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Bundeskanzler in China
Scholz-Kotau in Peking?

China Flagge
© picture alliance / imageBROKER | Egmont Strigl

 Am 27. Februar 2022 hielt Bundeskanzler Scholz eine viel beachtete Rede zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Darin rief er eine „Zeitenwende“ in der deutschen Politik aus. Und er warnte davor, welche schwerwiegenden Folgen es habe, wenn Deutschland sich von autokratischen Regimen abhängig macht.

In diese Riege gehört auch China: ein Staat, in dem es keinen Rechtsstaat gibt, wo die Armee der Partei untersteht, es keine Wahlen gibt, in dem allem Anschein nach Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden und die Privatwirtschaft immer mehr unter Druck ist. Dorthin reist Bundeskanzler Scholz zu einem Blitzbesuch. In Peking soll er Staatspräsident Xi Jinping treffen. Xi hat vor knapp zwei Wochen auf dem Parteikongress in Peking seine Macht auf eindrückliche Weise zementiert. Er entmachtete seine politischen Gegner und baute das Führungssystem der Volksrepublik endgültig zu einer de-facto Diktatur um. Für gute Stimmung zwischen dem deutschen und seinen chinesischen Gesprächspartnern hat Scholz schon im Vorhinein gesorgt: Mit seiner Zustimmung zur chinesischen Beteiligung am Hamburger Hafen und voraussichtlich auch zur Übernahme des deutschen Chipherstellers ELMOS. In Deutschland und bei EU-Partnern hatte das heftige Kritik ausgelöst.

Harte Kritik in Deutschland – warmes Willkommen in China

BND-Präsident Bruno Kahl warnte unlängst, dass für Deutschland eine größere Gefahr von China ausgehe als von Russland. Bereits im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, dass man „strategische Abhängigkeiten von China reduzieren“ wolle. Das beinhaltete auch einen Appell an die deutsche Wirtschaft, die bereits bestehenden wirtschaftlichen Verflechtungen nicht noch weiter zu vertiefen, sondern sich umzuorientieren. Die Peking-Reise des Bundeskanzlers zu diesem Zeitpunkt und unter diesen Umständen stellt den angekündigten Strategiewechsel in Frage.

Der Kanzler will der Übernahme der Chips-Fertigungssparte des deutschen Chipherstellers ELMOS durch den chinesischen Konzern Sai Electronics zustimmen. Auch dies führt die Appelle an die Wirtschaft ad absurdum. Bereits der Deal mit COSCO, einem staatlichen chinesischen Unternehmen zur Übernahme von 24,9 Prozent am Terminal Tollerort am Hamburger Hafen, passte nicht dazu. Sechs Bundesministerien und die EU Kommission rieten davon ab, dem chinesischen Staatsunternehmen COSCO die Beteiligung zu erlauben. Und nachdem Frankreich die geplanten Regierungskonsultationen mit Deutschland verschoben haben, meldete sich auch der französische Präsident Macron zu Wort und befand: Infrastruktur gehöre nicht in die Hand eines Systemrivalen.

Trotzdem drückte Scholz den Deal durch - gegen den Widerstand der Koalitionspartner, gegen den ausdrücklichen Rat von Fachleuten, trotz Warnungen des Bundespräsidenten und gegen die öffentliche Meinung. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Civey waren 85 Prozent der Befragten der Meinung, dass der Verkauf an COSCO ein Risiko für die wirtschaftliche Unabhängigkeit Deutschlands mit sich bringe. Hat Scholz verstanden, dass er jetzt Bundeskanzler der Bundesrepublik ist und nicht mehr Bürgermeister von Hamburg?

Was passierte mit Hu Jintao?

Der Scholz-Besuch wird der erste Staatsbesuch nach dem denkwürdigen 20. Parteitag der Kommunistischen Partei in China sein, auf dem Xi Jinping zwei Drittel des Zentralkomitees austauschte. Xi warf damit Konventionen über Bord, die zuvor dafür gesorgt hatten, dass verschiedene Strömungen innerhalb der Partei etwas zu sagen haben. Xi entfernte mit einer Ausnahme alle Frauen aus dem Politbüro. Er verteilte die Plätze weniger nach Fachkompetenz, sondern nach Loyalität. Am Montag nach dem Parteitag zierte Xis Konterfei die staatlich gelenkten Zeitungen in China. Die Nachricht dieser Bildsprache ist klar: Politisch gibt es in China nur noch Xi.

Für weltweites Aufsehen sorgten nur wenige Minuten des mehrtägigen Parteitags: Vor versammelter internationaler Presse, die erst kurz zuvor auf die Zuschauertribüne gelassen worden war, wurde Xis Amtsvorgänger, der greise Hu Jintao, aus dem Saal geführt. Ob er ein gesundheitliches Problem hatte, wie die chinesischen Agenturen berichteten, oder ob er gegen seinen Willen entfernt wurde und vorgeführt werden sollte, ist nicht klar. Gegen ein Gesundheitsproblem spricht, dass die internationale Presse schon eine Stunde lang vor verschlossenen Türen gewartet hatte. Es wäre also möglich gewesen, dass Hu Jintao zunächst den Saal verlässt und erst danach die Presse hereingelassen wird.

Timing hat Symbolkraft – und die ist hier verheerend

Keine drei Wochen nach diesem vermeintlichen Eklat besucht nun der Bundeskanzler Xi Jinping. Timing ist auf dem internationalen Parkett wichtig, es hat Symbolkraft. Wer zum Beispiel wem und wann zu einer Wiederwahl gratuliert – oder wer wann zu Besuch kommt. Und der erste Anruf, der erste Besuch ist immer besonders wichtig. Das Timing des Scholz-Besuchs ist unpassend.

Xi Jinping und Vladimir Putin hatten am Rande der Olympischen Spiele im Februar in einem gemeinsamen Statement grenzenlose Freundschaft beschworen, kurz bevor Putin die Ukraine überfiel. Scholz konterkariert nun mit seinem Peking-Besuch den Anspruch der Ampel, eine wertegeleitete Außenpolitik zu verfolgen. Es ist eine fragwürdige Botschaft, die der Bundeskanzler damit sendet – an China, aber auch an die deutschen Bürgerinnen und Bürger, an die Menschen in der Ukraine, die EU und weltweite Partner.

Etwa 100 deutsche Unternehmen, die in China aktiv sind, wurden eingeladen, Scholz zu begleiten. Manchen scheint die Reise nicht geheuer – ein Vorstandsmitglied eines DAX-Konzerns sprach sich - wenngleich anonym - öffentlich gegen die Reise aus. In seinem jüngsten Bericht hatte der Präsident des BND dargelegt, wie sehr man daran arbeite, die Wirtschaft für die Risiken zu sensibilisieren, die von einer zu engen Verflechtung mit China ausgehen. Die Sensibilisierung durch den BND scheint erste Früchte zu tragen.

In den chinesischen Medien wird Scholz derweil gelobt: Er habe verstanden, dass China ein Freund sei. Scholz‘ Besuch sei ein Friedensangebot an China und ein Signal an die USA. Er sei in der Bundesregierung derjenige, der den „Decoupling-Unsinn“ stoppen werde und seinen pro-amerikanischen Koalitionspartnern die Stirn biete. Der Online-Sender HNR würdigt in einem knapp fünf-minütigen Beitrag die Zustimmung zum COSCO Deal als „großes Geschenk“ des Kanzlers. Es herrschen also beste Voraussetzungen für einen warmen Empfang in Peking.

Vielleicht hofft Scholz, dass Wohlwollen Pekings ihm beim kommenden G20-Gipfel in Indonesien helfen könnte, eine gemeinsame Linie zu finden bei so drängenden Themen wie dem Klimaschutz oder dem russischen Krieg gegen die Ukraine. Der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas hat jedoch klar gezeigt, dass Ideologie alle anderen politischen Themen sticht. Scholz sollte sich daher nicht darauf verlassen, dass seine Taktik aufgeht.

Anna Marti leitet das Friedrich-Naumann-Stiftung-Büro in Taiwan.