Digitale Währungen
Der Aufstieg des e-RMB – lokale Kontrolle, globale Dominanz?
China ist weltweit führend bei der Entwicklung und dem Testen eines Digitalen Zentralbankgelds (CBDC). Der digitale Renminbi, kurz e-RMB, kommt nun in den Umlauf. Das hat Auswirkungen, die weit über China oder Asien hinausgehen. Der Global Innovation Hub der FNF hat im Dezember 2021 eine Studie dazu veröffentlicht.
Die Deutschen sind berühmt-berüchtigt für ihre Liebe zum Bargeld. So sorgte etwa der Ausgabestopp für den 500-Euro-Schein 2019 hierzulande für große Diskussionen. Ganz anders sieht es in der Volksrepublik China aus. Dort kommt man heute mit Bargeld oftmals nicht mehr weiter: Der Taxifahrer will die Scheine nicht, und auch der Verkäufer auf dem Markt hat auf AliPay umgestellt. Sowohl bei der Nutzung als auch der Entwicklung der digitalen Zahlung liegt die Volksrepublik weit vorne. Nun plant die Führung in Peking die flächendeckende Einführung des e-RMB, einer digitalen Zentralbankwährung. Anders als der analoge Renminbi (RMB) soll die digitale Variante auch außerhalb der Volksrepublik nutzbar sein – ein Paradigmenwechsel.
Der Global Innovation Hub der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat die Entwicklung der chinesischen Digitalwährung seit 2020 beobachtet und analysiert. Im Dezember 2021 veröffentlichte der Hub eine neue Studie zu den aktuellsten Entwicklungen und deren Bedeutung für die Nachbarländer sowie für den Rest der Welt. Zudem enthält die Studie Politikempfehlungen.
Der „gläserne e-RMB“
Chinas neue Digitalwährung wird gerade in vielen Teilen Chinas eingeführt und kann bald landesweit für kleinere Transaktionen genutzt werden. Das ist nur der Anfang, ist sich der Autor der FNF-Studie, Andrew Work, sicher. Diese neue Währung wird der Chinesischen Volksbank PBOC und somit der Kommunistischen Partei Chinas fast unbegrenzten Einblick in die Finanzaktivitäten ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen bieten. Je nach Standpunkt in wohlmeinender oder übelwollender Absicht. Während physisches Bargeld längerfristig noch für Transaktionen auf dem Schwarzmarkt und in ländlichen Gebieten verwendet werden wird, wird der e-RMB auf längere Sicht dominieren.
Diese rechtliche und technologische Infrastruktur des e-RMB wird seine Verbreitung und Verwendung vorantreiben, so dass er zu der Währung wird, die man jederzeit überall in China verwenden kann. Echtzeit-Sichtbarkeit von Transaktionen, gekoppelt mit der Nutzung fortgeschrittener Analysewerkzeuge und Künstlicher Intelligenz werden der Polizei, den Regulierungsbehörden, dem Überwachungsstaat und den wirtschaftspolitischen Planern gleichermaßen enormen Nutzen einbringen. Den Bürgerinnen und Bürgern hingegen bietet der e-RMB kaum einen zusätzlichen Nutzen im Vergleich zu den bereits etablierten digitalen Bezahlmethoden wie AliPay. Der e-RMB wird für die Zentralbank überall sichtbar sein, wo er verwendet wird. Außer bei den allerkleinsten Transaktionen wird die Zentralbank in der Lage sein, die Verwendung des RMB von Person zu Firma zu Person bis ins Unendliche zu verfolgen. Wer in Chinas modernen städtischen Zentren lebt, wird keine finanzielle Privatsphäre vor dem Staat haben.
Während der analoge RMB in seiner internationalen Zirkulation stark eingeschränkt ist, will die chinesische Regierung den e-RMB dazu nutzen, die Vorteile einer internationalen Währung zu haben, ohne die Nachteile – wie etwa geringere Kontrolle - in Kauf nehmen zu müssen. Damit die gelingt, ist neben dem e-RMB ein zweiter Bestandteil vonnöten: Im Windschatten von Chinas Wirtschaftswachstum und seiner Handelsmacht verbreitet sich die chinesische Alternative zu SWIFT, das Cross-Border Interbank Payment System (CIPS). CIPS wird jetzt schon von vielen Ländern und wichtigen weltweiten Finanzinstitutionen genutzt. Das Ziel dieses Systems ist es, zu einer echten Alternative zum vom Westen dominierten SWIFT-System zu werden. Der RMB könnte sich damit als internationale Währung viel stärker verbreiten und den Euro und US-Dollar verdrängen, analysiert Work in der FNF-Studie.
Welche Handlungsoptionen haben die USA und Europa?
Der Studien-Autor hält es für unwahrscheinlich, dass die USA der Einführung der Kombination aus CIPS und e-RMB rechtzeitig etwas entgegensetzen, um zu verhindern, dass CIPS zu einer globale Alternative zum jetzigen vom Westen dominierten System internationaler Transferzahlungen wird. Wenn CIPS sich als alternative zu SWIFT etabliert, sind die amerikanischen Möglichkeiten für finanzielle Sanktionen mit Hilfe des SWIFT Systems empfindlich geschwächt.
Für Europa sieht Work die Möglichkeit, eine Rolle dabei zu spielen, Regeln für CIPS zu setzen, bevor es sich etabliert hat. Die Voraussetzung dafür wäre, dass Europa jetzt erhebliche Anstrengungen in Forschung, Politik und Diplomatie unternimmt, um mit China über die Verbreitung von CIPS und des e-RMB zu verhandeln. Um eine attraktive Alternative zum neuen chinesischen System bieten zu können, fordert Work, dass Europa eine Überregulierung der Geldtransferoptionen - einschließlich Kryptowährungen - für den Privatsektor vermeiden sollte.
Die Intention, die hinter Chinas neuem Zentralbankgeld steht, ist klar: Mehr Transparenz für die Zentralbank und damit für den chinesischen Staat, Internationalisierung des Renminbi und mehr Daten – für bessere Fünf-Jahres-Pläne oder auch für die Umsetzung des Sozialkreditsystems. Die Programmierbarkeit des e-RMB ermöglicht außerdem eine Steuerung des Konsumverhaltens, beispielsweise indem die PBOC ein „Ablaufdatum“ für das Geld setzt und damit den Konsum anheizt.
Die Einführung des e-RMB ist beschlossene Sache. Die Chancen, dass diese neue Währung in Kombination mit der SWIFT-Alternative CIPS gut angenommen wird, ist hoch. Der Rest der Welt braucht eine starke und klar durchdachte Antwort auf diese absehbar dramatische Verschiebung der weltweiten ökonomischen und monetären Strukturen, bevor daraus eine Machtverschiebung erwächst.
Lesen Sie die gesamte Publikation hier auf Englisch.und hier auf Deutsch. Eine Aufzeichnung des Launchevents mit Fragen an den Autor Andrew Work in Englischer Sprache finden Sie hier
* Anna Marti leitet das FNF-Büro in Taipei.
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