China Bulletin
Chinas doppeltes Spiel in Myanmar
Ein Jahr nach dem Putsch in Myanmar zeigt Chinas Strategie ein deutliches Muster: Die Kommunistische Partei macht Geschäfte mit der Junta - und unterhält gleichzeitig Kontakte mit der gestürzten National League for Democracy (NLD), der Partei der verhafteten Ex-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. So will sich Peking in dem strategisch wichtigen Nachbarland alle Optionen offenhalten.
Die Antwort der Chinesen ließ lange auf sich warten: Mehrere Briefe hatten Funktionäre der entmachteten Regierungspartei NLD an die Kommunistische Partei der Volksrepublik geschrieben. Doch erst im Juli, rund fünf Monate nach dem Putsch vom 1. Februar 2021, kam die erhoffte Rückmeldung. Laut einem Antwortschreiben auf myanmarische Glückwünschen zum 100. Parteijubiläum erhofften sich die Chinesen eine “Partnerschaft” und einen “freundlichen Austausch”, hieß es darin.
Freundlichen Austausch unterhält die chinesische Führung allerdings auch mit dem Erzfeind der NLD - den myanmarischen Streitkräften, auch Tatmadaw genannt, die vor knapp einem Jahr die Macht an sich rissen. Chinesische Staatsunternehmen machen weiter Geschäfte mit der Junta. Auf internationaler Bühne stärkt Chinas Führung dem neuen Regime den Rücken. So setzte sie sich laut Medienberichten dafür ein, dass Militärmachthaber Min Aung Hlaing Myanmar auf dem China-Asean-Gipfel im November vertreten sollte - allerdings erfolglos.
Rund ein Jahr nach dem Putsch ist der Machtkampf in Myanmar noch nicht entschieden. Die Situation ist weiterhin chaotisch. Das Militär hat noch nicht die gesamte Kontrolle über den Staatsapparat erlangt und Einfluss in den Grenzregionen verloren. Viele Behörden funktionieren nur eingeschränkt. Zudem sind seit Jahrzehnten schwelenden Bürgerkriege nach dem Putsch wieder aufgeflammt. Ethnische, bewaffnete Organisationen versuchen, das entstandene Machtvakuum zu nutzen, um ihren Einfluss auszubauen.
Einige der Rebellen haben sich sogar mit der Schattenregierung (National Untity Government, NUG) solidarisiert. Sie unterstützen militante Juntagegner mit Waffen und Rückzugsmöglichkeiten. Täglich kommt es zu Gefechten, Bombenanschlägen und Attentaten - selbst in den wirtschaftlichen Zentren Rangun und Mandalay sowie in der Hauptstadt Naypyidaw.
Massive Investitionen in Myanmar
Peking hat den Putsch öffentlich nie kritisiert. Doch die eskalierende Gewalt in Myanmar ist ein Problem für China. Die Volksrepublik wünscht sich angesichts enormer wirtschaftlicher Interessen vor allem Stabilität. Über die Häfen des Nachbarlandes strebt China einen Zugang zum Indischen Ozean an. So kann die Volksrepublik ihr sogenanntes Malakka-Dilemma mildern: Ein Großteil ihrer Energieimporte verläuft durch die Meerenge zwischen Malaysia und Indonesien. Auch der Seehandel nach Europa passiert das strategisch wichtige Nadelöhr.
Unter der NLD-Regierung hatte China deswegen die Entwicklung des “China Myanmar Wirtschaftskorridor” vorangetrieben, der Teil der chinesischen Seidenstraße-Initiative ist. Bereits fertiggestellt sind die 800 Kilometer langen Öl- und Gaspipelines, die vom myanmarischen Kyaukphyu ins chinesische Kunming verlaufen. Zu den zahlreichen geplanten Infrastrukturinvestitionen zählen der Ausbau des Tiefseehafens Kyaukphyu mit einem Investitionsvolumen von rund 1,3 Milliarden US-Dollar sowie Bahnstrecken und Straßen, die China mit myanmarischen Häfen am Indischen Ozean verbinden sollen.
Die Arbeiten an den Projekten gehen auch nach dem Staatsstreich weiter. Kurz nach dem Putsch tauschte die Junta die zuständigen Komitees für die jeweiligen Vorhaben aus. Nur wenige Wochen nach dem Putsch genehmigte die Militärregierung außerdem eine chinesische Investition in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar in ein neues Gaskraftwerk in der Ayeyarwady Region. Der Ausbau des Tiefseehafens Kyaukphyu schreitet voran. Im September vereinbarten der chinesische Staatskonzern CITIC und die Junta gemeinsame Planungsarbeiten.
Auch auf ihrer Seite der Grenze investieren die Chinesen. Im Spätsommer 2021 erweiterten sie ihr Hochgeschwindigkeitsnetz bis nach Lincang - nur noch etwa 100 Kilometer von der Grenze zu Myanmar entfernt. Von dort sollen Güter weiter per Lastwagen nach Yangon transportiert werden. Die Eröffnung der neuen Strecke bezeichnete ein chinesischer KP-Funktionär als neues Kapitel in der Geschichte der Freundschaft zwischen beiden Staaten.
China gegen Verbot der NLD
Für Myanmar sind die privaten und staatlichen Investoren aus China nahezu unverzichtbar. Westliche, japanische und indische Unternehmen haben ihre Investitionen massiv zurückgefahren. Auch der größte deutsche Investor, die Metro Gruppe, zieht sich aus Myanmar zurück. Die Weltbank geht davon aus, dass die Wirtschaft des Landes im vergangenen Jahr rund 18 Prozent geschrumpft sein dürfte.
Während China Geschäfte mit der Junta macht, hält sie jedoch weiterhin Kontakte zur gestürzten Regierungspartei NLD. Medienberichten zufolge soll ein chinesischer Gesandter versucht haben, die inhaftierte gestürzte Regierungschefin Aung San Suu Kyi zu treffen. Der Zugang wurde ihm aber verwehrt. Zudem soll sich China bei der Junta gegen ein Verbot der NLD eingesetzt haben. China sieht die in Myanmar extrem populäre NLD als möglichen Stabilisator - und dürfte sich auch ein besseres Image durch gute Kontakte mit der NLD erhoffen.
Ein besseres Ansehen Chinas in Myanmar würde auch das Risiko für die hohen Investitionen senken. Viele Oppositionelle sehen in China einen Verbündeten der verhassten Junta. Chinesische Infrastrukturprojekte könnten damit auch Ziel des bewaffneten Widerstandes werden. Als besonders gefährdet gelten die 800 Kilometer langen Öl- und Gaspipelines.
Auf einer Veranstaltung in Bangkok sagte ein Vertreter der Schattenregierung NUG, man strebe freundschaftliche Beziehungen zu allen Staaten an - die chinesischen Pipelines seien also kein Anschlag-Ziel. Fraglich ist aber, wie gut die NUG die unterschiedlichen Widerstandzellen koordinieren und kontrollieren kann. Ein zur bewaffneten Opposition übergelaufener Soldat sagte auf der gleichen Veranstaltung: “Wenn wir die Möglichkeit dazu hätten, würden wir die Pipelines sofort hochjagen.”
*Frederic Spohr leitet von Bangkok aus die Projekte der Stiftung in Thailand und Myanmar
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