Mittelmeerdialog
Interview mit Pedro Martínez-Avial, Generaldirektor des Casa Árabe
Das Casa Árabe ist einer der strategischen Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung in Spanien und das strategische Zentrum für die Beziehungen Spaniens mit der arabischen Welt. Ein Ort, an dem verschiedene private sowie öffentliche Akteure und Institutionen aus den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft, Politik und Kultur in den Dialog treten, Kooperationslinien aufbauen und gemeinsame Projekte durchführen. Heute hatten wir die Möglichkeit mit Pedro Martínez-Avial, Generaldirektor des Casa Árabe, ein Interview zu führen.
"Der Europa-Mittelmeer-Prozess von Barcelona hat eine geeignete Basis geschaffen, um den notwendigen Dialog zu führen und die Zusammenarbeit zu beleben".
Was sind Ihrer Meinung nach im Kontext des 10. Jahrestages des Arabischen Frühlings die größten Herausforderungen für die EU im Mittelmeerraum?
In der heutigen, zunehmend vernetzten Welt ist das, was in den Ländern des südlichen Mittelmeers geschieht, von größter Bedeutung für die Länder der EU. Unsere Sicherheit, unsere Wirtschaft, unsere Umwelt oder das Erreichen einer geordneten Migration sind einige der elementaren Herausforderungen für die EU, die in hohem Maße von der Situation in unseren südlichen Nachbarländern abhängen. Die Gründe für die Zusammenarbeit mit diesen Nationen und für das Interesse der EU an den Geschehnissen in diesen Ländern liegen also nicht nur in der Solidarität und dem Humanismus, die den Werten der Europäischen Union zugrunde liegen, sondern auch in den Interessen der Union in dieser Region, welche sie nicht vernachlässigen darf.
Der so genannte „Arabische Frühling" ist eine spontane Reaktion der Völker in einigen dieser Länder, die mehr soziale Gerechtigkeit, ein Ende der grassierenden Korruption, die viele Länder der Region plagt, und politische Reformen fordern, die ermöglichen ihre Forderungen zu verwirklichen. Dies sind also gerechte und zeitgemäße Bestrebungen, die diesen Völkern eine gute Grundlage geben würden in ihrer der Entwicklung voranzukommen. Ich glaube hingegen, dass ein Festhalten an den Fehlern der Vergangenheit, die von den Demonstranten bestritten werden, die explosive Situation nur noch verstärken wird, die zu den aktuellen Aufständen geführt hat. Es ist bemerkenswert, dass trotz des Pessimismus vieler Experten in den letzten zehn Jahren in Bezug auf die Ergebnisse des "Arabischen Frühlings", der Geist des "Arabischen Frühlings" - der weit davon entfernt ist verschwunden zu sein - in den arabischen Völkern immer noch sehr präsent ist. Dies zeigt sich in der Vitalität der Revolten in Algerien, Irak, Sudan und Libanon und in den Forderungen vieler Oppositioneller in einigen dieser Länder.
Aus den hier dargelegten Gründen bin ich der Meinung, dass die EU die von einem großen Teil der Bevölkerung dieser Länder geforderten Reformprozesse unterstützen sollte, indem sie die jeweiligen Regierungen unterstützt, damit sie sich weiterhin in diese Richtung bewegen. Der Rahmen, den der Europa-Mittelmeer-Barcelona-Prozess mit seinen regionalen Kooperationsprogrammen bietet, ist eine sehr geeignete Plattform für die Durchführung des notwendigen Dialogs und der Zusammenarbeit.
Was sind die wichtigsten Initiativen des Casa Árabe, um den Dialog in den Mittelmeerländern zu fördern?
Casa Árabe agiert in zwei Richtungen:
- Zunächst gilt es, die Realität dieser Länder in all ihren Dimensionen bekannt zu machen; politisch, wirtschaftlich, kulturell, sozial, etc. Das ist unsere Haupttätigkeit, mit der wir das Interesse wecken und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Geschehnisse in diesen Ländern lenken. Das ist wichtig, denn dank unserer Arbeit interessieren sich viele Bürger für die arabischen Länder und fördern so die Solidarität und das Interesse öffentlicher und privater Institutionen für diese Nationen.
- Die Organisation von Aktivitäten, die gezielt den Dialog zwischen Akteuren des politischen, sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und akademischen Lebens der arabischen Länder und anderer Länder fördern. Zu diesem Zweck veranstalten wir das ganze Jahr über zahlreiche Seminare, Treffen verschiedener Art, runde Tische usw.
In den letzten Jahren hat Casa Árabe mehr als 300 Aktivitäten pro Jahr durchgeführt, eine Zahl, die im letzten Jahr aufgrund von COVID auf 237 gesunken ist.
Spanien hat ein System von "Casas" eingerichtet, das einen strategischen Punkt in Spaniens Beziehungen zur Welt darstellt. Glauben Sie, dass dieses Modell der Zusammenarbeit eine Referenz für andere EU-Mitgliedstaaten sein könnte?
Jedes Land hat seine eigenen Interessen, Traditionen und Wege der Zusammenarbeit mit anderen Nationen. Das Netzwerk der spanischen „Casas“, das die öffentlichen Einrichtungen integriert, hat seinen Ursprung in den Erfahrungen des „Casa de América“, welches zwanzig Jahre vor den anderen gegründet wurde und schließlich zu einem Bezugspunkt für den amerikanischen Kontinent wurde. Es war also ein bewährtes Modell und damit ein sicherer Erfolg. Meiner Meinung nach funktioniert das Modell besonders gut, wenn sich die „Casas“ auf eine Region konzentrieren, an der ein Land erhebliche Interessen hat, was beim Casa de América und dem Casa Árabe sicherlich der Fall ist. Es gibt andere Länder, wie die Vereinigten Staaten oder das Vereinigte Königreich, die ein erfolgreiches Netzwerk von sehr angesehenen privaten Institutionen haben, die ein ähnliches Modell wie unser Netzwerk von Casas mit großem Erfolg betreiben. Es gibt also verschiedene Formeln, die auf die Eigenheiten der verschiedenen Länder eingehen und es ist daher schwierig, Ratschläge oder Empfehlungen in dieser Angelegenheit zu geben.