Bhutan Private Sector
Der private Sektor wird für Bhutans Wirtschaft immer wichtiger
Indien wichtigster Handelspartner
Als bislang einziges Land der Welt misst das kleine Königreich Bhutan im Himalaya das Bruttonationalglück. Es beruht auf vier Säulen: ökologischer Nachhaltigkeit, nachhaltiger und gerechter wirtschaftlicher Entwicklung, guter Regierungsführung und Gleichheit vor dem Gesetz sowie Förderung eines freien und resilienten Kulturlebens. Nur langsam hat das Land mit seinen gerade mal knapp 780.000 Einwohnern die selbst-auferlegte Isolation beendet und sich für die Außenwelt geöffnet. Auf einer Online-Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) Ende November 2022 beleuchteten Expertinnen und Experten die Entwicklung des privaten Sektors, der künftig entscheidend zum Wachstum des südasiatischen Himalayastaates beitragen soll. Der private Sektor erwirtschaftet Devisen durch Exporte und Dienstleistungen, kreiert neue Märkte, fördert die Effizienz der Produktion durch neue Technologien und innovative Prozesse und schafft neue Arbeitsplätze. Heute beschäftigen rund 14.000 überwiegend kleine Unternehmen etwa 74.000 Mitarbeitende.
Zum Auftakt des Webinars wies Reinhard Wolf, Präsident der Deutschen Bhutan Himalaya Gesellschaft e.V., darauf hin, dass in der Vergangenheit die Landwirtschaft die stärkste Säule der Wirtschaft gewesen sei und immer noch zu den größten Arbeitgebern zähle. Auf dem Weg von einem „Least Developed Country“ (am wenigsten entwickeltes Land) zu einem Land mit mittlerem Einkommen werde jedoch der private Sektor eine entscheidende Rolle spielen. Dieser könnte auch von den vergleichsweise niedrigen Energiekosten des Landes profitieren, das bei der Versorgung stark auf Wasserkraft setzt. Soll der Aufstieg gelingen, brauche Bhutan jedoch eine Diversifizierung seiner Wirtschaft sowie Innovationen. Problematisch sei zudem, dass viele junge gut ausgebildete Menschen aktuell Bhutan verließen, etwa nach Australien. Um die Jugend zu halten, müsse das Land adäquate Jobs anbieten können.
Moderator Sunil Rasaily, der unter anderem den privaten Sektor Bhutans analysiert, erläuterte, dass die Wirtschaft Bhutans nach starkem Wachstum mit Raten von rund neun Prozent während der Coronapandemie um vier Prozent eingebrochen sei. Eine Stärkung des privaten Sektors sie nicht zuletzt wichtig, um Jobs für die junge Bevölkerung Bhutans bereitstellen zu können, sagte Rasaily, der auch die Bhutanesische Industrie- und Handelskammer berät und eine Consultingfirma leitet. Das Land, das flächenmäßig so groß ist wie die Schweiz, hat immerhin das zweithöchste Pro-Kopf-Einkommen in Südasien.
Chencho Tshering, Geschäftsführerin der Tourismuskette Wangchuk Group of Companies Pvt. Ltd., unterstrich, dass Bhutan immer der Versuchung widerstanden habe, Massentourismus zu betreiben und stattdessen großen Wert auf Nachhaltigkeit lege. Die Kosten für dieses Konzept würden jedoch zu einem großen Teil von den Hotels getragen. Deren Auslastung liege gerade mal bei rund 45 Prozent, wirtschaftlich notwendig seien aber mehr als 60 Prozent. Zudem habe die im Juni 2022 deutlich erhöhte Tourismusabgabe von 65 auf 200 US-Dollar pro Person pro Tag die Ankünfte einbrechen lassen. Die Abgabe nutzt Bhutan für die nachhaltige Gestaltung der touristischen Infrastruktur, den Erhalt lokaler Traditionen, den Umweltschutz sowie die Bezahlung fairer Gehälter. Um das starke Ungleichgewicht von der Nachfrage der Touristen sowie Angebot an Hotelkapazitäten besser auszubalancieren, müsste der Staat den Bau neuer Hotels regulieren. Chencho Tshering wies zudem darauf hin, dass es an Fachkräften mangele. Unter anderem sollte die Regierung die Mindestlöhne erhöhen, um das Abwandern einzudämmen. Auch müssten Aus- und Weiterbildung attraktiver gemacht werden.
Sonam Chophel, CEO von CSI Markets, dem größten Marktplatz für Produkte made in Bhutan, die – auch international - stationär und online vertreiben werden, unterstrich die Bedeutung der Kleinstbetriebe (cottage and small industries) in Bhutan als Rückgrat der Ökonomie. Mit 500 dieser Kleinstbetriebe arbeitet Chophel zusammen. Ihr Potenzial könnten diese Betriebe nur entfalten, wenn zahlreiche Hürden wie ein leichterer Zugang zu Kapital, Abbau von Handelshemmnissen und eine bessere Ausbildung ermöglicht würden. Chophel schätzt, dass rund 40 Prozent der Kleinstbetriebe von Frauen geleitet würden.
Singye Namgyal, Präsident der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) Youth Entrepreneurs Forum (SEF) und Mitgeschäftsführer der Rohstofffirma RSA Pvt. Ltd., unterstrich die Bedeutung von produzierenden Unternehmen, die zahlreiche Arbeitsplätze schaffen könnten und Chancen für Exporte böten. Aktuell ist das benachbarte Indien der bei weitem größte Handelspartner des Landes. Dazu müssten größere Industrieeinheiten gefördert werden. Noch dominieren kleine Betriebe. Zu den Restriktionen zählte Namgyal den Mangel an Robotern, die nicht frei konvertiere Währung, sehr hohe Logistikkosten wegen der teils mangelhaften Infrastruktur sowie eine zu starke Regulierung. Zu den Vorteilen zählte er die günstigen Energiepreise in Bhutan.
Als so genanntes „Least Developed Country“ habe Bhutan zu wenig die Vorteile der von der EU gewährten Handelspräferenzen genutzt, sagte Namgyal. Die „Everything but Arms Handelspräferenzen“ (EBA) der Europäischen Union unterstützen die am wenigsten entwickelten Länder wirtschaftlich. Als Grund nannte Namgyal, dass es an Produkten gemangelt habe. Das ändere sich jetzt. Künftig könnten weitere Handelspräferenzen die Exporte fördern. Unter dem von der EU gewährten Status GSP+ (Generalised System of Preferences) können Begünstigte Waren zu einem niedrigeren Zollsatz oder sogar gänzlich zollbefreit in die EU liefern. Um den Status zu erhalten, müssen Staaten allerdings bestimmte Bedingungen erfüllen wie soziale Arbeitsbedingungen, Gleichberechtigung von Mann und Frau oder Schutz der Kinder.
Dr. Carsten Klein, Leiter des Regionalbüros Südasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, unterstrich abschließend, dass Bhutan regional und international ein wichtiger Akteur sei. Das Beispiel Bhutan zeige, wie stark kleine und mittlere Unternehmen das Rückgrat einer Wirtschaft seien. Diese böten Perspektiven für eine große Anzahl von Beschäftigten. Wichtig sei, dass die Abwanderung junger Talente gestoppt werde. Klein kündigte an, dass die Friedrich-Naumann- Stiftung für die Freiheit ihre Webinare fortsetzen und im Jahr 2023 eine internationale Konferenz zu dem Thema in Bhutan ausrichten werde.