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Coronavirus
Südostasiens autoritäre Politiker greifen nach mehr Macht

Im Kampf gegen das Coronavirus verabschieden Asiens Regierungen Notstandsgesetze. Oppositionelle befürchten Machtmissbrauch.
Checkpoint in Manila
Checkpoint in Manila © picture alliance / AP Photo

Im Kampf gegen das neue Coronavirus verabschieden Asiens Regierungen Notstandsgesetze und setzen auf teils radikale Maßnahmen. Oppositionelle befürchten Machtmissbrauch.

Die Millionenmetropole Manila gleicht in diesen Tagen einer Geisterstadt. Es herrscht eine Ausgangssperre, nur die nötigsten Besorgungen sind noch erlaubt. Soldaten und Polizisten kontrollieren an Checkpoints, ob sich die Bürger an die strengen Anordnungen halten. Aufmüpfigen droht Staatschef Rodrigo Duterte mit dem Tod: "Meine Anweisungen an die Polizei und das Militär, wenn jemand Ärger macht und ihre Leben in Gefahr sind: Erschießt sie!“

Die aggressive Rhetorik des Präsidenten hat Konsequenzen: Aus dem ganzen Land meldet die NGO Human Rights Watch massive Menschenrechtsverletzungen nach mutmaßlichen Verstößen gegen die Ausgangssperre: In der Stadt Santa Cruz wurden Personen zur Strafe in zeitweise in Hundezwinger gesteckt, in der Provinz Cavite sogar in einen Sarg. Im Süden des Landes erschoss die Polizei an einem Checkpoint einen Betrunkenen – weil er gegen die Maskenpflicht verstoßen hatte, war es zum Streit gekommen.

Duterte sichert sich mehr Macht

Duterte, berüchtigt für seinen radikalen Anti-Drogen-Krieg, verschärft nicht nur den Ton. Indem der autoritäre Politiker bereits im März den Notstand ausrufen ließ, sicherte er sich zahlreiche Befugnisse. Unter anderem darf er nun öffentliche Mittel umverteilen. Vergehen wie das Verbreiten mutmaßlich falscher Informationen können nun außerdem mit Gefängnis bestraft werden – eine Regel, die sich leicht gegen Kritiker anwenden lässt. Lokale Anwaltsverbände wie die Free Legal Assistance Group (FLAG) bezeichnen den Machtzuwachs als “überflüssig”.

Doch nicht nur auf den Philippinen bedrohen die Reaktionen auf das Virus Menschenrechte und Demokratie. In ganz Südostasien könnten autoritäre Politiker die Krise für sich nutzen. Seit Jahrzehnten schwanken viele Staaten der Region zwischen Demokratie und Autoritarismus hin und her, in vielen haben sich Mischformen etabliert. Unter Oppositionellen wächst nun die Sorge, dass Regierungen in Myanmar, Thailand und in Kambodscha die Krise nutzen könnten, die ohnehin schon schwachen demokratischen Kontrollen weiter zu unterwandern.

Die Fallzahlen in Südostasien sind zwar noch relativ gering, steigen aber kontinuierlich. In Vietnam zählt die Johns-Hopkins-Universität etwas mehr als 250 Infektionen, auf den Philippinen mehr als 4.600, in Thailand mehr als 2.500 und in Malaysia sind es rund 5.000 Im Vergleich zu Europa sind das noch wenige Fälle: In der EU registrierten Mediziner bereits weit mehr als eine halbe Million Ansteckungen, in Südostasien sind es insgesamt weniger als 15.000. Allerdings rechnen Mediziner mit einer hohen Dunkelziffer.

Eine Region im Alarmzustand

Trotz der niedrigen Fallzahlen ist die Region bereits seit Wochen im Alarmzustand. Reisen zwischen den Staaten sind nahezu unmöglich geworden. In vielen der sonst so wuseligen Megastädte ist das Leben deutlich heruntergefahren. In Bangkok mussten die großen Kaufhäuser in der Innenstadt schließen, Restaurants dürfen ihr Essen nur noch zum Mitnehmen oder als Lieferung anbieten. Nachts herrscht in der Hauptstatt eine fast vollständige Ausgangssperre, mehrere Provinzen sind abgeriegelt.

Thailand und Myanmar haben außerdem die Feierlichkeiten zum lokalen Neujahrsfest verschoben - ein bisher einmaliger Schritt. Als in Myanmar die ersten Fälle bestätigt wurden, stürmten die Menschen noch nachts panisch in die Supermärkte und hamsterten Lebensmittel.

Die Verunsicherung der Bevölkerung könnte auch den oft einflussreichen Armeen der Regionen zugutekommen. In Myanmar gelten die Streitkräfte als Gegenspieler zur zivilen Regierung von Aung San Suu Kyi, dem Militär sind per Verfassung drei sicherheitsrelevante Ministerien unterstellt. Nun präsentieren sich die Soldaten als schlagfertige Katastrophenschützer. Sie bauen 17 Militär-Hospitäler zu Corona-Krankenhäuser um, während die zivile Regierung kopflos wirkt und nur über begrenzte Ressourcen verfügt.

Sonderrechte für Thailands Regierungschef

Auch in Thailand hat Regierungschef Prayuth Chan-ocha den Ausnahmezustand erklärt. Der General hatte sich 2014 an die Macht geputscht und ließ sich erst 2019 in einer eingeschränkt freien Wahl demokratisch legitimieren. Jetzt verfügt Prayuth wieder über viele Sonderrechte, die er auch als Junta-Chef innehatte.

Der neue Status erlaubt der Regierung unter anderem das Militär einzusetzen, um Versammlung aufzulösen. Außerdem darf die Regierung die Presse nun noch stärker kontrollieren - eine Praxis, die auch schon vor der Pandemie Alltag war und nun noch einfacher wird. Schon vor dem Ausnahmezustand nahmen Sicherheitskräfte einen Mann fest, der sich über schwache Gesundheitskontrollen an einem Bangkoker Flughafen auf Facebook beschwert hatte. Ihm wird nun vorgeworfen, gegen den „Computer Crime Act“ verstoßen zu haben. Bei einer Verteilung drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.

Wie leicht die Pandemie politisch instrumentalisiert werden kann, zeigt sich auch in Kambodscha. Dort nahmen Sicherheitskräfte vier Mitglieder der offiziell aufgelösten Cambodia National Rescue Party (CNRP) fest. Der Grund: Die Oppositionellen hatten öffentlich daran gezweifelt, dass die Regierung das Virus eindämmen könnte. Laut Human Rights Watch musste sogar ein 14-jähriges Mädchen in Polizeigewahrsam. Sie hatte in einem Sozialen Netzwerk ihre Angst vor Covid-19 ausgedrückt.

 

Frederic Spohr ist Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Thailand und Myanmar, mit Sitz in Bangkok.