Portugal
Portugiesische Liberale im Aufschwung
Am Sonntag fanden in Portugal die Wahlen für ein neues Parlament statt. Der Wahlkampf in Portugal hatte nur ein einziges Thema: Die Suche nach einer Konstellation, die das Land regierbar macht. Zuletzt hatten die regierenden Sozialisten ("Partido Socialista", PS) es nicht geschafft, den Haushalt 2022 durch das Parlament zu bringen.
In einem von Wahlenthaltung geprägten Urnengang – 49 % der Portugiesen entschieden sich, nicht zur Wahl zu gehen – erreichten die Partido Socialista, Portugals Mitte-Links-Partei und somit Schwesterpartei der deutschen SPD, eine Mehrheit der Stimmen von 41,7 %. Dieses Ergebnis entspricht mit 117 von insgesamt 230 Sitzen sogar einer absoluten Mehrheit im Parlament. Es war eine Nacht der großen Emotionen, denn der Sieg der Sozialistischen Partei war möglich, aber die absolute Mehrheit schien eine Fata Morgan zu sein.
Gegen Ende des Wahlkampfes erfolgte ein unerwarteter Umschwung der Wählergunst, der es der konservativen „Sozialdemokratischen Partei“ (PSD, 27,8 %) unmöglich machte, eine Koalitionsregierung zu bilden – ein zuvor im Wahlkampf geäußerter Wunsch. Der Sieg der PS beschert der Regierungspartei nach einer zuletzt tolerierten Minderheitsregierung zum zweiten Mal die Absolute Mehrheit und sichert Premierminister Antonio Costa ein starkes, neues Mandat. Er könnte bald als der Premierminister in die Geschichte eingehen, der ein Jahrzehnt lang Portugal regierte. Costa beendete den Wahlabend mit dem Versprechen, dass „die absolute Mehrheit keine absolute Macht“ sei.
Neue Kräfte verändern die politische Landschaft
Besorgnis und Freude kennzeichnen der Wahlausgang: mit der rechtsextremen Partei Chega („Genug“) und der liberalen Iniciativa Liberal sind neue politische Kräfte gestärkt worden, die zugleich linke Parteien überholten. Die Kommunisten verloren die Hälfte ihrer Abgeordneten im Parlament (von 12 auf 6 Abgeordnete). Nach mehr als vierzig Jahren schied zudem die konservative und christdemokratische Volkspartei CDS aus dem Parlament aus. Besorgniserregend sind die Ergebnisse der rechtsextremen Partei Chega, die drittstärkste Kraft wurde. Ihr Anführer André Ventura konnte in nur zwei Jahren 320.000 Stimmen für sich gewinnen. Darüber hinaus sieht sich Ventura dank seines steilen Aufstiegs als – wie er es nennt – „die wahre Opposition in Portugal“.
Die Iniciativa Liberal ist ein weiterer großer Gewinner des Abends. Den Liberalen gelang es, acht Abgeordnete zu stellen. Braga, Porto, Lissabon und Setúbal waren die Bezirke, in denen die Partei Mandate erringen konnte. Die Iniciativa Liberal trat bei dieser Wahl auf Basis nur eines Sitzes im Parlament an – dem Abgeordneten João Cotrim de Figueiredo, der auch Parteivorsitzender ist.
Die Liberalen konnten in städtischen Gebieten wie Lissabon und Porto sowie bei jüngeren Wählern beachtliche Zuwächse verzeichnen. Der Schlüssel zum Erreichen von fünf Prozent der Stimmen war das Wahlprogramm: Die Liberalen präsentierten ein sehr klares und mutiges Alternativprogramm zum sozialistischen Modell, nach dem Portugal seit Jahrzehnten regiert wird. Ein klares Bündel von Vorschlägen, das weniger direkte Steuern, eine stärkere Aufwertung der Privatinitiative, einen gut durchdachten Eisenbahnplan und die Privatisierung mehrerer Unternehmen, die den Staat stark belasten, wie bspw. die staatliche portugiesische Fluggesellschaft (TAP), umfasst.
Die liberale Partei ist nun die viertstärkste nationale politische Kraft mit über 260.000 Stimmen. Das Wahlergebnis zeigt, dass es eine Basis für eine liberale Alternative innerhalb des portugiesischen politischen Modells gibt. João Cotrim de Figueiredo wird nun im Parlament von weiteren sieben Abgeordneten aus Lissabon, Porto, Setubal und Braga unterstützt. Er betonte, dass die Wahlergebnisse „Anlass zu großer Freude“ seien. „Wir sind von der neunten zur vierten politischen Kraft aufgestiegen, und wir haben diesen Sieg errungen, ohne extremistisch oder populistisch zu sein. Das allein ist ein Sieg für die Demokratie in Portugal!“
Wie geht es weiter in Portugal?
Portugal ist nach wie vor das ärmste Land Westeuropas, und die Pandemie hat dem ohnehin geschwächten Land neue wirtschaftliche Probleme beschert. Die EU hat für Portugal ein Konjunkturprogramm in Höhe von 13,9 Mrd. EUR in Form von Zuschüssen und 2,7 Mrd. EUR in Form von Darlehen aufgelegt. Das Investitionspaket konzentriert sich auf drei Themenbereiche: Ökonomische Resilienz, Klimaschutz und digitaler Wandel. Jeder dieser Bereiche setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, die in Reformen unterteilt sind, die wiederum durch Projekte umgesetzt werden. Die portugiesische Regierung muss nun alle Kräfte mobilisieren, um die von der EU gesetzte Frist zur Umsetzung aller Reformen und Investitionen einzuhalten – bis August 2026.
Die Partido Socialista von Premierminister Costa kann mit einer absoluten Mehrheit weiterregieren. Auch wenn es den Anschein hat, dass die Sozialisten damit die nötige politische Stabilität und die Garantie der Regierbarkeit zur Umsetzung der Reformmaßnahmen sichern können, müssen sie dennoch mit anderen Parteien verhandeln.
Odilia Abreu ist Projektmanagerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in unserem Büro in Madrid.