Philippinen
Mit den Philippinen gegen den Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel in Deutschland spitzt sich weiter zu. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft werden im Jahr 2027 insgesamt 728.000 Fachkräfte fehlen. Aus diesem Grund schließt die Bundesregierung Migrationsabkommen mit Ländern ab, die einen Überschuss an qualifizierten Fachkräften haben. Im September unterzeichneten Innenministerin Faeser (SPD) mit Kenia und Bundeskanzler Scholz (SPD) mit Usbekistan neue Abkommen, die das Anwerben von Fachkräften und Auszubildenden erleichtern sollen. Besonders prekär ist die Situation im deutschen Gesundheitssektor, wo einem Bericht der Bertelsmann-Stiftung zufolge bis 2030 insgesamt 500.000 neue Pflegekräfte benötigt werden.
Manche Länder haben den Fachkräftemangel in alternden Gesellschaften als wirtschaftliche Chance begriffen. So sind mehr als zwei Millionen Filipinos im Ausland erwerbstätig, die meisten davon im Pflegebereich. Mit seiner wachsenden Bevölkerung von derzeit etwa 117 Millionen stellen die Philippinen weltweit die höchste Anzahl an Pflegekräften, die im Ausland Geld verdienen. Überweisungen an Familien und Freunde in der Heimat machen mit knapp 40 Milliarden Dollar rund 10% des philippinischen BIPs aus. Sogenannte „Overseas Filipino Workers“ spielen eine derart wichtige Rolle für das Land, dass der philippinische Staat ein eigenes Ministerium für ihre Belange hat.
Bürokratie und Brain-Drain
Nur neun Prozent der „Overseas Filipino Workers“ arbeiten in Europa, etwa 80% davon im Nicht-EU-Land Großbritannien. Deutschland und die EU stehen mit ihren bürokratischen Hürden und der Sprachbarriere nicht oben auf der Beliebtheitsskala philippinischer Fachkräfte. So liegt in Deutschland die Zahl an philippinischen Arbeitsmigranten derzeit bei knapp 13.000, davon sind etwa 6.000 Pflegerinnen und Pfleger. Diese Zahlen machen klar: sollen philippinische Fachkräfte ein maßgeblicher Teil der Lösung sein, wird deutlich mehr qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland gebraucht.
Doch an solchen Vorschlägen gibt es auch Kritik. Immigration ist ein komplexes Thema in Deutschland. Zudem befürchten Kritiker in den Philippinen, dass aufgrund des Abwerbens lokaler Pflegefachkräfte durch ausländische Akteure ein Brain-Drain entsteht, der das philippinische Gesundheitssystem destabilisieren könnte. Um den Beruf im lokalen Gesundheitssektor attraktiver zu gestalten, verabschiedete der Senat unter Präsident Marcos Jr. 2022 das philippinische Krankenpflegegesetz. Es soll der niedrigen Entlohnung im Pflegesektor entgegenwirken. Schlechte Bezahlung sorgt dafür, dass viele ausgebildete Pflegefachkräfte entweder das Land verlassen oder in anderen, besser bezahlten Berufen arbeiten.
Chance für internationale Partnerschaft
2013 wurde zwischen Deutschland, den Philippinen und anderen Staaten das sogenannte Triple-Win-Programm verabredet. Es soll sicherstellen, dass die Zuwanderung von Fachkräften allen Seiten Vorteile verschafft: Herkunftsländern, ausländischen Fachkräften und deutschen Arbeitgebern. Im Rahmen des Programms wird der Einsatz von professionellen Krankenpflegern aus den Philippinen und weiteren Partnerländern in Deutschland vereinfacht. Das Programm bietet qualifizierten philippinischen Arbeitskräften Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache und fördert die Aneignung von Fähigkeiten, die am zukünftigen Arbeitsplatz benötigt werden. Zudem werden die Fachkräfte beim Migrationsprozess und bei der Integration in Deutschland begleitet. 2022 wurde das Programm ausgeweitet. Nun können nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Fachkräfte aus anderen Bereichen wie Technik und dem Dienstleistungssektor angeworben werden. Insgesamt wurden im Rahmen von Triple-Win bereits mehr als 6.200 Pflegekräfte nach Deutschland vermittelt.
Für die philippinischen Fachkräfte biete Deutschland attraktive Gehälter und die Möglichkeit, ihre beruflichen Fähigkeiten zu verbessern, sagt per Tweet Dr. Andreas Pfaffernoschke, der deutsche Botschafter in den Philippinen. Er fügt hinzu, das Programm sei für alle Seiten ein Erfolg. Außer den Geldtransfers in die Heimat profitiere der philippinische Staat auch durch Wissenstransfer, den im Ausland arbeitende Filipinos an lokale Arbeitskräfte weitergeben können.
Ein Gewinn für alle
Das Triple-Win-Programm ist ein gutes Modell für ganzheitlich gesteuerte Migration von Fachkräften. Zuwanderung kann so ein Teil der Lösung für den deutschen Fachkräftemangel sein. Zugleich werden die Herausforderungen der Partnerländer nicht aus den Augen verloren. Die Philippinen sind ein wichtiges Partnerland geworden. Deutschlands Hausaufgabe bleibt der Bürokratieabbau und Bündelung von Einwanderungs- und Arbeitsprozessen. Die Philippinen müssen mit internationaler Unterstützung in die Ausbildung ihrer Jugend investieren und zudem den Pflegeberuf im eigenen Land attraktiver machen. Unter diesen Maßgaben wäre tatsächlich ein Gewinn für alle Beteiligten zu erzielen.
Dr. Almut Besold leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in den Philippinen, Fabio Hintze ist dort Praktikant.