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Türkei
Neues Spionagegesetz: Gefahr für Zivilgesellschaft und Zusammenarbeit in der Türkei

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält eine Rede nach der Kabinettssitzung im Präsidentenkomplex in Ankara, Türkei, am 25. November 2024.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält eine Rede nach der Kabinettssitzung im Präsidentenkomplex in Ankara, Türkei, am 25. November 2024. 

© picture alliance / Anadolu | Mehmet Ali Ozcan

Im November erreichte die Große Nationalversammlung ein Gesetzentwurf, der die Strafen für sogenannte „Spionage“-Delikte, auch als „Einflussnahme“ bezeichnet, verschärfen soll. Zwar wurde der Entwurf in seiner jetzigen Form nicht verabschiedet, doch nach Angaben des AKP-Fraktionsvorsitzender Abdullah Güler wird das Gesetz in überarbeiteter Form in absehbarer Zeit vom Parlament gebilligt werden. Der Entwurf ist an das russische Gesetz über „ausländische Agenten“ angelehnt und zielt darauf ab, kritische Stimmen in der Zivilgesellschaft zu unterdrücken. Auch in Georgien wurde in diesem Jahr ein ähnliches Gesetz über die „Transparenz ausländischer Einflussnahme“ erlassen, doch das türkische Gesetz sieht in seiner jetzigen Fassung Haftstrafen vor und geht damit noch einen Schritt weiter.

Unklare Definition und breiter Interpretationsspielraum des Gesetzes

Wer als ausländische Organisation gilt, ist im türkischen Gesetzentwurf sehr weit gefasst. „Alle Institutionen, die nicht nach türkischem Recht gegründet wurden“, gelten demnach als ausländische Organisationen. Dies könnte dazu führen, dass nicht nur international vernetzte Journalisten und zivilgesellschaftliche Gruppen, sondern auch private Unternehmen, akademische Einrichtungen und jede andere Einheit mit ausländischen Verbindungen davon betroffen sind.

Im Kern sieht der Gesetzesentwurf Haftstrafen von drei bis sieben Jahren für Personen vor, die im Einklang mit „strategischen Interessen“ oder auf „Anweisung“ eines ausländischen Staates oder einer Organisation Straftaten begehen, welche die Sicherheit oder politischen Interessen der Türkei gefährden. Die Strafverfolgung erfolgt zudem nur mit Zustimmung des Justizministers, was der Regierung erhebliche Kontrolle über die Durchsetzung verleiht.

Der Anwendungsbereich des Gesetzes erstreckt sich auch auf „innere oder äußere politische Interessen des Staates“, was ein breites Spektrum an Bereichen wie Wirtschaft, Finanzen, Militär, öffentliche Gesundheit, Kultur und Technologie umfasst. Ein solch weitreichender Rahmen räumt den Richtern einen großen Ermessensspielraum bei der Auslegung des Gesetzes ein.

Folgen für die Zivilgesellschaft

Das Gesetz hat weitreichende Konsequenzen für die Arbeit ausländischer Medien, Journalisten, Konsulate, Stiftungen und NGOs. Aufgrund der vagen Definition der Begriffe im Gesetzentwurf könnte laut Veysel Ok, Menschenrechtsanwalt und Co-Direktor von MLSA, die Beschaffung von Fördermitteln aus dem Ausland zu einem „kritischen“ Thema unter dieser Auslegung fallen. Besonders betroffen sind Projekte, die sich mit sensiblen Themen wie LGBTI+-Rechten oder Umweltfragen befassen. Auch Routineaktivitäten wie das Verfassen von Berichten, die Durchführung von Meinungsumfragen oder öffentliche Veranstaltungen könnten strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie als Widerspruch zu den Regierungsinteressen ausgelegt werden.

Eine neue Bedrohung für die Zivilgesellschaft und das Recht auf freie Meinungsäußerung

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Der Justizausschuss des türkischen Parlaments hat einen Gesetzesentwurf gebilligt, der Spionage härter bestraft. Dies könnte eine neue Bedrohung für Presse und Zivilgesellschaft in der Türkei darstellen.

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Diskreditierung und Selbstzensur

Es stellt sich die Frage, welche Intentionen die türkische Regierung mit der Verabschiedung eines solchen Gesetzes verfolgt. Laut Freedom House wird die Türkei seit einigen Jahren als „nicht frei“ eingestuft. Die bestehenden rechtlichen Instrumente ermöglichen es der Regierung bereits heute, kritische Stimmen aus der Opposition und der Zivilgesellschaft effektiv zu unterdrücken, häufig unter dem Vorwurf von Terrorismus oder Desinformation. Veysel Ok erachtet das geplante Gesetz als Strategie, zivilgesellschaftliche Organisationen als „ausländische Agenten“ zu diskreditieren. Es schaffe ein Klima der Angst, das viele NGOs und ausländische Geldgeber bereits im Vorfeld von der Bearbeitung sensibler Themen abschrecken könnte – auch, ohne dass das Gesetz aktiv Anwendung findet.

Selbst Förderprogramme mit klaren thematischen Vorgaben (z.B. zu Menschenrechten oder Pressefreiheit) könnten als „Einflussnahme“ ausgelegt werden. Somit ist zu erwarten, dass eine Form der Selbstzensur einsetzt, da die Konsequenzen eines Verstoßes für Einzelpersonen und Organisationen schwerwiegend sind.

Was tun?

Sollte das Gesetz verabschiedet werden, müssten ausländische Organisationen mit besonderer Vorsicht agieren. Die gesamte Öffentlichkeitsarbeit, wie Social-Media-Beiträge, Berichte und Pressemeldungen, müsste gegen Vorwürfe von „Desinformation“, „Instruktion aus dem Ausland“ oder „Hetze“ standhalten. Ebenso muss gewährleistet sein, dass alle Projekte und Fördervereinbarungen vollständig mit dem türkischen Recht übereinstimmen.

Gleichzeitig ist es entscheidend, Advocacy-Arbeit und Lobbying durch NGOs und internationale Partner zu intensivieren, um Druck auf die Regierung auszuüben und die Verabschiedung des Gesetzes zu verhindern. Zwar besteht die Möglichkeit, dass das Gesetz langfristig vor dem Verfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angefochten und als verfassungswidrig aufgehoben wird. – im Oktober haben zuletzt rund 100 russische NGOs erfolgreich gegen das Gesetz in ihrem Land geklagt. Doch bis dahin könnte es der Regierung ermöglichen, zivilgesellschaftliche Arbeit erheblich zu behindern und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, wenn sie es als notwendig erachtet.

Bei Medienanfragen kontaktieren Sie bitte:

Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
Telefon: + 4915202360119