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Olaf Scholz trifft Joe Biden
Gemeinsame Werte, partnerschaftlicher Umgang bei Konflikten

Olaf Scholz und Joe Biden

JOse Biden und Olaf Scholz 

© picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Die russische Invasion in die Ukraine war für beiden Amtsträger eine Zäsur und machte deutlich, dass die transatlantischen Partner ihrer globalen Verantwortung nur gerecht werden können, wenn sie zusammenstehen und gemeinsame Lösungen suchen. Joe Biden hat, wie in seinem Wahlkampf angekündigt, die USA wieder zu einem aktiven und konstruktiven Akteur auf der Weltbühne gemacht und ist entschlossen, eng in den traditionellen westlichen Allianzen zu kooperieren sowie gleichzeitig neue Partnerschaften aufzubauen. Die Reaktion der USA auf den russischen Überfall auf die Ukraine war und ist eindeutig die Unterstützung der Ukraine massiv. Gleichzeitig bleibt jedoch die Priorisierung der US-Politik klar: Der globale Wettbewerb mit China steht an erster Stelle. Von den Partnern erwarten die USA dabei möglichst eindeutige Unterstützung. Zudem spielen die ökonomischen Interessen des Landes unverändert eine wichtige Rolle – sowohl bei Handelsfragen als auch bei den Maßnahmen, die die eigene Wirtschaft beleben und Investitionen fördern sollen.

Es braucht ein starkes verteidigungsfähiges Bündnis und eine Strategie

In Deutschland hat der russische Überfall auf die Ukraine deutliche Veränderungen in der Wahrnehmung der eigenen Rolle ausgelöst. Mit dem von Kanzler Scholz zuerst verwendeten Begriff der Zeitenwende verbinden sich ein neues Bewusstsein für die Verteidigungspolitik und eine neue Wertschätzung für die westlichen Allianzen. Es ist vielen in Deutschland im letzten Jahr klar geworden, dass Sicherheit und Wohlstand nur innerhalb eines starken und verteidigungsfähigen Bündnisses gesichert werden können und von Deutschland auf allen Ebenen ein Beitrag dazu erwartet wird. Im Gefolge dessen sind in Deutschland entschiedene Weichenstellungen vorgenommen worden.

Das ist eine gute Voraussetzung für konstruktive Gespräche in Washington. Im Vordergrund wird die Unterstützung der Ukraine stehen. Abgesehen von Detailfragen zur Lieferung bestimmter Waffensystem gibt es hier große Einigkeit – und es ist zu erwarten, dass beide Politiker ein starkes Signal der Unterstützung der Ukraine senden werden. Doch es ist für beide Länder wichtig, auch die Fragen, in denen es teilweise unterschiedliche Positionen, Interessen und Herangehensweisen gibt, konstruktiv zu diskutieren und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Denn eines ist für Joe Biden und Olaf Scholz klar: Nur gemeinsam in einer starken Allianz wird es möglich sein, die eigene Sicherheit und den eigenen Wohlstand zu schützen und gleichzeitig der globalen Verantwortung gerecht zu werden, die Teil des Selbstverständnisses demokratischer Staaten ist.

Auf dem Handlungsfeld der Wirtschaft gibt es einige Konfliktlinien. Es geht z.B. um das gigantische US-amerikanische Investitionsprogramm im Rahmen des Inflation Reduction Acts (IRA), an dem von europäischer Seite kritisiert wird, dass einheimische Unternehmen bevorzugt werden. Hier sollte daran gearbeitet werden, dass der Konflikt eingedämmt und entschärft wird – ganz auflösen lässt er sich nicht. Das gilt auch für die auf beiden Seiten des Atlantik geplanten massiven Subventionen und Unterstützungsmaßnahmen für grüne Formen der Energieumwandlung und die Befürchtungen, hinsichtlich eines Subventionswettlaufes, der die Erreichung der gemeinsamen Ziele auf diesem Feld massiv verteuern würde. Auch die glaubhafte Unterstützung der Ukraine und die globale Sicherheit sind in nicht geringem Maße davon abhängig, dass die westlichen Marktwirtschaften dynamisch und zukunftsfähig bleiben.

Ein zweites Thema, das bei den Gesprächen im Weißen Haus eine wichtige Rolle spielen wird, ist der Umgang mit China. Die zunehmend totalitäre Einparteiendiktatur ist von den USA schon länger, seit der Präsidentschaft von Barack Obama, als wichtigste Herausforderung für die USA identifiziert worden. Auf der anderen Seite ist die deutsche Wirtschaft bis heute in hohem Maße vom Handel mit China abhängig und hat dort massiv investiert. Eine gewisse Naivität beim politischen Umgang mit dieser aufstrebenden Weltmacht, die das Wertesystem der westlichen Demokratien herausfordert, war ebenso wie bei der Politik gegenüber Russland nicht zu leugnen. Die aktuelle Bundesregierung hat auch hier notwendige Veränderungen eingeleitet – neue Strategien werden entwickelt. Doch es wird auch in Zukunft Unterschiede bei Interessen und Positionen geben. Es liegt in der Verantwortung der führenden Politiker beider Länder, hier gemeinsam Wege zu finden, um auf so vielen Feldern wie möglich gemeinsam handeln zu können. Gleichzeitig ist es wichtig, die politische Öffentlichkeit bei den notwendigen Veränderungen und Maßnahmen mitzunehmen und Unterstützung zu generieren. Der Washingtoner Gipfel kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.