Taiwan
Zusammenarbeit zwischen EU und Taiwan: Biete Computerchips, suche Anerkennung
„Chips sind notwendig für den grünen und digitalen Wandel - und für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie“. Mit diesem Bekenntnis kommentierte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Verabschiedung des European Chips Act (ECA) im Februar dieses Jahres. „Wir müssen gemeinsam mehr tun - in den Bereichen Forschung, Innovation, Design und Produktionsanlagen - um sicherzustellen, dass Europa als wichtiger Akteur in der globalen Wertschöpfungskette stärker wird“, sagte sie. Um künftige Versorgungsprobleme zu vermeiden, müsse mit internationalen Partnern zusammengearbeitet werden. Das Budget ist enorm: 43 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen, plus 15 weitere Milliarden für begleitende Investitionen.
Ein Kernanliegen von ECA ist der Aufbau internationaler Halbleiter-Partnerschaften mit „gleichgesinnten Ländern“, denn die EU möchte die eigenen Kapazitäten im Bereich der Chips-Produktion deutlich erhöhen: Bis 2030 sollen 20 Prozent aller weltweit hergestellten Chips aus europäischer Produktion stammen. Aktuell sind es 9 Prozent. Ein ambitionierter Plan, für dessen Umsetzung die EU die kleine ostasiatische Insel Taiwan braucht. Denn die meisten und fortschrittlichsten Chips werden in Taiwan und dort vom Weltmarktführer Taiwan Semiconductor Manufacturing Company TSMC produziert. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, hofft die EU auf Investitionen von TSMC in Europa.
In Taiwan wird TSMC auch als „Silikat-Schild“ bezeichnet: Die aus Silikaten gefertigten Computerchips beschützen Taiwan vor Chinas Aggression, da selbst die Volksrepublik von den taiwanischen Chips abhängig ist. Das mache die Firma unangreifbar. Doch darauf allein wollen sich die Taiwaner nicht verlassen. TSMC, eine privatwirtschaftliche Firma, stellt sich zunehmend geopolitisch-strategisch im Ausland auf: Während das Unternehmen über lange Jahre ihr Herstellungs- Knowhow exklusiv auf der Insel beließ, hat TSMC inzwischen Werke in den USA und Japan geplant. Genau in den Ländern also, die sich am deutlichsten für Taiwans Sicherheit einsetzen. Und welche Rolle spielt die EU? Sie ist der größte ausländische Investor in Taiwan. Gute Voraussetzungen also für eine vertiefte Zusammenarbeit, wie sie der EU-Wettbewerbskommissarin vorschwebt. Bleibt nur noch die Frage, wie sich die Regierung in Taipei dafür gewinnen lassen kann, die ihren größten Trumpf wohl nicht ohne Entgegenkommen ausspielen will.
Handels- und Investitionsdialog erstmals auf Ministerialebene
Tatsächlich gibt es etwas, von dem Taipei nicht genug bekommen kann: politische Anerkennung. Bislang sind hochrangige politische Kontakte mit Taiwan ein politisches Minenfeld. Die Republik China – so die offizielle Eigenbezeichnung - wird nur von 14 Staaten der Welt anerkannt, Tendenz fallend. Der einzige diplomatische Alliierte in Europa ist der Vatikanstaat. Alle anderen Staaten erkennen die Volksrepublik als das einzige China an – was Peking gleichzeitig zur Bedingung für wirtschaftliche Beziehungen mit der Volksrepublik macht. Aus diesem Grund beschränken viele Staaten den hochrangigen Austausch mit Taipei. Außenminister- oder Präsidentinnenbesuche sind oft gar nicht möglich.
Vor diesem Hintergrund war es ein kluger Schachzug der EU, den seit 20 Jahren stattfindenden Taiwan-EU-Handels- und Investitionsdialog dieses Jahr auf ein höheres diplomatisches Level zu hieven: Dieses Mal wurde er von der taiwanischen Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua (王美花) und der Direktorin der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission, Sabine Weyand geleitet. Dass das Treffen nun auf ministerieller Ebene und nicht mehr auf der Vize-Ebene wie bisher stattfand, gefiel in Taipei. Das taiwanische Wirtschaftsministerium bezeichnete den Schritt sogar als einen „Durchbruch in den EU-Taiwan“ Beziehungen. Das Hauptthema der Konsultationen: Halbleiterprodukte und Lieferketten.
Startschuss für ein neues Kapitel in den Beziehungen?
In Taipei verspricht man sich davon eine Vertiefung der Beziehungen, mehr und hochrangigere Kontakte, weitere Investitionen und vielleicht auch endlich ein bilaterales Investitionsschutzabkommen mit der EU. Seitens der EU sind die Hoffnungen konkreter: Man wünscht sich Unterstützung und vertrauensvolle Kooperation, um die Chips-Lieferketten zu stabilisieren.
Die Ausgangslage klingt gut, birgt aber auch die Gefahr von Enttäuschungen und Falscheinschätzungen, weil die Interessen auf unterschiedlichen Ebenen liegen. Die EU ist aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips im Bereich der Außenpolitik oft nicht so wendig, wie sie sie sein möchte. Länder wie Malta, Zypern, Griechenland oder Ungarn haben in der Vergangenheit oft China-kritische Resolutionen und Sanktionen auf EU-Ebene verhindert. Gut vorstellbar, dass diese Länder auch beim Ausbau der Beziehungen mit Taiwan zu Gunsten der Volksrepublik auf die Bremse treten.
Tschechiens EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli begann, bietet jedoch eine Chance für Taiwan: Die Beziehungen zwischen Taipei und Prag sind in den letzten Jahren immer besser geworden, und Tschechien hat sich sehr oft und sehr deutlich für Anliegen aus Taipei eingesetzt.
Anna Marti leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Taipei.
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