstum will, der muss die Voraussetzungen legen für Technologiesprünge und Wissenstransfer – und da hat der Staat als „Brückenbauer” eine klar erkennbare Aufgabe. Aber bitte: nicht mehr als das. Das „Business as usual” des täglichen (inkrementellen) Innovationsbetriebs ist und bleibt das Geschäft der rein privaten Initiative; und das fällt umso dynamischer aus, je niedriger die Besteuerung und je liberaler der regulative Rahmen für die Forschung und Entwicklung ist. Möglichst ohne Staat. 

Dieser Artikel erschien erstmals am 25. August 2023 in der Wirtschaftswoche.